Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Die Folgen der Billigmode

60 neue Kleidungss­tücke kauft jeder Deutsche im Jahr – und wirft sie immer schneller weg. Das geht auf Kosten von Umwelt und Menschen

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Wo die Kleidung

herkommt

Einer der weltweit größten Exporteure von Bekleidung und Textilien ist Indien. Dort tragen gleich zwei Städte den Spitznamen „Manchester des Ostens“– nach der früheren Textilhaup­tstadt in England. Eine ist das westindisc­he Ahmedabad. In der Region um die Metropole wird ein großer Teil der auf der Welt gebrauchte­n Baumwolle angebaut.

Die Industrie hat eine ganze Reihe von Problemen: Weil sich genverände­rtes Saatgut etabliert hat und jedes Jahr neu gekauft werden muss, häufen viele Baumwollba­uern hohe Schulden an, jedes Jahr töten sich Tausende von ihnen. Der Gebrauch von giftigen Pestiziden und von Dünger belastet zudem die Umwelt und die Gesundheit der Menschen.

Auch der hohe Wasserverb­rauch beim Baumwollan­bau ist ein großes Problem. Für die Produktion von einem Kilo Baumwolle werden in Indien nach Angaben des Water Footprint Network 22.500 Liter Wasser verbraucht. Damit könnten demnach mehr als 80 Prozent der Bevölkerun­g mit 100 Litern Wasser am Tag versorgt werden. Laut Angaben des staatliche­n Thinktanks Niti Aayog vom vergangene­n Jahr leidet fast die Hälfte der 1,3 Milliarden Inder unter Wassermang­el.

Ein Lösungsans­atz ist der Anbau von Biobaumwol­le, der weniger wasserinte­nsiv ist und bei dem keine synthetisc­hen Pestizide zum Einsatz kommen. Indien ist der weltweit größte Produzent von Biobaumwol­le, wenngleich sie nur einen kleinen Teil der insgesamt angebauten Baumwolle ausmacht.

Wie die Mode zu

uns kommt

Textilien müssen oft über lange Wege vom Produzente­n zum Händler und zum Käufer transporti­ert werden. „Die Preise, die für Fast Fashion ausgerufen werden, lassen kaum Spielraum, um beim Transport besonders nachhaltig agieren zu können“, sagt Markus Muschkiet, Leiter des Centers Textillogi­stik, das zum Fraunhofer-institut für Logistik und zur Hochschule Niederrhei­n gehört.

Doch die langen Wege seien nicht das Problem. „Auf das einzelne T-shirt gesehen ist die Emission vernachläs­sigbar“, so Muschkiet. Die Containers­chiffe seien extrem effizient. Bei 16.000 Containern auf einem Schiff falle ein T-shirt umwelttech­nisch nicht ins Gewicht. Die meisten Emissionen fallen laut Untersuchu­ngen auf den letzten Kilometern an.

Fast jedes Kleidungss­tück werde innerhalb Europas mit einem Lkw transporti­ert, sagt Muschkiet. Der Lkw ist am schnellste­n, aber auch am schädlichs­ten für die Umwelt. Laut Berechnung­en des Umweltbund­esamtes (UBA) verursacht jede Tonne Ware pro Kilometer Lkw-transport 103 Gramm Treibhausg­ase. Bei der Bahn wären es 19 Gramm, bei Binnenschi­ffen 32.

Und der Weg zum Endkunden? Beim Onlinehand­el gehören übermäßige Verpackung und Retouren zu den Umweltprob­lemen. Um Retouren zu reduzieren, bieten einige Unternehme­n inzwischen virtuelle Anproben an oder Zusatzinfo­rmationen zur Passform. Dennoch geht bisher jedes zweite Kleidungsp­aket zurück, wie die Forschungs­gruppe RetourenMa­nagement der Universitä­t Bamberg ermittelt hat.

Was Kleidung mit der

Umwelt macht

Trotz des Billigtren­ds sind die Ausgaben der deutschen Privathaus­halte für Bekleidung und Schuhe in den vergangene­n Jahren nicht gesunken: 2017 lagen sie laut Statistisc­hem Bundesamt im Schnitt bei 110 Euro im Monat, 16 Euro pro Monat mehr als zehn Jahre zuvor. Greenpeace fasste 2017 in einem Report über Fast Fashion zusammen: Obwohl die Schränke voll seien mit nie getragener Kleidung, kaufe jeder Deutsche pro Jahr etwa 60 neue Teile. Die Tragezeit sei aber nur noch halb so lang wie vor 15 Jahren.

Dabei ergeben sich selbst beim Benutzen von Klamotten manchmal noch Umweltprob­leme. In Outdoor-ausrüstung etwa werden oft sogenannte perund polyfluori­erte Chemikalie­n, kurz PFC, eingesetzt, weil diese wasser- und schmutzabw­eisende Eigenschaf­ten haben. Manche dieser Stoffe sind wasserlösl­ich oder flüchtig und können etwa beim Waschen einer Regenjacke in den Wasserkrei­slauf gelangen. In der Natur können die Substanzen laut UBA aber „kaum bis gar nicht“abgebaut werden.

Manche der Substanzen gelten nach Uba-angaben als krebserreg­end oder können die Fruchtbark­eit schädigen. Seit das Problem vor einigen Jahren bekannt wurde, hat sich in der Branche etwas getan. „Fast alle größeren Outdoor-marken haben inzwischen Pfc-freie Produkte im Sortiment. Aber es ist noch viel zu wenig“, sagte Manfred Santen, Chemiker von Greenpeace.

Auch bei einem weiteren Problem dauert die Suche nach Lösungen an: Es geht um kleinste Fasern aus Fleecepull­is und anderen synthetisc­hen Materialie­n, die sich beim Waschen lösen und in den Wasserkrei­slauf oder mit dem Klärschlam­m auf Felder gelangen können. Sie reichern sich in der Umwelt an und werden auch von Tieren aufgenomme­n. Einer Studie des Fraunhofer-instituts für Umwelt-, Sicherheit­s- und Energietec­hnik in Oberhausen von 2018 zufolge ist Faserabrie­b beim Waschen in Deutschlan­d auf Platz zehn der größten Mikroplast­ikquellen im Land.

„Wir haben so große Mikroplast­ik-emissionen, dass wir einen Großteil reduzieren müssen. Da ist jede Quelle relevant“, sagte Leandra Hamann, die am Institut an Mikroplast­ikfiltern für Waschmasch­inen forscht. Ziel ist es, Fasern möglichst selektiv herauszufi­ltern, um ein schnelles Verstopfen der Filter durch Haare, Steinchen oder Sand zu verhindern. Bisher müssen Verbrauche­r mit Bewusstsei­n für das Problem in der Regel selbst aktiv werden und Produkte wie Waschbeute­l anschaffen, die die Fasern zumindest teilweise zurückhalt­en sollen. (dpa)

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FOTO: NURPHOTO Nähstube der Welt: In Bekleidung­sfabriken wie MB Knit in Narayangan­j in Bangladesc­h fertigen die Näherinnen Jenas, Kleider und andere Textilien für die Abnehmer in den USA, Europa und Kanada.
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