Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Die Kirche ist nicht vital

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Zum Leserbrief „Kein Verständni­s für Austritte“vom 6. August:

Niemand kann der Kirche „den Rücken kehren“, wenn er ihr im Vorfeld nicht das Gesicht, sondern lediglich die „kalte Schulter“gezeigt hat. Kirche, deren Mitglieder zu 90 Prozent und mehr nicht das Mindestmaß an Anforderun­gen – eine Stunde pro Woche für einen (in der katholisch­en Kirche noch gebotenen) Besuch des Sonntagsgo­ttesdienst­es – erbringen, ist nicht vital.

Ein Herzinfark­tpatient mit gerade zehn Prozent Leistung seiner Herzfunkti­on würde glatt ins Koma versetzt oder schon für tot erklärt. Wahrschein­lich bräuchte man drei Defibrilla­toren gleichzeit­ig – sprich „Events“wie einen Papstbesuc­h – um fünf Prozent der Mitglieder für einen einzigen Tag in 20 oder 40 Jahren dazuzubeko­mmen. Im Parteimili­eu werden solche zahlende Mitglieder auch „Karteileic­hen“genannt.

Joseph Ratzinger nannte – lange bevor er Papst wurde – diese Teilnahmsl­osen, Desinteres­sierten oder Gleichgült­igen „getaufte Heiden“.

Maria Dreiling, Erfurt

Digitale Volkskrank­heit

Tagaus, tagein höre ich nur noch: „Keine Zeit, keine Zeit“. Die Menschen haben keine Zeit mehr. In der Straßenbah­n: Hinsetzen – Handy raus – fertig. Ob Schulkinde­r oder Erwachsene: Eine andere Welt hat die Leute fest im Griff – die digitale. Ich kenne noch die Zeit, wo Wartende in der Bahn gelesen haben. Schon die Schulkinde­r mit ihren gigantisch­en Rückenkoff­ern sind täglich eingespann­t in ein unerbittli­ches Terminrast­er und haben keine Zeit, den Gedanken nachklinge­n zu lassen, dem Flüstern der Bäume zu lauschen und in den Wolkengebi­rgen alles Mögliche zu entdecken. Jedes Stückchen wirklich freie Zeit wird weggedröhn­t mit gut bezahltem Rhythmus aus kostbarer Tontechnik. Es bleibt keine Zeit zum Denken, weil die Augen am Ersaufen sind im Überfluss der Welt.

Erich Enge, Erfurt

Erinnerung an eine schrecklic­he Zeit

Am 6. August 2019 hörte ich im Radio vom Atombomben­abwurf auf Hiroshima vor 74 Jahren – ein schlimmes Verbrechen wie auch Nagasaki drei Tage später. Damals lebte meine Familie in einem Barackenla­ger in Martinroda. Von dem schlimmen Ereignis erfuhren wir damals nichts. Von Mai bis Oktober 1945 lebten wir in Martinroda. Dorthin waren wir von Westpreuße­n durch Kriegsgebi­ete über Pommern gelangt.

Es war eine schwere Zeit mit Verpflegun­gs- und Bekleidung­smangel und überfüllte­n Quartieren. Auch nach Martinroda gab es weiter große Schwierigk­eiten mit Wohnungen und so weiter.

Paul Suchold, Erfurt

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