Thüringer Allgemeine (Eisenach)
Ausgliederung als letzter Weg?
Thomas Rudolph über die schwierige Lage beim FC Rot-weiß
Wohin führt der Weg des FC Rot-weiß Erfurt? Wird die kleine, zarte Pflanze, die aus dem Neuanfang emporsteigt, in absehbarer Zeit zertreten? Oder wird sie gedeihen können, auch wenn der Weg zur stattlichen Sonnenblume noch lange dauert?
Wie so oft scheint die Lösung irgendwo in der Mitte zu liegen. Das Horrorszenario, ein Rückzug aus dem Spielbetrieb, scheint es laut Insolvenzverwalter Volker Reinhardt nicht zu geben. Allein diese Aussage dürfte bei vielen Anhängern, die in den letzten beiden Tagen erstaunt bis betrübt die Neuigkeiten vernahmen, für ein wenig Aufatmen sorgen. Ein Ruhepolster ist es freilich nicht.
Denn noch immer fehlt Geld, was der Verein dringend braucht, um zukunftsträchtig zu sein. Und so weh es manchem Fußball-romantiker auch tut – eine mögliche Ausgliederung ist heutzutage nun einmal die wahrscheinlichste Variante, frisches Geld zu generieren. Natürlich kann man Leute verstehen, die sich gegen diese Form wehren: Kommerz, ausländische Investoren, die den Verein vielleicht nicht einmal kennen und nur als Spielball für eigenen Profit nutzen, weniger Mitsprache durch die Fans, abschreckende Beispiele – es gibt viele Sachen, die dagegen sprechen.
Doch solange kein mit Rotweiß verwurzelter Multimillionär vorbeikommt und sagt: „Nehmt mein Geld und gebt es ohne Bedingungen aus“, wird der Club wohl oder übel auf eine Ausgliederung angewiesen sein.
Das mag den ein oder anderen schmerzen. Doch wäre der Schmerz nicht größer, wenn der Verein von der Bildfläche für immer verschwindet? Erfurt. In der Fußball-regionalliga ist der FC Rot-weiß nach dem Abstieg aus der 3. Liga angekommen. Die Elf von Trainer Thomas Brdaric steht auf Platz fünf, kann zudem mit einem Sieg im Landespokal-achtelfinale bei Wacker Nordhausen am Sonntag (14 Uhr) ins Viertelfinale einziehen. Finanziell hat der Verein aber weiterhin mit großen Problemen zu kämpfen. Unsere Zeitung blickt auf die aktuelle Lage.
Dem Club fehlt eine sechsstellige Summe. Droht der Rückzug aus dem Spielbetrieb?
Ein Schreckenszenario dieser Art wird dem FC Rot-weiß wohl erspart bleiben. „Dieses Worstcase-szenario steht aktuell nicht in unserem Fokus. Ich bin optimistisch, dass es uns gelingt, den Verein mit der Unterstützung des Umfeldes fortzuführen und eine Löschung des Vereins zu verhindern“, sagt Insolvenzverwalter Volker Reinhardt.
Wie schlimm ist die aktuelle Situation für den Regionalligisten?
Es wird eine große Herausforderung, den Traditionsverein finanziell in ruhige Gewässer zu bringen. Reinhardt hatte bereits in der Vergangenheit mehrfach betont, dass eine deutliche Finanzlücke besteht. „Daher war und ist die Situation nach wie vor ernst. Sie ist aber nicht unlösbar, wenn wir die Zeit gewinnen, um die zahlreichen angeschobenen Maßnahmen umzusetzen“, sagt Reinhardt.
Genügen Zusagen statt unterschriebener Verträge, um die Lizenz zu bekommen?
Für den Erhalt der Lizenz der Regionalliga Nordost ist ausschließlich der Nachweis erforderlich, dass die Altverbindlichkeiten nicht mehr bedient werden müssen. Dies ist bereits aufgrund insolvenzrechtlicher Regelungen der Fall.
Welche Möglichkeiten gibt es, um den Verein zu gesunden?
Auch hier fährt Reinhardt eine offene, klare Linie. „Unsere Planung war immer darauf ausgerichtet, die Deckungslücke durch die Ausgliederung der 1. Mannschaft zu schließen. Nur durch die Einwerbung von Investoren der verschiedensten Art wäre es möglich, RWE langfristig auch wirtschaftlich neu aufzustellen. Ähnliches hört man auch aus Chemnitz, wo ein fast paralleler Weg eingeschlagen wird“, sagt er. Die Art der Investoren kann dabei unterschiedlich sein. Reinhardt könne sich mehrere lokale Unternehmen gut vorstellen. Es muss nicht unbedingt ein ausländischer Investor sein, der den Club als „Spielzeug“sieht. Um die Neuausrichtung voranzutreiben, bietet er Gespräche an – auch mit Fans, die von der Ausgliederung nicht überzeugt sind. Rund fünf Millionen, so hofft Reinhardt, könne der Verein auf diese Weise generieren und so unter anderem den laufenden Ligabetrieb absichern.
Kommt der Verein überhaupt um eine Ausgliederung herum?
Nicht wirklich, meint Reinhardt. Bereits zu Beginn des Insolvenzverfahrens betonte er, die Ausgliederung als Lösungsweg präferieren zu wollen.
Gibt es Investoren, die fest entschlossen sind, bei RWE einzusteigen? Hier sei der Verein in Gesprächen. Denkbar sind viele Möglichkeiten, ob und wie viele feste Zusagen es gibt, wird sich zeigen.
Wer hatte das Benefizspiel gegen den FC Bayern versprochen, welches rund 500.000 Euro in die Kasse spülen sollte? Reinhardt bittet um Nachsicht und betont, dass er hierzu keine Informationen geben kann.
Wie lange reicht das Geld, um die laufenden Kosten zu decken?
Auch hier wahrt Reinhardt die Vertraulichkeit, die im Gläubigerausschuss vereinbart wurde.
Mit welchen Problemen hat der FC Rot-weiß zu kämpfen?
Das negative Image, welches der Verein in den letzten Jahren aufbaute, lässt sich so schnell nicht reparieren. Gespräche mit Sponsoren – egal ob neu oder alt – sind schwer zu führen. Es regiert die Unsicherheit und mangelndes Vertrauen. Dieses Problem aus der Welt zu schaffen, dürfte noch Jahre dauern. Immerhin, meint Reinhardt, „konnten wir gemeinsam mit den Mitarbeitern und vor allem den Spielern erreichen, dass die neue Ausrichtung des Vereins in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Dies hilft uns in den Sponsorengesprächen.“
Welche Rolle spielte die chaotische Mitgliederversammlung?
Positiv wirkte sie sich jedenfalls nicht aus. Eher machte das Bild eines in sich zerstrittenen Vereins die Runde. Reinhardt hofft, „dass der Verein nach den vielen Querelen in der Vergangenheit jetzt unter dem neuen Aufsichtsratsvorsitzenden Steffen Böhm eine reelle Chance hat, auch intern wieder zusammenzuwachsen. Das braucht aber Zeit.“
Bekommen die Spieler aktuell ihr Geld oder gibt es Zahlungsverzug?
Hier brauchen sich Spieler keine Sorgen zu machen. Es sind keine Löhne rückständig.
Wie hat die Mannschaft die Neuigkeiten finanzieller Natur aufgenommen? Dass der FC Rot-weiß nicht auf Rosen gebettet ist, war den Spielern schon länger bekannt. Dennoch sagt Sportdirektor Oliver Bornemann: „Das Momentum selber war sicherlich sehr kurzfristig. Wir fokussieren uns sowohl von Spiel zu Spiel als auch in den fußballspezifischen Perioden.“
Wird die Vorbereitung auf das Pokalspiel gegen Nordhausen gestört? Natürlich sorgt das Thema für Gespräche innerhalb und außerhalb der Kabine. „Für solche Informationen gibt es keinen geeigneten Zeitpunkt“, sagt Bornemann. Dennoch appelliert der Sportdirektor, sich nicht ablenken zu lassen. Als Profi solle man sich 100 Prozent auf Training und Wettkampf fokussieren. „Unsere volle Aufmerksamkeit, Wille und Leidenschaft gelten dem bevorstehenden Pokalspiel. Die Mannschaft wird ihrerseits nichts unversucht lassen, in die nächste Runde zu kommen.“
Wie kann die sportliche Führung für die nahe Zukunft planen? Sportdirektor Bornemann verweist auf den Ligaalltag, dem bis zur Winterpause die größte Beachtung gilt. Inwieweit es Veränderungen im Kader geben kann oder wie sich die Zukunft entwickelt, ist aktuell noch nicht abzusehen. „Gleichwohl ist es auch unsere Aufgabe, diese Mannschaft kontinuierlich weiterzuentwickeln. Dies tun wir tagtäglich und auch perspektivisch für die einzelnen Wechselperioden. Insofern laufen unsere Planungen immer parallel zur täglichen Ist-situation.“