Thüringer Allgemeine (Eisenach)
Notfall auf dem Weg ins All
Flug einer Rakete mit zwei Iss-raumfahrern muss abgebrochen werden. Insassen stürzen auf die Erde – und überleben
Bakonur. Eigentlich sollte es ein Routinestart werden. Für die Mitarbeiter am kasachischen Weltraumbahnhof Baikonur, für die Organisatoren und auch die Raumfahrer Alexei Owtschinin und Nick Hague, die diese Situation so oft geprobt hatten. Doch schon nach wenigen Minuten war allen Beteiligten klar: Dieser Start ist nicht, wie er sein sollte.
Um 10.40 Uhr deutscher Zeit zündete die erste Stufe der russischen Sojus-rakete, mit der die beiden Raumfahrer eigentlich zur Internationalen Raumstation ISS gelangen sollten. Doch weit kam die Rakete nicht. Nach vorläufigen Angaben von Experten traten schon beim Brennen der ersten Raketenstufe Probleme auf. Die Nasa spricht von einer „Anomalie“. Deswegen zündete die zweite Stufe, die den nötigen Schub zum Austritt aus der Erdatmosphäre gibt, nicht. Stattdessen schaltete sich die Rakete ab – und löste sich in ihre Einzelteile auf. Da war es etwa 10.45 Uhr.
Die abgetrennte Kapsel „Sojus MS-10“mit dem Russen Owtschinin und dem Amerikaner Hague an Bord ging in eine flachere Flugbahn über. Es folgten bange Minuten bis zur Notlandung etwa 400 Kilometer vom Startpunkt entfernt. Mit Hilfe eines Rettungsschirms landete die Kapsel sanft. „Die Besatzung ist gelandet. Alle leben“, gab schließlich Dmitri Rogosin, Leiter der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos, auf dem Kurznachrichtendienst Twitter Entwarnung. Auch wenn alle Offiziellen betont ruhig reagierten, ist doch klar: Es hätte leicht ein schwarzer Tag für die Raumfahrt werden können.
Bemannte Sojus-starts wurden nach dem Fehlschlag ausgesetzt. „In einer solchen Situation gibt es vorerst keine weiteren Starts, bis die Ursache endgültig geklärt worden ist“, sagte der für Raumfahrt zuständige russische Vizeregierungschef Juri Borissow. Zur Ursachenforschung wurde eine Kommission eingerichtet. „Andererseits hat sich gezeigt, dass die Notfall- und Rettungssysteme funktionieren, und das ist sehr wichtig“, sagte Borissow.
Alexei Owtschinin und Nick Hague sollten eigentlich die Besatzung der ISS aufstocken. Dort hat derzeit der deutsche Astronaut Alexander Gerst das Kommando. Dessen Crew sei von der Erde aus über den glimpflich verlaufenen Fehlstart informiert worden, teilte die Usraumfahrtbehörde Nasa knapp mit. Doch was bedeutet die neue Situation für Alexander Gerst?
Seit die USA ihr Space-shuttle-programm im Jahr 2011 eingestellt haben, sind die russischen Sojus-raketen der einzige Weg zur ISS – und wieder zurück. Ob Gerst, der eigentlich im Dezember zur Erde zurückkehren sollte, länger bleiben muss, ist noch nicht entschieden. „Dafür ist es jetzt zu früh, es hängt ganz wesentlich davon ab, wie schnell man die Ursache findet und für die Zukunft ausschließen kann“, sagte Europas Raumfahrtchef Jan Wörner. Falls Gerst wegen der Panne länger im All bleiben müsse, wäre alles vorbereitet.
Über Gersts zweitem Raumflug und seiner Zeit als erstem deutschen Kommandanten der ISS scheint kein guter Stern zu stehen. An der Kapsel „Sojus MS-09“, mit der er zur ISS kam, war kürzlich ein Bohrloch entdeckt worden. Zwar konnte das Leck wieder geschlossen werden, doch die Ursache ist noch ungeklärt. Russische Experten verstiegen sich sogar zu der These, Us-astronauten hätten im Kosmos die Wand angebohrt. (mti dpa)