Thüringer Allgemeine (Eisenach)
Bei Bäumen in Eisenach sehen Experten Handlungsbedarf
Fachamt der Stadtverwaltung widerspricht der Kritik mehrfach. Verkehrssicherheit ist das Maß der Dinge
Eisenach. Die Stadt Eisenach muss sich vielfach den Vorwurf gefallen lassen, ihren älteren Bäumen nicht den Schutz und die Pflege zukommen zu lassen, den sie verdient hätten. Tatsächlich ist die Stadt jedoch viel grüner als noch vor 100 Jahren. Das Thema Baumschutz und -pflege ist in Eisenach dennoch sensibel, wirft in der Öffentlichkeit immer wieder Diskussionen auf.
Ein Exempel war die geplante Fällung der Rosskastanie an der Nikolaikirche. Eisenachs Umweltschützer Freimut Umlauf hatte erst Anfang des Jahres bedauert, dass in Eisenach zu viele Bäume der Säge zum Opfer fallen. Baumfällungen am Mühlgraben standen ebenfalls im Fadenkreuz der Bürgerkritik.
Das Absägen ist aber nur eine Seite der Medaille. Nach der Wende wurden in der Stadt zahlreiche Bäume gepflanzt. Aus Sicht des Baumexperten Helfried Kaiser, ehemals in städtischen „Gründiensten“, mangelte es den Initiatoren und Ausführenden dabei allerdings oft am fachlichen Wissen und Können. Das mache heute diverse Korrekturen notwendig. Kaiser spricht bei der Pflege dieses Erbes auch von „blindem Aktionismus“. Das Fachamt der Stadtverwaltung widersprach dieser Kritik mehrfach konsequent.
Kroneneingriff fachlich nicht nachvollziehbar
Kaiser hat einen Katalog mit Beispielen erstellt, wo die Verantwortlichen aus seiner Sicht gar nicht oder falsch Hand angelegt hätten. Darin nennt er etwa die Platanenreihe an der Stregdaer Allee. Den jüngsten Kroneneingriff dort könne er aus fachlicher Sicht nicht nachvollziehen. Der Grundsatz, so wenig wie möglich und so viel wie erforderlich, sei missachtet, der artspezifische Charakter der Bäume zerstört und die weitere Entwicklung der Baumkronen damit behindert worden. Wundverschluss an den Astabschnitten sei unterblieben, so dass Faulstellen insbesondere durch Befall mit Platanenrost zu erwarten seien. Die daraus resultierende Totholzbildung erhöhe die Kosten beim Erhalt der Verkehrssicherheit.
Kaisers Bestandsaufnahme nimmt die Schutzpflanzung am westseitigen Gehweg der Stregdaer Allee, die Allee an der Mühlhäuser Straße im Bereich Krankenhaus, die Baumreihen an der Amsdorfstraße und an der Ausfallstraße nach Bad Langensalza, die Baumreihe an der Rennbahn/ecke Fischweide, die Bäume auf dem Marktplatz oder im Bereich des Wartburgstadions in den Blick. Oft hat er „erbärmliche Zustände“ausgemacht, weil der Standort falsch gewählt sei oder die Pflege zu wünschen übrig ließe. Jedes Detail hat der Baumexperte akribisch festgehalten und kommentiert. Im Bereich der Katzenaue kritisiert er die massive Baumrodung der jüngeren Vergangenheit grundsätzlich und beschreibt die negativen Folgen.
In ein ähnliches Horn bläst der Eisenacher Landschaftsarchitekt Thomas Herrmann. Er sei von einem Wohnungsbesitzer aus der Kurstraße angesprochen worden, auf dessen Haus der Baum aus dem Katausgarten gefallen ist (wir berichteten am 26. März). Der Bürger sorge sich um die Standsicherheit jener Bäume, die im Umfeld des umgestürzten Baumes stehen. Eine entsprechende Anfrage hatte der Mann an die Stadtverwaltung gestellt, jedoch keine Antwort erhalten.
Landschaftsarchitekt Herrmann nahm die besagten Bäume in Augenschein und hat festgestellt, dass dort noch erheblicher Handlungsbedarf besteht, um Schaden abzuwenden. Er habe „erschrocken die Schäden, aber keine Gegenmaßnahme“entdeckt. Ähnliches gelte für einige abgestorbenen Bäume links der Brauerei, vor denen jetzt ein Zaun steht. Diese toten Bäume würden im Falle eines Umsturzes auf die Wartburgallee fallen. Die Auswirkungen des trockenen Sommers 2018 machten sich auch bei zahlreichen Bäumen im Stadtgebiet negativ bemerkbar. Und immer wieder sei die Verkehrssicherungspflicht das Maß der Dinge, so Herrmann. Jeder Eigentümer sei verpflichtet, regelmäßig nach seinen Bäumen zu sehen.
Stellungnahme der Stadt noch nicht erfolgt
Die Stadtverwaltung gehe solchen Hinweisen aus der Bevölkerung mit Sorgfalt nach, hieß es aus dem Rathaus. Mehrere Baumgutachter sind im Auftrag der Kommune aktiv. Zum konkreten Fall der Bäume im Kartausgarten konnte die Verwaltung trotz schriftlicher Anfrage an die Pressestelle vor mehreren Tagen bis gestern noch keine Stellungnahme abgeben.