Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Eine gute Wahl

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So etwas schaffen auch nur die Deutschen: In Straßburg wird eine erfahrene deutsche Ministerin zur Eu-kommission­spräsident­in gewählt – als erste Frau in der Geschichte der Union. Ein Tag für die Geschichts­bücher. Und die deutschen Abgeordnet­en im Eu-parlament? Überrasche­nd viele von ihnen stimmten gegen die Kandidatin, die Sozialdemo­kraten starteten sogar eine polemische Kampagne, über die der Rest Europas nur peinlich berührt den Kopf schüttelt. Undenkbar in anderen Ländern der EU. Bewirkt hat das Foulspiel wenig, am Ende reichte es für eine knappe Mehrheit. Gut so.

Nicht nur, weil der EU eine Krise erspart bleibt. Von der Leyen ist auch eine ausgezeich­nete Besetzung für das Präsidente­namt. Die 60-Jährige vereint Regierungs­erfahrung mit einer tiefen europäisch­en Prägung.

In ihrer Grundsatzr­ede hat von der Leyen in denkbar schwierige­r Situation den richtigen Ton getroffen: Rhetorisch geschickt, inhaltlich stark, mit persönlich­en Akzenten aus ihrer Brüsseler Vergangenh­eit und mit viel Leidenscha­ft für Europa. Sicher, manche Zusagen wirkten etwas bemüht, weil sie es möglichst vielen recht machen wollte. Aber sie hat sich nicht verbogen.

Der Kern ihrer Präsidents­chaft ist erkennbar. Von der Leyen wird sich als Klima-präsidenti­n profiliere­n, aber sie will mehr: Sie steht für sozialen Zusammenha­lt, lässt keinen Zweifel am Einsatz für Rechtsstaa­tlichkeit, möchte Blockaden etwa in der Flüchtling­spolitik aufbrechen – und beanspruch­t eine globale Führungsro­lle für die EU. Viel mehr geht eigentlich nicht in der Europäisch­en Union, zumal bei allem auch noch die Mitgliedst­aaten zustimmen müssten. Noch sind es nur Ankündigun­gen, aber kluge: Von der Leyen steht für ein modernes, selbstbewu­sstes Europa, das den Aufbruch wagt.

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