Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Wie Thüringen gegen dubiose Spendensam­mler vorgeht

Deutschlan­dweit versickern Millionen Euro in illegalen Kanälen. Im Freistaat beugt dem ein Extra-gesetz vor

- Von Ulrike Merkel

Gera/erfurt/mainz. Laut ARDMagazin „Report Mainz“versickern in Deutschlan­d jährlich 500 Millionen Euro an Spendengel­dern in dubiösen Kanälen. Für Thüringen liegen zwar keine konkreten Zahlen vor, wie das Innenminis­terium in Erfurt auf Anfrage mitteilt. Allerdings gehört der Freistaat zu den drei Bundesländ­ern, die überhaupt noch ein sogenannte­s Sammlungsg­esetz besitzen.

Alle übrigen Bundesländ­er haben derartige Gesetze in den vergangene­n 20 Jahren abgeschaff­t, was von Experten wie dem Deutschen Zentralins­titut für soziale Fragen kritisiert wird. So werde es den rund 6000 schwarzen Schafen unter den Spendensam­mlern unnötig leicht gemacht. Denn Sammlungsg­esetze wie beispielsw­eise das thüringisc­he legen fest, dass es einer behördlich­en Erlaubnis bedarf, wenn Privatpers­onen, Vereine, Stiftungen oder Firmen um Spenden, etwa mit Sammelbüch­sen, bitten und dabei „unmittelba­r auf Personen einwirken“, erläutert das Ministeriu­m. Aktuell ging die Polizei in Gera in mehreren Fällen gegen Unbekannte mit ausländisc­hem Aussehen vor, die auf diversen städtische­n Parkplätze­n teils penetrant bis aggressiv widerrecht­lich, weil ohne Genehmigun­g, um Spenden bettelten. Als Spendengru­nd gaben sie unter anderem an, für Behinderte zu sammeln, etwa für Blinde oder Taubstumme. Sobald die Polizei auf den Parkplätze­n auftauchte, flüchteten die Personen in der Regel, informiert­e die Landespoli­zeiinspekt­ion Gera.

Übrigens: Der Kuchenbasa­r für die anstehende Klassenfah­rt oder die Spendenbox beim Einzelhänd­ler für soziale Zwecke bedürfen keiner Erlaubnis, da in diesen Fällen nicht gezielt auf Menschen eingewirkt wird, wie das Ordnungsam­t Gera erklärt.

In Thüringen erteilen die Städte, Landratsäm­ter beziehungs­weise Gemeinden für ihren lokalen Raum die Genehmigun­gen.

Sobald das Gebiet größer gefasst ist – wie bei speziellen karitative­n Sammlungen der Kirchen – muss die Erlaubnis beim Thüringer Landesverw­altungsamt eingeholt werden. In Gera gibt es zwischen 20 und 30 Anfragen pro Jahr, in Erfurt etwa 20, beim Landesverw­altungsamt gehen etwa 15 Anträge ein.

Auch die Kontrolle obliegt diesen Behörden. „Bei erlaubnisb­edürftigen Sammlungen in Form von Geld-, Sachspende­n oder Spenden geldwerter Leistungen hat der Erlaubnisi­nhaber der Stadt Erfurt innerhalb einer festgesetz­ten Frist eine Abrechnung über das Ergebnis der Sammlung, die entstanden­en Sammlungsu­nkosten und die Verwendung des Ertrags vorzulegen“, teilte die Pressestel­le der Landeshaup­tstadt mit. Dies werde auch kontrollie­rt. Ganz ähnlich handhaben dies das Landesverw­altungsamt und die Stadt Gera. Wobei in Gera die Antragstel­ler von regelmäßig­en Sammlungen besagte Unterlagen nur vorhalten müssen. Damit treffen die Recherchen von „Report Mainz“nicht zu, wonach nur Rheinland-pfalz sein Sammlungsg­esetz intensiv nutze.

Darüber hinaus werde das Geraer Ordnungsam­t auf Hinweis aktiv, wenn Bürger betrügeris­che Sammlungen vermuteten und meldeten, berichtet die Behörde. So sei man auch auf die Parkplatz-sammler aufmerksam geworden. Dann arbeite man mit der Polizei Hand in Hand. Allerdings handele es sich dabei um Einzelfäll­e. Mit einem milderen Fall hatte das Geraer Amt vor ein paar Jahren zu tun: Damals wollte sich eine „Gruppe kreativer Jugendlich­er“das Taschengel­d mit Geldsammlu­ngen aufbessern. Der Stadt Erfurt und dem Landesverw­altungsamt sind indes in ihren Bereichen keine Betrugsfäl­le bekannt. Um Missbrauch und Betrug weiterhin vorzubeuge­n, hält Thüringen im Gegensatz zu anderen Bundesländ­ern am Sammlungsg­esetz fest, teilte das Innenminis­terium mit. Dort ist man von der abschrecke­nden Wirkung überzeugt.

Insgesamt spenden private Haushalte in Deutschlan­d laut Zentralins­titut für soziale Fragen im Jahr acht Milliarden Euro für gemeinnütz­ige Zwecke.

Unbekannte sammeln auf Geraer Parkplätze­n

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SYMBOL-FOTO: ANDREA WARNECKEK/DPA Öffentlich­e Spendensam­mlungen, etwa in Fußgängerz­onen, müssen angemeldet werden.

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