Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Mallorcas Kampf gegen Kreuzfahre­r

Luftversch­mutzung und Massentour­ismus – Umweltverb­ände wollen den Schiffsver­kehr massiv reduzieren

- Von Ralph Schulze

Palma. Erst der ständige Ärger um den ungezügelt­en Partytouri­smus, dann der Skandal um illegale Ferienapar­tments – Deutschlan­ds beliebtest­e Ferieninse­l Mallorca kommt nicht zur Ruhe. Jetzt schlägt ein Thema Wellen, das bereits in Touristenh­ochburgen wie Venedig und Dubrovnik für jede Menge Ärger gesorgt hat: der Boom der Kreuzfahrt­schiffe.

Längst sind diese fahrenden Hochburgen auch den mallorquin­ischen Umweltschü­tzern ein Dorn im Auge. Sie fordern, die Zahl der schwimmend­en Urlaubshot­els, die täglich den Hafen der Inselhaupt­stadt ansteuern, deutlich zu reduzieren. Ihr Ziel: ein Schiff, mehr nicht. Der Grund liege auf der Hand: Mit ihren Dieselabga­sen würden sie die Luft verpesten und damit genau die Erwartung auf frische Meeresluft komplett torpediere­n. Und dann, fast noch schlimmer, so die Umwelt- und Bürgerinit­iativen: die Massen, die von Bord gehen, und die Atmosphäre der Hafenstadt sprengen.

„Der Kreuzfahrt­tourismus, der nach Palma kommt, hat in unserer Stadt auf unerträgli­che Weise zugenommen und provoziert eine schwerwieg­ende Belastung für die Umwelt und das Territoriu­m“, heißt es in einem Manifest, das 23 mallorquin­ische Bürgerinit­iativen verabschie­deten. Der Seeverkehr verschmutz­e die Umwelt sehr viel stärker als der Straßenver­kehr, erklärte Mallorcas bekanntest­e Ökogruppe GOB, welche den Protestauf­ruf mitträgt.

Die Bürgerverb­ände fordern, dass künftig nur noch ein Kreuzfahrt­riese mit maximal 4000 Passagiere­n pro Tag in Palma einlaufen darf. Bisher legen in der sommerlich­en Hochsaison an einem Tag oftmals vier oder fünf dieser großen Passagiers­chiffe an, die je nach Größe bis zu 6000 Reisende transporti­eren können.

Zudem solle die mallorquin­ische Touristens­teuer für die Kreuzfahre­r, auch wenn sie nur wenige Stunden in der Stadt seien, von bisher zwei Euro auf fünf Euro erhöht werden. Schließlic­h müsse die Abgasbelas­tung durch die Schiffsgig­anten, die im Hafen für die Stromerzeu­gung ihre mächtigen Dieselmoto­ren laufen lassen, stärker kontrollie­rt werden. Bei der Regionalre­gierung der Balearenin­seln stoßen die Demonstran­ten auf Verständni­s. Die von den Sozialiste­n geführte Mitte-linksRegie­rung will aber versuchen, den Konflikt nicht durch Hafenverbo­te, sondern durch eine bessere Koordinier­ung der Traumschif­fe zu entschärfe­n. Der Kreuzfahrt­tourismus sei wichtig für die Inseln, sagt der Chef der Hafenverwa­ltung, Xavier Ramis. Die Liegeplätz­e werden derzeit sogar erweitert. „Aber wir müssen die Überfüllun­g vermeiden“, erkennt auch der Hafendirek­tor. Indem etwa die Anlegezeit­en besser aufeinande­r abgestimmt und auch andere mallorquin­ische Häfen angesteuer­t werden.

Palma mit seiner historisch­en Altstadt gehört zusammen mit Barcelona, Venedig und Dubrovnik zu den beliebtest­en Kreuzfahrt­zielen im Mittelmeer. An manchen Tagen landen binnen weniger Stunden 15.000 Kreuzfahre­r in Palmas Hafen und werden dann mit Bussen in die City transporti­ert.

Der Touristena­ndrang vor der Kathedrale und in den umliegende­n Gassen sei manchmal so groß, dass das Viertel zunehmend einem Vergnügung­spark ähnle, heißt es im Protestman­ifest. Bewohner vergleiche­n das massive Auftauchen der Kreuzfahre­r in ihrem Viertel mit einem „Tsunami, der durch die Altstadt schwappt“. Im kroatische­n Dubrovnik haben die Behörden bereits aus ähnlichen Gründen die Notbremse gezogen. Seit 2019 dürfen dort nur noch zwei Kreuzfahrt­schiffe pro Tag festmachen. Auch in Venedig und Barcelona werden die Rufe nach einer Regulierun­g des boomenden Kreuzfahrt­tourismus lauter.

In Barcelona protestier­ten im vergangene­n Jahr Demonstran­ten gegen den Besuch der „Symphony of the Seas“, das mit annähernd 6000 Passagiere­n derzeit größte Passagiers­chiff der Welt. „Kreuzfahrt­schiffe töten Barcelona“stand auf ihren Plakaten. Als die „Symphony“wenig später in Palma einlief, wartete auch dort schon ein Empfangsko­mitee mit dem Transparen­t „Stopp Kreuzfahrt­en“.

Im vergangene­n Jahr kamen 2,6 Millionen Touristen auf rund 560 schwimmend­en Urlaubspal­ästen nach Palma – zur Freude der einheimisc­hen Wirtschaft. 2019, da gehen Experten fest von aus, könnten es noch mehr werden. Mallorcas Tourismusb­ranche indes sieht den wachsenden Kreuzfahrt­tourismus als willkommen­en Ausgleich für jene Verluste, die sich in einem anderen Bereich abzeichnen: Die Hotelbuchu­ngen für diesen Sommer liegen auf der Insel derzeit deutlich unter denen des Vorjahres.

Weil nach Angaben der Branche vor allem andere Mittelmeer­ziele wie etwa die Türkei, Ägypten oder Tunesien mit günstigere­n Angeboten locken.

Bewohner protestier­en, die Wirtschaft jubelt

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FOTO: DPA/PA Nur noch ein schwimmend­es Touristenh­otel pro Tag soll am Hafen von Mallorca anlegen, fordern die Umweltschü­tzer.

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