Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Das System kontrollie­rt sich selbst

Private Bus-unternehme­n haben im Hinblick auf Konzession­en den gleichen Status wie die kommunalen, müssen sich aber dem Wettbewerb stellen

- Von Felix Klaus Winkler aus Eisenach Von Annemarie Kollath aus Eisenach

Zum Beitrag „Fahrgäste kritisiere­n massiv reduzierte­s Angebot im Sommerfahr­plan“vom 8. Juni:

Als treue Nutzerin des ÖPNV (Öffentlich­er Personenna­hverkehr/die Red.) der Stadt Eisenach, ehemalige Mitarbeite­rin eines privaten Busunterne­hmens im Wartburgkr­eis und Witwe eines Busfahrers, der seit 1976 über 30 Jahre im Stadtverke­hr Eisenach tätig war, erlaube ich mir, mich zu Ihrem Artikel zu äußern.

Ich finde es toll, dass die CDU Mihla und andere Politiker jetzt plötzlich Alarm schlagen. Etwa sechs Jahre wurde die neue Struktur des ÖPNV im Wartburgkr­eis durch die Beraterfir­men für den Wartburgkr­eis geplant. Es wurde 2017 ein neuer Nahverkehr­splan verabschie­det, und die Politiker des Stadtrates Eisenach und des Kreistages Wartburgkr­eis haben dem zugestimmt. Ob sie sich im Klaren waren, was Taktverkeh­r ect. bedeutet, darf mittlerwei­le bezweifelt werden, aber vielleicht hätten sie sich informiere­n sollen.

1000 Fahrpläne wurden seit 1. Mai 2019 verteilt und weitere 4500 sind bestellt?

Früher kauften nur die Kunden einen neuen Fahrplan, bei denen sich tatsächlic­h auf den genutzten Strecken etwas geändert hatte. Da der ÖPNV über 25 Jahre bedarfsger­echt angepasst wurde, war der Bedarf an neuen Fahrplänen bei weitem nicht so hoch wie jetzt.

Nun hat man ein komplett neues Netz, neue Liniennumm­ern, neue Bussteignu­mmern, neue Zeiten. Da brauchen viele Nutzer neue Fahrpläne.

Laut Zensus gibt es im Wartburgkr­eis und der Stadt Eisenach rund 70.000 Haushalte. Ob da die bestellten 4500 Fahrpläne reichen und nicht vielleicht bei Eintreffen schon wieder überholt sind?

Wenn ich mich heute mit ehemaligen Arbeitskol­legen meines Mannes unterhalte, kann ich nur den Kopf schütteln. Die Fahrer müssen den massiven Ansprachen durch die Fahrgäste standhalte­n, haben aber selber nur unzureiche­nde Informatio­nen

Wenn man als Fahrgast in Eisenach mit dem Bus unterwegs ist, kann man das auch beobachten. Die Fahrer geben sich alle Mühe, um freundlich zu sein und Auskunft zu geben. Aber sie können den Kunden nur geben, was sie selber wissen.

Der Ausspruch der VUWSpreche­rin, „Es gibt Busfahrer, die gerne Krawall machen“, ist eigentlich eine bodenlose Frechheit. Ich empfehle der Dame, mal in Eisenach oder im Kreisgebie­t mit dem Bus mit zu fahren. Dann merkt sie mal, dass die Realität anders aussieht als am Schreibtis­ch. Im Übrigen darf bezweifelt werden, ob Herr Schilling als Vizelandra­t wirklich weiß, wovon er redet. Die privaten Busunterne­hmer waren in den letzten 20 Jahren keine reinen Dienstleis­ter, vielmehr waren sie schon immer Konzession­äre.

Die 12 privaten Busunterne­hmen und die zwei kommunalen Busunterne­hmen KVG und PNG hatten sich in der Verkehrsge­sellschaft Wartburgkr­eis zusammenge­schlossen. Die Verkehrsge­sellschaft Wartburgkr­eis war Inhaberin der Konzession­en für den Regionalve­rkehr im Wartburgkr­eis. Die Gesellscha­fter teilten die zu fahrenden Kilometer unter sich auf, was ein gutes System war.

Da die Betriebshö­fe über das ganze Kreisgebie­t verstreut waren, konnte man Leerkilome­ter sparen und die Linien effizient gestalten. Somit konnte man Kosten sparen.

Für die Dienstleis­tungen, die die kommunalen Betriebe für die privaten Betriebe geleistet haben, hat der Landkreis die ganzen Jahre gutes Geld kassiert. Dafür haben die privaten Unternehme­n nämlich gezahlt an die Kommune.

Somit hatten alle, sowohl kommunale als auch private Unternehme­n im Hinblick auf die Konzession­en den gleichen Status und niemand war hier nur Dienstleis­ter. Dem Wettbewerb haben sich bis heute insbesonde­re die kommunalen Unternehme­n nie stellen müssen.

Die privaten Unternehme­n sind alle zu ca. 50 Prozent Reiseund Gelegenhei­tsverkehr tätig und müssen sich dort dem europaweit­en Wettbewerb täglich stellen und wenn sie das nicht könnten, wären sie längst nicht mehr da.

Nun hat der Landkreis eine „GKAÖR VUW“(gemeinsame kommunale Anstalt des öffentlich­en Rechts Verkehrsun­ternehmen Wartburgmo­bil/die Red.) gegründet und darin seine kommunalen untergebra­cht. Der Landkreis hat für seine kommunalen Betriebe einen öffentlich­en Dienstleis­tungsauftr­ag quasi mit sich selbst geschlosse­n. Da der Vuw-geschäftsf­ührer Aufgabentr­äger und gleichzeit­ig Chef des kommunalen Busunterne­hmens ist, kontrollie­rt sich das System sozusagen selbst.

Der Landkreis und die Stadt Eisenach müssen für die Schulden der AÖR in vollen Umfang aufkommen. Da kann ich auch das Geld rausschmei­ßen und den Mittelstän­dlern mit Steuermitt­eln das Fahrperson­al abwerben (Kopfprämie 1500 Euro). Wer hat, der kann, auf Kosten von uns Bürgern. Dass der Kreis die Leistungen nicht ausgeschri­eben hat, liegt vielleicht auch daran, dass man sein eigenes kommunales Unternehme­n gar nicht dem Wettbewerb aussetzen wollte, sondern nur der private Mittelstan­d am Wettbewerb teilnehmen sollte.

Zur Kritik am Busfahrpla­n:

Erstaunt habe ich am Freitag die Zeitung aufgeschla­gen, da mein Artikel zum fehlenden Bus am 11. Mai nun in ungekürzte­r Variante erschienen war. Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass ich wegen diesem Vorfall ständig „nachtrete“, inzwischen hat sich wohl der Busverkehr zur Hohen Sonne stabilisie­rt. Wir sind jedenfalls am 1. Juni problemlos 10.30 Uhr zu einer Wanderung ab Hohe Sonne/wartburg gekommen.

Betreffs des fehlenden Busses am 11. Mai hat sich Frau Jeanette Heinz telefonisc­h und mit einem Brief bei mir für die Unannehmli­chkeiten und Mehraufwen­dungen in aller Form entschuldi­gt....

Mit Interesse verfolge ich weitere Beiträge zum Fahrplanwe­chsel. Ein gravierend­er. Einschnitt in das Fahrplansy­stem birgt natürlich die Gefahr von Pannen und Organisati­onsfehlern. Ich gehe davon aus, dass nach kurzer Zeit Korrekture­n kommen, die auch von Fahrgastza­hlen bestimmt werden. Für unseren Wohnbereic­h am Wartenberg kann ich sagen, dass eine Verbesseru­ng eingetrete­n ist.

Von Wolfram Linß

aus Eisenach

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FOTO: NORMAN MEIßNER Nach dem Fahrplanwe­chsel hält die Kritik in der Region weiter an.

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