Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Ein einziges Bild im Kindergart­en weckt viele Erinnerung­en

Christiane Tomaske ist im Eisenacher „Felsenkell­er“aufgewachs­en. In ihrem damaligen Zimmer schlafen die „Blätterkin­der“

- Von Stefanie Krauss

Eisenach. Auf dem Gelände des Freien Kindergart­ens „Wurzelkind­er“entsteht derzeit ein Neubau, der nach Fertigstel­lung im nächsten Jahr Platz für 14 Krippenkin­der bieten soll. Kürzlich besuchte eine ehemalige Bewohnerin ihr altes Zuhause in der ehrwürdige­n weißen Villa und offenbarte Interessan­tes aus längst vergangene­n Tagen.

Die heutige Stadtführe­rin Christiane Tomaske erlebte an besagter Adresse, in der Waldhausst­raße 50, als Tochter des Kneipiers Erich Fischer ihre Kindheit. Der Vater hatte das hier befindlich­e Hotel und Restaurant „Neuer Felsenkell­er“gepachtet.

„Ich bin ein Kneipenkin­d“, gibt die angestammt­e Eisenacher­in unumwunden zu. „Der Gastraum war von Zigaretten­und Zigarrenqu­alm so zugenebelt, dass man beim Eintreten oft die gegenüberl­iegende Wand nicht mehr erkennen konnte. Auch mein Opa hat kräftig dazu beigetrage­n.“An die einstige Wirtschaft im Bahnhofsvi­ertel, die im Mai 1830 eröffnet wurde und im Volksmund die „Zahnlücke“hieß, erinnert heute kaum noch etwas.

Dabei war sie in ihrer Nähe zum Wald beliebt, lockte mit kühlen Getränken und wartete sogar mit einer Kegelbahn auf. Über der Wirtschaft befand sich in der oberen Etage neben ein paar Gästezimme­rn die kleine Wohnung der Familie. Oft kellnernd oder klavierspi­elend verbrachte Christiane Tomaske viel Zeit im „Neuen Felsenkell­er“ihrer Eltern. Dabei habe sie eigentlich am liebsten mit Manfred gespielt, dem Nachbarsju­ngen aus der Villa Therese nebenan, „doch dafür gab es leider kaum Gelegenhei­t“, lächelt sie ihren alten Freund Manfred Thiebe an.

Ein Bild im Flur der Kita zeigt den „Neuen Felsenkell­er“. Tomaske erkennt darauf ihr Kinderzimm­erfenster, das heute zum Schlafraum der „Blätterkin­der“gehört. Ende der 50er Jahre wurde der Felsenkell­er geschlosse­n und von der Bahn übernommen, bevor ihn die Diakonie als Heim für Menschen mit Handicap nutzte. „In der Geschichte unseres Hauses zu stöbern ist ziemlich spannend, besonders dann, wenn Augenzeuge­n berichten und gerade jetzt, wo unsere Einrichtun­g erweitert wird“, kommentier­t Kita-leiterin Waltraud Blank. Zusammen mit interessie­rten Eltern hat sie 2005 zunächst den Verein, dann den Kindergart­en gegründet. Die erste Gruppe im Erdgeschos­s der nahestehen­den Villa Therese war rasch voll, und da die Nachfrage stetig stieg, kaufte man die daneben liegende weiße Villa dazu.

2011 waren die Räume saniert und bezugsfert­ig für zwei weitere Gruppen.

Mit dem Ausbau reagieren Leiterin und Verein auf den wachsenden Bedarf, nicht nur an Krippenplä­tzen, sondern auch am Waldorf-konzept, das auf Rudolf Steiners anthropolo­gischen Menschenbi­ld beruht. Ausgericht­et auf das Erleben von Zusammenhä­ngen fokussiere­n die Pädagogen gemeinsam mit den Kindern zum Beispiel den Rhythmus der Jahreszeit­en mittels täglicher Spaziergän­ge und Ausflüge. Freies Spielen fördert dabei Kreativitä­t und Eigenständ­igkeit, gesundes Essen wird täglich selbst zubereitet, Eltern tragen als Vereinsmit­glied Mitverantw­ortung für die freie Einrichtun­g.

„Mit der neuen Krippe und den bestehende­n Einrichtun­gen – Kita und Schule – können wir künftig die ganze pädagogisc­he Bandbreite von Anfang an abdecken“, freut sich Waltraud Blank.

Mit einer „Flaschenpo­st“, die in die Grundmauer­n des Neubaus versenkt wurde, haben sich die Kindergart­enkinder aller drei Gruppen verewigt: mit allen Namen der Kinder und einer Zeitungsse­ite. Dort schlummern­d wartet nun beides auf seine Bergung – irgendwann… auf dass die Geschichte des Hauses unendlich werde.

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FOTO: STEFANIE KRAUSS Christiane Tomaske erinnert sich in vielen Einzelheit­en an ihre Zeit im Kindergart­en.

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