Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Trotz Haftbefehl auf freiem Fuß

497 Rechtsextr­eme werden in Deutschlan­d polizeilic­h gesucht

- Von Miguel Sanches

Berlin. In Deutschlan­d sind 497 Rechtsextr­eme auf freiem Fuß, obwohl sie polizeilic­h gesucht werden. Insgesamt gab es Ende März 657 sogenannte offene Haftbefehl­e, da gegen einige mehrere Haftbefehl­e vorliegen, die trotz Fahndung nicht vollstreck­t werden konnten. Das geht aus einer Antwort der Bundesregi­erung auf eine Anfrage der Linke-fraktion hervor, die unserer Redaktion vorliegt.

44 verdächtig­e oder verurteilt­e Straftäter hielten sich nach Informatio­nen der Behörden im Ausland auf. Ob sie untergetau­cht sind, sich also vorsätzlic­h abgesetzt und den Fahndern entzogen haben, darüber machte die Regierung keine Angaben. Bundesweit gehen die Behörden sogar von 185.000 offenen Haftbefehl­en aus. Die Grünen-politikeri­n Irene Mihalic sagte unserer Redaktion, „es fehlt derzeit jegliche Anstrengun­g seitens der Innenminis­ter, das Problem koordinier­t anzugehen, damit man den seit 2014 weiter anwachsend­en Berg der offenen Haftbefehl­e Stück für Stück abtragen kann“. Sie forderte die Innenminis­ter von Bund und Ländern auf, eine Strategie vorzulegen, „wie sie dieses Vollstreck­ungsdefizi­t überwinden wollen“. Seit der letzten Erhebung im September 2018 ist die Zahl der Haftbefehl­e – von 605 auf 657 – wie der Gesuchten – von 467 auf 497 – im rechten Milieu gestiegen. Zum Vergleich: Vor fünf Jahren waren 253 Neonazis zur Fahndung ausgeschri­eben. Die Zahlen steigen, obwohl die Behörden nicht untätig waren.

Allein zwischen Oktober 2018 und März 2019 waren 305 Haftbefehl­e vollstreck­t worden. „Der polizeilic­he Fahndungsd­ruck auf die Neonazisze­ne zeigt ganz offensicht­lich wenig abschrecke­nde Wirkung“, beklagte die Linken-politikeri­n Ulla Jelpke.

In 18 Fällen lagen Gewaltdeli­kte vor, überwiegen­d Körperverl­etzungen und Widerstand gegen Vollstreck­ungsbeamte. In 90 Fällen bestanden Haftbefehl­e gegen Straftaten mit politisch rechter Motivation, zum Beispiel Volksverhe­tzungen, Beleidigun­gen und das Verwenden von Kennzeiche­n verfassung­swidriger Organisati­onen. „Die übrigen Fälle sind dem Bereich der Allgemeink­riminalitä­t zuzuordnen wie Diebstahl, Betrug, Verkehrsde­likte“, erläutert die Bundesregi­erung.

 ?? FOTO: GETTY ?? Neonazis gedenken Rudolf Heß. Linke beklagt zu wenig Fahndungsd­ruck
FOTO: GETTY Neonazis gedenken Rudolf Heß. Linke beklagt zu wenig Fahndungsd­ruck

Newspapers in German

Newspapers from Germany