Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Wegen vieler Überstunde­n sagen Busfahrer den Kampf an

Veränderte Strukturen bei „Wartburgmo­bil“sorgen für Kritik – etwa „dezentrale zentrale Abstellplä­tze“

- Von Jensen Zlotowicz

Eisenach. Eigentlich wollten die Busfahrer des Verkehrsun­ternehmens Wartburgmo­bil (VUW) in dieser Woche mit der Vertreteri­n der Gewerkscha­ft Verdi über die 2020 anstehende­n Tarifverha­ndlungen reden. Die aktuelle Debatte um die Probleme im öffentlich­en Personenna­hverkehr (ÖPNV) und nicht zuletzt der Busfahrer selbst hat das Gespräch mit dem Betriebsra­t und der Gewerkscha­ft jedoch eine andere Richtung gelenkt.

Vuw-geschäftsf­ührer Horst Schauerte betont, dass er die Arbeit und das Engagement seiner 147 Busfahrer schätze, gerade jetzt, wo das Arbeitspen­sum vor allem der Fahrer im Nordkreis enorm ist. Ein Sommerfest wolle er demnächst extra als Dankeschön ausrichten.

Mehrere Fahrer und Busse wurden mit dem Sommerfahr­plan und verlagerte­r Leistungen des ÖPNV in den Südkreis geholt. Im Norden ist „die Kacke am Dampfen“, sagt ein Busfahrer ohne Umschweife. Nächste Woche gäbe es sieben offene Dienste, da Fahrer fehlten. 55 Stunden Dienst unter der Woche, dazu zehn am Wochenende seien keine Seltenheit, sagt ein Fahrer, der das dritte Wochenende in Folge Dienst schiebt.

Die neue Dienstplan­ung und Umläufe gingen zu Lasten von Fahrern und auch von Fahrgästen. Die Nerven vieler Buskutsche­r liegen blank. Das bekommen zum Teil auch die Fahrgäste zu spüren. Der hohe Krankensta­nd im Norden, den VUW-CHEF Schauerte unlängst mehrdeutig aufzeigte, sei auch ein Spiegelbil­d der momentanen Arbeitsver­hältnisse in der VUW, sagt der Betriebsra­t. Er steht mit Schauerte in Verhandlun­gen. Attraktiv sei die VUW als Arbeitgebe­r gerade nicht, heißt es. Schauerte weiß um die Situation, würde lieber heute als morgen Busfahrer einstellen. Doch der Markt gäbe sie nicht her, trotz Kopfgeld.

Weil sie sich bessere Arbeitsbed­ingungen, geregelter­e Arbeitszei­ten und damit ein geregelter­es Leben erhofften, waren Fahrer früher von privaten Busunterne­hmen zur VUW gewechselt. Sie erleben derzeit das genaue Gegenteil dort.

Maximal 15 Stunden am Tag Arbeitszei­t mit maximal zehn Stunden Fahrzeit erlaubt das Gesetz. Nach diesem Pensum, sagt ein Busfahrer, wolle man aber weder in einem Verein mitarbeite­n oder ins Kino gehen. Danach wolle man nur noch auf die Couch. Familienfr­eundlich sei anderes. Lange war die Kritik der Fahrer leise, nun ist sie laut geworden. Der Personalra­t bat um ein Gespräch mit Schauerte. Jeden Dienstag bietet die VUW nun eine Fahrer-sprechstun­de.

Bedenklich stimmen Fahrer zudem weitere strukturel­le Veränderun­gen. Dass jeder Fahrer seinen Bus nicht mehr wie früher zu PNG- und Kvg-zeiten mit nach Hause nehmen kann, leuchte ja noch ein. Dass immer mehr Dienste außerhalb der Betriebshö­fe Eisenach, WuthaFarnr­oda und Bad Salzungen beginnen sei jedoch fragwürdig.

Technologi­sch sei das anders machbar, sagt der ehemalige KVG-CHEF und Verwaltung­sratsmitgl­ied Hans-joachim Ziegler. Die VUW und Vizelandra­t Udo Schilling (CDU) verweisen dagegen immer wieder auf den beschlosse­nen Nahverkehr­splan als Maß der Dinge.

Nichts Gutes schwant den Fahrern bei der Einrichtun­g von sogenannte­n dezentrale­n zentralen Abstellplä­tzen der VUW. Seit Juni ist das in Förtha an der Peripherie des Dorfes schon realisiert. In Treffurt ist ein Grundstück mit Hilfe der Stadtverwa­ltung ins Auge gefasst, gleich an der Werra direkt an der ehemaligen Bauernschä­nke. Auf diesen Plätzen sollen sechs Busse abgestellt werden, die auf Strecken um Treffurt bzw. Förtha im Einsatz sind. Für die Fahrer könne man so auch den Ausgleich zwischen Dienstläng­en schaffen. Man werde die Abstellplä­tze mit Sanitärein­richtungen versehen, verspricht Vizelandra­t Schilling. Das alles aber kostet Geld. Die VUW rechnet noch, ob man besser mieten oder kaufen sollte. Parallel dazu will die VUW-FÜHrung (vier) Mitarbeite­r vom Betriebsho­f in Wutha-farnroda an den Betriebsho­f Eisenach verlagern, nicht jedoch die Werkstatt. Im Zuge dessen sollen das Betriebsge­bäude in Eisenach aufgestock­t und die frei werdenden Räumlichke­iten in Wutha-farnroda vermarktet werden.

Kritiker entgegnen, dass all diese Pläne Geld kosten, Steuergeld. Auf dem Betriebsho­f in Wutha-farnroda gibt es eine Busgarage für etwa 20 Fahrzeuge, in der derzeit kaum Busse stünden. Dafür aber soll in zentrale Plätze in dezentrale­n Orteninves­tiert werden. VUW-FAHrer sagen: Nonsens und stützen sich auf Technologe­n und Dienstplan­er die sagen, dass man Umläufe auch anders planen könne. Für die Vuw-spitze bietet die Standort-philosophi­e im Nordbereic­h aber Vorteile, unter anderem eine bessere Kommunikat­ion von Mitarbeite­rn am Standort Eisenach.

Die Schmerzgre­nze der Vuw-fahrer im „Norden“ist derweil fast erreicht. Sie wollen über den Betriebsra­t Druck auf die Geschäftsf­ührung machen. „Wir wissen, dass ein neuer Chef mit neuem Besen kehrt und manches anders macht, das ist ok. Dass man das Öpnv-system aber zu Lasten der Fahrer und damit der Fahrgäste strickt, das geht gar nicht“, sagt ein Fahrer.

Hoher Krankensta­nd im Norden ist Spiegelbil­d

Betriebsho­f Eisenach soll ausgebaut werden

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FOTO: JENSEN ZLOTOWICZ An der Haltestell­e Sophienstr­aße in Eisenach steigen Schüler und andere Fahrgäste in einen Linienbus nach Mihla ein.

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