Thüringer Allgemeine (Eisenach)
Die digitale Bauchspeicheldrüse
Ein neues System soll Kindern mit Diabetes Typ 1 und ihren Eltern den Alltag deutlich erleichtern
Berlin/leipzig. Mit einer künstlichen Bauchspeicheldrüse will ein internationales Forscherteam die Behandlung von Typ-1Diabetes bei Kindern zwischen einem und sieben Jahren grundlegend verbessern. Die erste Pilotstudie für das von der EU finanzierte Projekt ist erfolgreich abgeschlossenen worden, teilt das Universitätsklinikum Leipzig (UKL) mit. Die Ergebnisse sind in den Fachzeitschriften „Pediatric Diabetes“und „Diabetes Care“veröffentlicht worden.
Die künstliche Bauchspeicheldrüse kann man sich den Angaben zufolge als ein tragbares medizinisches System vorstellen, das mittels digitaler Technologie die Verabreichung von Insulin vollautomatisch übernimmt. Zu Pumpe und Sensor kommt als dritte Komponente ein Smartphone mit einer speziellen App hinzu. Diese enthält einen Algorithmus, der mittels der Sensordaten die Insulindosis berechnet und die Pumpe steuert.
In der Nacht arbeitet das System autark
„Hybrid closed-loop“heißt das System, von dem sich Diabetologen einen Riesengewinn versprechen. „In Ruhephasen, in der Nacht und zwischen den Mahlzeiten arbeitet das System völlig autark“, sagt Dr. Thomas Kapellen, Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Kinderund Jugendmedizin des UKL. Nur zu den Mahlzeiten müsse der Anwender selbst noch aktiv werden. „Erstmals ist diese Art des Systems nun bei einer so jungen Altersgruppe getestet worden“, hebt Kapellen hervor.
Die von Professor Roman Hovorka von der University of Cambridge (Großbritannien) geleitete Pilotstudie sollte herausfinden, ob für die Verwendung der künstlichen Bauchspeicheldrüse bei Kleinstkindern das Insulin verdünnt werden müsste. Dafür wurden 24 Mädchen und Jungen zwischen 18 Monaten und sieben Jahren in Großbritannien, Luxemburg, Österreich und Deutschland rekrutiert. Sie erhielten mittels des Closed-loop-systems jeweils drei Wochen lang verdünntes Insulin und drei Wochen lang solches in Standardstärke. Ergebnis: Kinder mit künstlicher Bauchspeicheldrüse benötigen kein verdünntes Insulin – ein großer Vorteil, da Insulin mit Standardstärke sicherer ist und einfacher überwacht werden kann.
Auch Eltern und Betreuer von erkrankten Kindern könnten von solch einem System profitieren, müssen sie im Moment doch selbst in der Nacht zum Teil mehrfach nach den Zuckerwerten schauen. „Die Eltern der 24 Probanden in unserer Pilotstudie haben dem System vertraut“, berichtet Kapellen, „sie schliefen besser und mussten nicht ständig aufstehen.“Die zweite, ebenfalls Eu-finanzierte Nachfolgestudie mit dann 84 Kindern und einer Dauer von einem Jahr ist in Cambridge bereits gestartet. Am UKL in Leipzig als einzigem deutschen Studienzentrum geht es im Herbst los. (kai)