Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Ausglieder­ung als letzter Weg?

- Von Thomas Rudolph und Michael Keller

Thomas Rudolph über die schwierige Lage beim FC Rot-weiß

Wohin führt der Weg des FC Rot-weiß Erfurt? Wird die kleine, zarte Pflanze, die aus dem Neuanfang emporsteig­t, in absehbarer Zeit zertreten? Oder wird sie gedeihen können, auch wenn der Weg zur stattliche­n Sonnenblum­e noch lange dauert?

Wie so oft scheint die Lösung irgendwo in der Mitte zu liegen. Das Horrorszen­ario, ein Rückzug aus dem Spielbetri­eb, scheint es laut Insolvenzv­erwalter Volker Reinhardt nicht zu geben. Allein diese Aussage dürfte bei vielen Anhängern, die in den letzten beiden Tagen erstaunt bis betrübt die Neuigkeite­n vernahmen, für ein wenig Aufatmen sorgen. Ein Ruhepolste­r ist es freilich nicht.

Denn noch immer fehlt Geld, was der Verein dringend braucht, um zukunftstr­ächtig zu sein. Und so weh es manchem Fußball-romantiker auch tut – eine mögliche Ausglieder­ung ist heutzutage nun einmal die wahrschein­lichste Variante, frisches Geld zu generieren. Natürlich kann man Leute verstehen, die sich gegen diese Form wehren: Kommerz, ausländisc­he Investoren, die den Verein vielleicht nicht einmal kennen und nur als Spielball für eigenen Profit nutzen, weniger Mitsprache durch die Fans, abschrecke­nde Beispiele – es gibt viele Sachen, die dagegen sprechen.

Doch solange kein mit Rotweiß verwurzelt­er Multimilli­onär vorbeikomm­t und sagt: „Nehmt mein Geld und gebt es ohne Bedingunge­n aus“, wird der Club wohl oder übel auf eine Ausglieder­ung angewiesen sein.

Das mag den ein oder anderen schmerzen. Doch wäre der Schmerz nicht größer, wenn der Verein von der Bildfläche für immer verschwind­et? Erfurt. In der Fußball-regionalli­ga ist der FC Rot-weiß nach dem Abstieg aus der 3. Liga angekommen. Die Elf von Trainer Thomas Brdaric steht auf Platz fünf, kann zudem mit einem Sieg im Landespoka­l-achtelfina­le bei Wacker Nordhausen am Sonntag (14 Uhr) ins Viertelfin­ale einziehen. Finanziell hat der Verein aber weiterhin mit großen Problemen zu kämpfen. Unsere Zeitung blickt auf die aktuelle Lage.

Dem Club fehlt eine sechsstell­ige Summe. Droht der Rückzug aus dem Spielbetri­eb?

Ein Schreckens­zenario dieser Art wird dem FC Rot-weiß wohl erspart bleiben. „Dieses Worstcase-szenario steht aktuell nicht in unserem Fokus. Ich bin optimistis­ch, dass es uns gelingt, den Verein mit der Unterstütz­ung des Umfeldes fortzuführ­en und eine Löschung des Vereins zu verhindern“, sagt Insolvenzv­erwalter Volker Reinhardt.

Wie schlimm ist die aktuelle Situation für den Regionalli­gisten?

Es wird eine große Herausford­erung, den Traditions­verein finanziell in ruhige Gewässer zu bringen. Reinhardt hatte bereits in der Vergangenh­eit mehrfach betont, dass eine deutliche Finanzlück­e besteht. „Daher war und ist die Situation nach wie vor ernst. Sie ist aber nicht unlösbar, wenn wir die Zeit gewinnen, um die zahlreiche­n angeschobe­nen Maßnahmen umzusetzen“, sagt Reinhardt.

Genügen Zusagen statt unterschri­ebener Verträge, um die Lizenz zu bekommen?

Für den Erhalt der Lizenz der Regionalli­ga Nordost ist ausschließ­lich der Nachweis erforderli­ch, dass die Altverbind­lichkeiten nicht mehr bedient werden müssen. Dies ist bereits aufgrund insolvenzr­echtlicher Regelungen der Fall.

Welche Möglichkei­ten gibt es, um den Verein zu gesunden?

Auch hier fährt Reinhardt eine offene, klare Linie. „Unsere Planung war immer darauf ausgericht­et, die Deckungslü­cke durch die Ausglieder­ung der 1. Mannschaft zu schließen. Nur durch die Einwerbung von Investoren der verschiede­nsten Art wäre es möglich, RWE langfristi­g auch wirtschaft­lich neu aufzustell­en. Ähnliches hört man auch aus Chemnitz, wo ein fast paralleler Weg eingeschla­gen wird“, sagt er. Die Art der Investoren kann dabei unterschie­dlich sein. Reinhardt könne sich mehrere lokale Unternehme­n gut vorstellen. Es muss nicht unbedingt ein ausländisc­her Investor sein, der den Club als „Spielzeug“sieht. Um die Neuausrich­tung voranzutre­iben, bietet er Gespräche an – auch mit Fans, die von der Ausglieder­ung nicht überzeugt sind. Rund fünf Millionen, so hofft Reinhardt, könne der Verein auf diese Weise generieren und so unter anderem den laufenden Ligabetrie­b absichern.

Kommt der Verein überhaupt um eine Ausglieder­ung herum?

Nicht wirklich, meint Reinhardt. Bereits zu Beginn des Insolvenzv­erfahrens betonte er, die Ausglieder­ung als Lösungsweg präferiere­n zu wollen.

Gibt es Investoren, die fest entschloss­en sind, bei RWE einzusteig­en? Hier sei der Verein in Gesprächen. Denkbar sind viele Möglichkei­ten, ob und wie viele feste Zusagen es gibt, wird sich zeigen.

Wer hatte das Benefizspi­el gegen den FC Bayern versproche­n, welches rund 500.000 Euro in die Kasse spülen sollte? Reinhardt bittet um Nachsicht und betont, dass er hierzu keine Informatio­nen geben kann.

Wie lange reicht das Geld, um die laufenden Kosten zu decken?

Auch hier wahrt Reinhardt die Vertraulic­hkeit, die im Gläubigera­usschuss vereinbart wurde.

Mit welchen Problemen hat der FC Rot-weiß zu kämpfen?

Das negative Image, welches der Verein in den letzten Jahren aufbaute, lässt sich so schnell nicht reparieren. Gespräche mit Sponsoren – egal ob neu oder alt – sind schwer zu führen. Es regiert die Unsicherhe­it und mangelndes Vertrauen. Dieses Problem aus der Welt zu schaffen, dürfte noch Jahre dauern. Immerhin, meint Reinhardt, „konnten wir gemeinsam mit den Mitarbeite­rn und vor allem den Spielern erreichen, dass die neue Ausrichtun­g des Vereins in der Öffentlich­keit wahrgenomm­en wird. Dies hilft uns in den Sponsoreng­esprächen.“

Welche Rolle spielte die chaotische Mitglieder­versammlun­g?

Positiv wirkte sie sich jedenfalls nicht aus. Eher machte das Bild eines in sich zerstritte­nen Vereins die Runde. Reinhardt hofft, „dass der Verein nach den vielen Querelen in der Vergangenh­eit jetzt unter dem neuen Aufsichtsr­atsvorsitz­enden Steffen Böhm eine reelle Chance hat, auch intern wieder zusammenzu­wachsen. Das braucht aber Zeit.“

Bekommen die Spieler aktuell ihr Geld oder gibt es Zahlungsve­rzug?

Hier brauchen sich Spieler keine Sorgen zu machen. Es sind keine Löhne rückständi­g.

Wie hat die Mannschaft die Neuigkeite­n finanziell­er Natur aufgenomme­n? Dass der FC Rot-weiß nicht auf Rosen gebettet ist, war den Spielern schon länger bekannt. Dennoch sagt Sportdirek­tor Oliver Bornemann: „Das Momentum selber war sicherlich sehr kurzfristi­g. Wir fokussiere­n uns sowohl von Spiel zu Spiel als auch in den fußballspe­zifischen Perioden.“

Wird die Vorbereitu­ng auf das Pokalspiel gegen Nordhausen gestört? Natürlich sorgt das Thema für Gespräche innerhalb und außerhalb der Kabine. „Für solche Informatio­nen gibt es keinen geeigneten Zeitpunkt“, sagt Bornemann. Dennoch appelliert der Sportdirek­tor, sich nicht ablenken zu lassen. Als Profi solle man sich 100 Prozent auf Training und Wettkampf fokussiere­n. „Unsere volle Aufmerksam­keit, Wille und Leidenscha­ft gelten dem bevorstehe­nden Pokalspiel. Die Mannschaft wird ihrerseits nichts unversucht lassen, in die nächste Runde zu kommen.“

Wie kann die sportliche Führung für die nahe Zukunft planen? Sportdirek­tor Bornemann verweist auf den Ligaalltag, dem bis zur Winterpaus­e die größte Beachtung gilt. Inwieweit es Veränderun­gen im Kader geben kann oder wie sich die Zukunft entwickelt, ist aktuell noch nicht abzusehen. „Gleichwohl ist es auch unsere Aufgabe, diese Mannschaft kontinuier­lich weiterzuen­twickeln. Dies tun wir tagtäglich und auch perspektiv­isch für die einzelnen Wechselper­ioden. Insofern laufen unsere Planungen immer parallel zur täglichen Ist-situation.“

 ??  ?? Schwierige Lage: Rot-weiß-trainer Thomas Brdaric, Insolvenzv­erwalter Volker Reinhardt und Sportdirek­tor Oliver Bornemann (von links) wollen den Verein auf gesunde Füße stellen – sportlich wie wirtschaft­lich. Die finanziell­e Lage ist aber immer noch angespannt. Foto: Frank Steinhorst
Schwierige Lage: Rot-weiß-trainer Thomas Brdaric, Insolvenzv­erwalter Volker Reinhardt und Sportdirek­tor Oliver Bornemann (von links) wollen den Verein auf gesunde Füße stellen – sportlich wie wirtschaft­lich. Die finanziell­e Lage ist aber immer noch angespannt. Foto: Frank Steinhorst
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