Thüringer Allgemeine (Eisenach)
Ein einziges Bild im Kindergarten weckt viele Erinnerungen
Christiane Tomaske ist im Eisenacher „Felsenkeller“aufgewachsen. In ihrem damaligen Zimmer schlafen die „Blätterkinder“
Eisenach. Auf dem Gelände des Freien Kindergartens „Wurzelkinder“entsteht derzeit ein Neubau, der nach Fertigstellung im nächsten Jahr Platz für 14 Krippenkinder bieten soll. Kürzlich besuchte eine ehemalige Bewohnerin ihr altes Zuhause in der ehrwürdigen weißen Villa und offenbarte Interessantes aus längst vergangenen Tagen.
Die heutige Stadtführerin Christiane Tomaske erlebte an besagter Adresse, in der Waldhausstraße 50, als Tochter des Kneipiers Erich Fischer ihre Kindheit. Der Vater hatte das hier befindliche Hotel und Restaurant „Neuer Felsenkeller“gepachtet.
„Ich bin ein Kneipenkind“, gibt die angestammte Eisenacherin unumwunden zu. „Der Gastraum war von Zigarettenund Zigarrenqualm so zugenebelt, dass man beim Eintreten oft die gegenüberliegende Wand nicht mehr erkennen konnte. Auch mein Opa hat kräftig dazu beigetragen.“An die einstige Wirtschaft im Bahnhofsviertel, die im Mai 1830 eröffnet wurde und im Volksmund die „Zahnlücke“hieß, erinnert heute kaum noch etwas.
Dabei war sie in ihrer Nähe zum Wald beliebt, lockte mit kühlen Getränken und wartete sogar mit einer Kegelbahn auf. Über der Wirtschaft befand sich in der oberen Etage neben ein paar Gästezimmern die kleine Wohnung der Familie. Oft kellnernd oder klavierspielend verbrachte Christiane Tomaske viel Zeit im „Neuen Felsenkeller“ihrer Eltern. Dabei habe sie eigentlich am liebsten mit Manfred gespielt, dem Nachbarsjungen aus der Villa Therese nebenan, „doch dafür gab es leider kaum Gelegenheit“, lächelt sie ihren alten Freund Manfred Thiebe an.
Ein Bild im Flur der Kita zeigt den „Neuen Felsenkeller“. Tomaske erkennt darauf ihr Kinderzimmerfenster, das heute zum Schlafraum der „Blätterkinder“gehört. Ende der 50er Jahre wurde der Felsenkeller geschlossen und von der Bahn übernommen, bevor ihn die Diakonie als Heim für Menschen mit Handicap nutzte. „In der Geschichte unseres Hauses zu stöbern ist ziemlich spannend, besonders dann, wenn Augenzeugen berichten und gerade jetzt, wo unsere Einrichtung erweitert wird“, kommentiert Kita-leiterin Waltraud Blank. Zusammen mit interessierten Eltern hat sie 2005 zunächst den Verein, dann den Kindergarten gegründet. Die erste Gruppe im Erdgeschoss der nahestehenden Villa Therese war rasch voll, und da die Nachfrage stetig stieg, kaufte man die daneben liegende weiße Villa dazu.
2011 waren die Räume saniert und bezugsfertig für zwei weitere Gruppen.
Mit dem Ausbau reagieren Leiterin und Verein auf den wachsenden Bedarf, nicht nur an Krippenplätzen, sondern auch am Waldorf-konzept, das auf Rudolf Steiners anthropologischen Menschenbild beruht. Ausgerichtet auf das Erleben von Zusammenhängen fokussieren die Pädagogen gemeinsam mit den Kindern zum Beispiel den Rhythmus der Jahreszeiten mittels täglicher Spaziergänge und Ausflüge. Freies Spielen fördert dabei Kreativität und Eigenständigkeit, gesundes Essen wird täglich selbst zubereitet, Eltern tragen als Vereinsmitglied Mitverantwortung für die freie Einrichtung.
„Mit der neuen Krippe und den bestehenden Einrichtungen – Kita und Schule – können wir künftig die ganze pädagogische Bandbreite von Anfang an abdecken“, freut sich Waltraud Blank.
Mit einer „Flaschenpost“, die in die Grundmauern des Neubaus versenkt wurde, haben sich die Kindergartenkinder aller drei Gruppen verewigt: mit allen Namen der Kinder und einer Zeitungsseite. Dort schlummernd wartet nun beides auf seine Bergung – irgendwann… auf dass die Geschichte des Hauses unendlich werde.