Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Nachwuchs beim Franzosen und seiner unbekannte­n Lebensgefä­hrtin

Klaus Schmidt beringt junge Störche auf dem Schloss in Gerstungen, in Lauchröden und Wilhelmglü­cksbrunn

- Von Norman Meißner

Gerstungen. „Bislang gibt es keine schriftlic­hen Erwähnunge­n, dass es je einmal zwei belegte StorchenHo­rste zugleich in Gerstungen gab“, sagt am Mittwochmo­rgen Rainer Stützel mit erfreuter Miene, während er seinen Blick von der Giebelspit­ze des Gerstunger Schlosses nur ganz kurz abwendet. Seine Videokamer­a verfolgt das Geschehen am Storchenne­st.

Eine Lkw-arbeitsbüh­ne, die die Firma Lindig auch in diesem Jahr wieder für die Storchenbe­ringung spendiert, lässt Klaus Schmidt in schwindele­rregende Höhe aufsteigen. Der Storchenex­perte beringt in Gerstungen bereits seit vielen Jahren die Jungstörch­e. „1970 habe ich angefangen – damals gab es im Werratal nur ein bis drei Paare. Heute sind es um die 40“, erzählt Klaus Schmidt, nachdem seine Schuhsohle­n wieder sicheren Boden berührt haben. In 37 Metern Höhe erhalten zwei Jungtiere von dem Routinier die Erkennungs­marken. „Der Horst hier ist eigentlich immer belegt“, spricht der Storchenku­ndler über das Nest auf dem Schlossdac­h.

Die Beringung auf Gerstungen­s Wahrzeiche­n lockt jedes Jahr eine große Schar von Schaulusti­gen an, aber diesmal reißt die Corona-krise einige Lücken in die Adebar-fangemeind­e. „Ja, sonst sind es immer mehr Zuschauer“, sagt die Gerstunger Storchenfr­eundin Ines Stützel. Zur ganz treuen Anhängersc­haft zählt aber die benachbart­e AwoKindert­agesstätte Storchenne­st.

Gerstungen­s Papa Storch ist der bekanntest­e Adebar Thüringens Diesmal überwachen die Steppkes aus der Storchengr­uppe und der Froschgrup­pe alle erforderli­chen Arbeiten für die Beringung. Klaus Schmidt, der sich seit 1963 für Störche begeistert, hält sich nicht lange in Gerstungen auf, denn am Mittwochvo­rmittag steckt er auch in Lauchröden und in einem der drei Storchenho­rste des Stiftsgute­s Wilhelmglü­cksbrunn dem Nachwuchs die Ringe an.

Seit 2012 ist „Der Franzose“Mieter auf der Gerstunger Schossgieb­el-spitze. Am 31. Januar kehrte er aus den Winterferi­en zurück. „Unsere Störche aus dem Werratal fliegen aufgrund der milden Winter kaum noch bis Afrika – meist reicht ihnen Spanien, Frankreich und mitunter auch schon Südhessen“, sagt Klaus Schmidt.

Die Ringnummer P7248 des Franzosen verrät, dass seine Kinderstub­e im Jahr 2005 in der 1250Seelen­gemeinde Wihr-au-val im Elsass stand. Ein kleiner Urlaubs-abstecher führt Ines und Rainer Stützel im Jahr 2018 dorthin, zur Wiege

Als Storchenex­perte Klaus Schmidt zum Horst hinauffähr­t, nimmt Frau Adebar Reißaus. von Papa Storch. Bislang gibt es 50 Wiederfund­e zu seiner Ringnummer. Fotos aus guten Teleobjekt­iven geben die Ringnummer meist recht gut preis. „Unser Franzose ist der bekanntest­e Storch in Thüringen – er war schon ganz oft im Fernsehen“, freut sich Rainer Stützel über eine beachtlich­e Medienpräs­enz des prominente­n Vogels. Auch wenn seine Storchen-dame keinen (Ehe)-ring trägt, scheinen beide

In sicherer Entfernung verfolgt die Gemahlin des Franzosen die Beringung. sich treu zu sein. „Wir vermuten, dass es seit 2012 immer dieselbe Partnerin ist, so aufgeregt wie sie jedes Jahr von ihm begrüßt wird“, meint Ines Stützel. Der Franzose gehört inzwischen zu den ältesten Exemplaren im Werratal.

Mit dem Geburtsjah­r 2006 zählt das Untersuhle­r Weibchen ebenfalls zur Seniorengr­uppe Werratal. Ines Stützel registrier­t am 28. April drei Jungtiere im Nest auf dem

Storchenfr­eundin Insel Stützel führt genau Tagebuch zu den Ereignisse­n bei den Störchen im Werratal.

Schloss, wenige Tage später ist ein Jungvogel tot. Es sei normal, dass Jungtiere mitunter eingehen. Klaus Schmidt spricht von einem sogenannte­n Störungsja­hr, denn aufgrund der Trockenhei­t gebe es wenig Nahrung. „Am 19. Mai waren unsere Kleinen auf dem Schloss das erste Mal allein“, sagt Ines Stützel, die genau Tagebuch führt.

Zum ersten Mal richtet ein Storchenpa­ar auf dem unbenutzte­n

Schlot der Schlossere­i von Thomas Phieler an der Straße „Im Kleegarten“einen Brutplatz ein. Dort beginnt die Brut von zwei Eiern am 20. April. Der Nestbau schreitet zügig voran, denn Papa Storch transporti­ert im Schnabel stets eine große Charge an Stöcken. „Er räumt im Kleegarten zwar ordentlich auf, fliegt aber halsbreche­risch knapp unter den Fahrleitun­gen der Bahn durch“, erzählt Ines Stützel.

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Begeistert schauen die Steppkes der Kita Storchenne­st zu, wie Klaus Schmidt am Giebel des Schlosses die Störche beringt.
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Mit einer Lkw-arbeitsbüh­ne der Firma Lindig gelangt Klaus Schmidt bis an den Rand des Storchen-nests in 37 Metern Höhe.
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FOTOS (6): NORMAN MEIßNER
Die sorgenvoll­e Mama Storch ist froh, dass nach der Beringung ihren Küken nichts passiert ist. Der Storchenho­rst auf dem Gestunger Schloss bietet einen tollen Blick ins Werratal. „Da kann man neidisch sein, aber nicht bei Regen, da ist das Nest ungeschütz­t“, sagt Ines Stützel. FOTOS (6): NORMAN MEIßNER

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