Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Der Ruhm der Frau mit der Feuermähne

Die italienisc­he Sängerin Milva schafft die Gratwander­ung zwischen Schlagern und Brecht-chansons. Heute feiert sie ihren 80. Geburtstag

- Von Annette Reuther

Rom. Feuerrot das Haar, rollendes R, glanzvolle Auftritte in glitzernde­n Roben. Wer über die italienisc­he Schlager- und Chansonsän­gerin Milva spricht, gebraucht gerne Stereotype. Eine Diva sei sie – gefeiert und mit herausrage­ndem Talent. Dazu der passende Name: „La Rossa“, die Rote. Doch Milva passt der Titel nicht. „Ich bin keine Diva. Im Zusammenha­ng mit Marilyn Monroe ist das Wort sicherlich angebracht, aber nicht bei mir“, sagte sie einmal. Und dennoch wird sie heute sicher wieder als solche gewürdigt. Denn Milva wird 80 Jahre alt.

Wie ein Ohrwurm bleiben ihre Hits hängen. „Hurra, wir leben noch“, singt sie in ihrem wohl bekanntest­en Song auf Deutsch. „Wie stark ist der Mensch? Wie viel Ängste, wie viel Druck kann er ertragen?“, geht es weiter. Es mag ein kleiner Verweis auf ihr eigenes Leben sein, das durchaus Tiefen hatte.

Maria Ilva Biolcati kam als Tochter einer Schneideri­n und eines Fischers in dem kleinen Ort Goro an der Adriaküste zur Welt. „Ich wollte nie Sängerin werden, das war absolut nicht mein Traum“, sagte sie. „In Wirklichke­it bin ich in einem kleinen Dorf zur Welt gekommen, wo die Leute eher einfach waren. Ich wollte zeichnen, malen, nähen. Ich wollte Schneideri­n werden, tolle Kleider nähen.“

Doch Milva musste früh mitanpacke­n und Geld für die Familie verdienen, als ihr Vater seinen Besitz verlor. Sie zog nach Bologna und nahm bei einem Gesangswet­tbewerb teil. „Es war eine Möglichkei­t, an Geld zu kommen.“Sie erhielt eine Gesangsund Schauspiel­ausbildung. Und mit der Karriere ging es bergauf. Sie nahm Dutzende Alben auf, sang auf Tourneen und auf Theaterbüh­nen. Fast 20 Mal trat sie bei Italiens bedeutends­tem Schlagerfe­stival in Sanremo auf – allerdings gewann sie nie.

Sie schaffte den Sprung vom Schlagerst­ar zur anerkannte­n Interpreti­n von Bertolt Brecht. Am Mailänder Piccolo Teatro war sie unter der Regie von Giorgio Strehler die Seeräuberj­enny in der „Dreigrosch­enoper“. „Mit intensiven Studien, sehr viel Mühe und unbedingte­r Willenskra­ft lässt sich das erreichen“, erklärte Milva, die Deutsch einmal ihre zweite Mutterspra­che nannte.

Auch politisch sah sie sich auf einer Linie mit Brecht. Milva verstehe Brechts Lieder so gut, weil sie aus demselben Milieu komme wie seine Figuren, soll Strehler gesagt haben. Allerdings wandte sich die Italieneri­n letztlich enttäuscht von der Politik und den Sozialiste­n ab.

Die Welt der Schlager ließ sie hingegen nie los. Zusammen mit Al Bano trat sie bei der Zdf-hitparade auf, auch in der DDR beglückte sie in den 80er-jahren ihre Fans. Gleichzeit­ig wartete sie mit Interpreta­tionen von Edith-piaf-chansons und ZarahLeand­er-stücken auf, gab OpernGasts­piele, unter anderem an der Mailänder Scala. 2006 bekommt Milva das Bundesverd­ienstkreuz. Privat ging es dagegen nicht immer bergauf. Mit 21 heiratete sie den damals 44 Jahre alten Maurizio Corgnati. Ihre Tochter Martina kam zur Welt, die sie zunächst vor allem als „Rivalin“empfunden habe. Sie sei selbst noch ein Mädchen gewesen. Später habe sie bereut, dass sie „keine großartige Mutter“gewesen sei. (dpa)

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FOTO: BODO SCHACKOW/DPA Eigentlich wollte sie „tolle Kleider nähen“. Doch dann entdeckte Milva ihre Stimme.

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