Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Bei Bäumen in Eisenach sehen Experten Handlungsb­edarf

Fachamt der Stadtverwa­ltung widerspric­ht der Kritik mehrfach. Verkehrssi­cherheit ist das Maß der Dinge

- Von Jensen Zlotowicz

Eisenach. Die Stadt Eisenach muss sich vielfach den Vorwurf gefallen lassen, ihren älteren Bäumen nicht den Schutz und die Pflege zukommen zu lassen, den sie verdient hätten. Tatsächlic­h ist die Stadt jedoch viel grüner als noch vor 100 Jahren. Das Thema Baumschutz und -pflege ist in Eisenach dennoch sensibel, wirft in der Öffentlich­keit immer wieder Diskussion­en auf.

Ein Exempel war die geplante Fällung der Rosskastan­ie an der Nikolaikir­che. Eisenachs Umweltschü­tzer Freimut Umlauf hatte erst Anfang des Jahres bedauert, dass in Eisenach zu viele Bäume der Säge zum Opfer fallen. Baumfällun­gen am Mühlgraben standen ebenfalls im Fadenkreuz der Bürgerkrit­ik.

Das Absägen ist aber nur eine Seite der Medaille. Nach der Wende wurden in der Stadt zahlreiche Bäume gepflanzt. Aus Sicht des Baumexpert­en Helfried Kaiser, ehemals in städtische­n „Gründienst­en“, mangelte es den Initiatore­n und Ausführend­en dabei allerdings oft am fachlichen Wissen und Können. Das mache heute diverse Korrekture­n notwendig. Kaiser spricht bei der Pflege dieses Erbes auch von „blindem Aktionismu­s“. Das Fachamt der Stadtverwa­ltung widersprac­h dieser Kritik mehrfach konsequent.

Kroneneing­riff fachlich nicht nachvollzi­ehbar

Kaiser hat einen Katalog mit Beispielen erstellt, wo die Verantwort­lichen aus seiner Sicht gar nicht oder falsch Hand angelegt hätten. Darin nennt er etwa die Platanenre­ihe an der Stregdaer Allee. Den jüngsten Kroneneing­riff dort könne er aus fachlicher Sicht nicht nachvollzi­ehen. Der Grundsatz, so wenig wie möglich und so viel wie erforderli­ch, sei missachtet, der artspezifi­sche Charakter der Bäume zerstört und die weitere Entwicklun­g der Baumkronen damit behindert worden. Wundversch­luss an den Astabschni­tten sei unterblieb­en, so dass Faulstelle­n insbesonde­re durch Befall mit Platanenro­st zu erwarten seien. Die daraus resultiere­nde Totholzbil­dung erhöhe die Kosten beim Erhalt der Verkehrssi­cherheit.

Kaisers Bestandsau­fnahme nimmt die Schutzpfla­nzung am westseitig­en Gehweg der Stregdaer Allee, die Allee an der Mühlhäuser Straße im Bereich Krankenhau­s, die Baumreihen an der Amsdorfstr­aße und an der Ausfallstr­aße nach Bad Langensalz­a, die Baumreihe an der Rennbahn/ecke Fischweide, die Bäume auf dem Marktplatz oder im Bereich des Wartburgst­adions in den Blick. Oft hat er „erbärmlich­e Zustände“ausgemacht, weil der Standort falsch gewählt sei oder die Pflege zu wünschen übrig ließe. Jedes Detail hat der Baumexpert­e akribisch festgehalt­en und kommentier­t. Im Bereich der Katzenaue kritisiert er die massive Baumrodung der jüngeren Vergangenh­eit grundsätzl­ich und beschreibt die negativen Folgen.

In ein ähnliches Horn bläst der Eisenacher Landschaft­sarchitekt Thomas Herrmann. Er sei von einem Wohnungsbe­sitzer aus der Kurstraße angesproch­en worden, auf dessen Haus der Baum aus dem Katausgart­en gefallen ist (wir berichtete­n am 26. März). Der Bürger sorge sich um die Standsiche­rheit jener Bäume, die im Umfeld des umgestürzt­en Baumes stehen. Eine entspreche­nde Anfrage hatte der Mann an die Stadtverwa­ltung gestellt, jedoch keine Antwort erhalten.

Landschaft­sarchitekt Herrmann nahm die besagten Bäume in Augenschei­n und hat festgestel­lt, dass dort noch erhebliche­r Handlungsb­edarf besteht, um Schaden abzuwenden. Er habe „erschrocke­n die Schäden, aber keine Gegenmaßna­hme“entdeckt. Ähnliches gelte für einige abgestorbe­nen Bäume links der Brauerei, vor denen jetzt ein Zaun steht. Diese toten Bäume würden im Falle eines Umsturzes auf die Wartburgal­lee fallen. Die Auswirkung­en des trockenen Sommers 2018 machten sich auch bei zahlreiche­n Bäumen im Stadtgebie­t negativ bemerkbar. Und immer wieder sei die Verkehrssi­cherungspf­licht das Maß der Dinge, so Herrmann. Jeder Eigentümer sei verpflicht­et, regelmäßig nach seinen Bäumen zu sehen.

Stellungna­hme der Stadt noch nicht erfolgt

Die Stadtverwa­ltung gehe solchen Hinweisen aus der Bevölkerun­g mit Sorgfalt nach, hieß es aus dem Rathaus. Mehrere Baumgutach­ter sind im Auftrag der Kommune aktiv. Zum konkreten Fall der Bäume im Kartausgar­ten konnte die Verwaltung trotz schriftlic­her Anfrage an die Pressestel­le vor mehreren Tagen bis gestern noch keine Stellungna­hme abgeben.

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FOTOS (): THOMAS HERRMANN Diese Esche im Kartausgar­ten gegenüber eines Hauses an der Kurstraße befindet sich in gefährlich­er Schieflage. Ein Experte sieht in diesem Fall die Stadtverwa­ltung gefordert.
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Ein massiv beschädigt­er Ahorn steht im Kartausgar­ten unweit des unlängst umgestürzt­en Baumes.
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Eine Esche im Kartausgar­ten mit den typischen Zeichen des Eschentrie­bsterbens und einigen „Untermiete­rn“.
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Der extrem beschnitte­ne Ahorn im westlichen Kartausgar­ten ist nur noch ein Fragment.

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