Thüringer Allgemeine (Eisenach)

„Tony hat schon viel investiert“

Radsport-manager Jörg Werner über deutsche Erfolge bei der Tour de France und die einstige Thüringen-rundfahrt

- Von Axel Lukacsek

Erfurt. Endlich Ruhetag: Nach zehn Etappen und damit knapp der Hälfte der Tour de France haben die Radprofis gestern eine willkommen­e Pause eingelegt. Denn für Tony Martin und Maximilian Schachmann stehen die schweren Etappen durch die Pyrenäen und die Alpen erst noch bevor. Ihr Manager Jörg Werner blickt im Gespräch mit unserer Zeitung auf die Leistung der deutschen Fahrer, die Zukunft von Marcel Kittel und die Deutschlan­d-tour mit dem Finale in Thüringen.

Was war aus Ihrer Sicht der deutsche Höhepunkt der ersten Tour-etappen?

Eindeutig die Tatsache, wie sich Tony Martin präsentier­t und wie er zum Auftakt sein Team Jumbo-visma zum Sieg im Mannschaft­szeitfahre­n geführt hat. Welche Arbeit er als Helfer leistet, zeigen auch die bislang vier Etappensie­ge seines Teams.

Kommen diese Erfolge für Sie überrasche­nd?

Nein, Tony hat hart gearbeitet. Und die ganze Welt weiß ja, dass Tony ein sehr guter Zeitfahrer ist. Ich kenne keinen Rennfahrer, der so konstant fährt.

Was hat er denn getan, um nun so erfolgreic­h zu sein?

Einen Monat vor der Tour ist er nicht wie in der Vergangenh­eit bei der Tour de Suisse oder der Dauphine-rundfahrt gefahren, sondern hat sich mit der Mannschaft im Höhentrain­ing in der Sierra Nevada vorbereite­t. Das war Neuland für ihn – und hat super funktionie­rt.

Nun ist er auch der Favorit im Zeitfahren am Freitag? Abwarten. Tony hat bei dieser Tour schon viel investiert. Zeitfahr-weltmeiste­r Rohan Dennis hat sich da bislang eher zurückgeha­lten. Ich würde da keinen Druck aufbauen. Klar ist, dass Tony ganz vorne mitfahren will.

Maximilian Schachmann erlebt seine Tour-premiere. Wie bewerten Sie seine Leistung? Max ist bei der Tour, um zu lernen. Dass der Wechsel ins deutsche Team Bora-hansgrohe der richtige Schritt war, hat er ja selbst mit seinen vielleicht so nicht zu erwartende­n Ergebnisse­n im Frühjahr bewiesen, als er zum Beispiel beim Klassiker Lüttich–bastogne–lüttich Dritter geworden ist.

Könnte er irgendwann einmal ein Kandidat für den Tour-gesamtsieg sein?

Ein Fingerzeig, ob er das schaffen kann, könnte schon diese Tour de France sein, wenn es in der dritten Woche in die Berge geht und es richtig weh tut. Im Hochgebirg­e stundenlan­g auf dem Rad kämpfen, das ist noch einmal etwas anderes. Ich bin gespannt, wie er diese Herausford­erung meistert.

Marcel Kittel wirkte bei seinem Tour-besuch sehr aufgeräumt. Werden wir ihn bald als Radsportle­r wiedersehe­n?

Das weiß ich nicht. Diese Entscheidu­ng muss er alleine treffen. Da mache ich ihm als Manager keinen Druck. Schließlic­h ist Marcel alt genug. Dass er demnächst zum ersten Mal Vater wird, verändert sicher vieles in seinem Leben. Es muss aber nicht bedeuten, dass er aufhört. Viele Sportler sind motivierte­r denn je nach der Geburt ihres Kindes zurückgeke­hrt.

Trotz aller deutscher Erfolge, ein Marcel Kittel etwa ist in Belgien bekannter als in Deutschlan­d. Woran liegt das aus Ihrer Sicht? Als wir mit Marcel Kittel, Tony Martin oder John Degenkolb erste Erfolge gefeiert haben, war uns von Anfang an klar, dass es einen kurzfristi­gen Effekt nicht

so einfach geben wird. Trotzdem hat die Tour auf ihren Etappen durch die Vogesen gezeigt, dass sich viele deutsche Fans begeistern können. Es ist aber nicht einfach aus den Köpfen zu bekommen, welche Rolle einst Doping im Radsport gespielt hat.

War da nicht der Skandal um den festgenomm­enen Arzt Mark Schmidt ein Schlag ins Gesicht des Anti-dopingKamp­fes?

Das hat mich entsetzt, klar. Aber aus heutiger Sicht hat es nichts mit dem deutschen Radsport dieser Tage zu tun. Die Situation heute ist mit früher nicht vergleichb­ar.

Also wird auch die Deutschlan­d-tour, die am 1. September in Erfurt endet, in Thüringen würdig empfangen?

Kaum ein anderes Bundesland

bietet solch gute Voraussetz­ungen für die Verbindung von Radfahren und Tourismus wie Thüringen. Und die Tour war ja schon im vergangene­n Jahr ein Publikumsm­agnet. Deshalb habe ich keine Bedenken, dass das diesmal auf den Etappen durch Thüringen anders sein wird.

Kann sie auch Motor sein, um die Thüringen-rundfahrt der Männer wiederzube­leben, die Sie ja einst organisier­t haben? Ich glaube nicht, dass die Deutschlan­d-tour ein Motor sein kann. Die Rundfahrt mit dem Ziel in Erfurt kann aber zeigen, wie attraktiv der Radsport ist. Wenn sich dann Partner finden, die die Thüringen-rundfahrt wieder aufleben lassen wollen, stehe ich für solch ein Projekt gerne zur Verfügung. Entscheide­nd ist der wirtschaft­liche Faktor.

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FOTO: CHRISTIAN HARTMANN/REUTERS Tony Martin gehört im Zeitfahren am Freitag zum Favoritenk­reis.
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