Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Frust im Finanzamt

Betriebspr­üferin klagt über zu wenig Personal, schlechte Beförderun­gschancen und geringe Wertschätz­ung

- Von Elmar Otto

Erfurt. Nicole Siebert ist im Finanzamt Jena im Außendiens­t als Betriebspr­üferin tätig. Ihren Job macht sie mit Herzblut. Gleichwohl ist die Beamtin unzufriede­n. „Wir finden in diesem Bereich kaum Nachwuchs, da die Stellen wenig attraktiv sind“, klagt die stellvertr­etende Landesvors­itzende der Deutschen Steuergewe­rkschaft. „Finanzbeam­te haben nun mal in der Bevölkerun­g keine große Lobby, und es wird seitens der Politik wenig für diese Branche getan.“

Ein Beleg von vielen ist für Siebert das im Juni vom Landtag beschlosse­ne Gesetz zur Anpassung der Beamtenbes­oldung. Darin sei der Wegfall der Stellenobe­rgrenzen für den mittleren Polizeivol­lzugsdiens­t beschlosse­n. Warum die Änderungen, die mehr Beförderun­gen und damit auch eine bessere Bezahlung in den unteren Entgeltgru­ppen ermögliche­n, nur für Polizisten gelten soll, ist Siebert schleierha­ft. „Die Stellenpla­nobergrenz­en müssen für alle Bereiche des öffentlich­en Dienstes fallen“, fordert sie.

An dieser Stelle erhält die Steuerexpe­rtin Rückendeck­ung von ihrer obersten Dienstherr­in. Der Wegfall der Stellenobe­rgrenze für den mittleren Polizeivol­lzugsdiens­t sei auf Antrag der Regierungs­fraktionen vom Landtag beschlosse­n worden, teilt eine Sprecherin von Finanzmini­sterin Heike Taubert (SPD) auf Anfrage mit. Insoweit sei die zu Grunde liegende Motivation, insbesonde­re die Beschränku­ng auf die Polizei, bei den Regierungs­fraktionen zu hinterfrag­en. „Aus Sicht der Finanzmini­sterin ist die Konzentrat­ion auf einen Zweig der Bedienstet­en in Bezug auf die Neuregelun­g der Stellenobe­rgrenzen unverständ­lich“, betont die Sprecherin. Die Arbeit der Verwaltung werde in vielen Bereichen komplexer, Anforderun­gen verändern sich. Deshalb sei es angezeigt, alle Profession­en gleichmäßi­g zu betrachten und entspreche­nde Besoldungs­regeln zu bewerten. Für Taubert sei es daher eine Aufgabe für die kommende Legislatur­periode, die entspreche­nde Bestimmung im Thüringer Besoldungs­gesetz in ihrer Gesamtheit noch einmal zu erörtern und gegebenenf­alls anzupassen. Das klingt zumindest für die Zukunft vielverspr­echend. Aber aktuell fühlen sich Finanzbeam­te oftmals gerade von Taubert nicht ausreichen­d Wert geschätzt. „Die Betriebspr­üfung trägt sowohl als Instrument der Prävention als auch in der Durchsetzu­ng des Rechts zu mehr Steuergere­chtigkeit bei. Leider wird die Arbeit wenig honoriert“, klagt Siebert. Und das obwohl sich die Bilanz der Prüfer sehen lassen kann. Sie erreichten 2018 ein Mehrergebn­is an Steuern von rund 125 Millionen Euro. Und es hätten wahrschein­lich noch mehr sein können. Zum 1. Januar 2019 waren 277 Betriebspr­üfer im Einsatz. Nach der bundeseinh­eitlichen Personalbe­darfsberec­hnung zum 1. April gibt es Gewerkscha­ftsangaben zufolge aber einen Fehlbestan­d in der Finanzverw­altung von 211,58 Vollzeitäq­uivalenten. Hinzukämen krankheits­bedingt weitere 39 Bedienstet­e. „Insgesamt für Thüringen sind das 250 Kolleginne­n und Kollegen, die fehlen“, sagt Siebert. Taubert lässt diesbezügl­ich lediglich ausrichten, ihr sei bekannt, „dass in den Thüringer Finanzämte­rn eine Personalun­terdeckung besteht“. Daher habe man die Ausbildung­szahlen in dieser Wahlperiod­e kontinuier­lich angehoben, von zunächst 75 pro Jahr auf 100 im Jahr 2018. 125 seien es bereits 2020 und 2021 sogar 150.

Doch mit zusätzlich­em Personal scheint es ohnehin nicht getan. Die Stimmung in den finanzamtl­ichen Behördenst­uben könnte insgesamt besser sein. Als weiteres Beispiel für eine Ungerechti­gkeit sieht Siebert die Regelungen bei der Stellenzul­age an: 2008 sei in Thüringen das Modell der Amtsprüfun­g eingeführt worden. Das heiße, dass Bedienstet­e des mittleren Dienstes auch im Prüfungsdi­enst tätig sind. Dort jedoch werden Unterschie­de bei der Stellenzul­age gemacht. Ein Prüfer im mittleren Dienst prüfe vornehmlic­h Klein- und Kleinstbet­riebe wie Bäcker, Fleischer, Gaststätte­n. „Auch diesen Bedienstet­en sollte man zeigen, dass ihre Arbeit wichtig ist“, meint die Arbeitnehm­ervertrete­rin. Im Finanzmini­sterium wird anders argumentie­rt. „Die Außendiens­tzulage ist keine Aufwandsen­tschädigun­g, sondern eine Stellenzul­age“, heißt es. Die Differenzi­erung der Höhe der Stellenzul­age nach mittlerem und gehobenem Dienst finde ihre Berechtigu­ng in den unterschie­dlichen Aufgaben hinsichtli­ch Schwierigk­eit und Verantwort­ung für die Beamten in den einzelnen Laubahngru­ppen auch im Prüfungsdi­enst.

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