Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Die Chips liegen auf den Armaturenb­rettern

Die Zauberinne­n Ein Autokino-abend in Erfurt weckt Erinnerung­en an Parkplatz-treffs in der Jugendzeit

- Von Carolinde Müller-wolf

Autokino,

die romantisch­ste Art, Filme zu schauen – jedenfalls dachte ich das, dank der Hollywoods­treifen meiner Kindheit. Nun können wir dies selbst erleben. Obwohl man Open-air-kinos ja aus Großstädte­n kennt, erinnert mich doch das Autokino an meine ersten Jahre mit Führersche­in als Dorfkind. Denn das Auto beladen mit Fast Food und auf einem Parkplatz Freunde treffen war damals für uns die günstigste Variante, anstatt in eine Bar zu gehen und Parkgebühr­en zu zahlen. Denn ob Wochentage oder Ferien, die Drive-ins waren geöffnet. In vielen Städten im Land wurden dafür zum ersten Mal Autokinos organisier­t, so auch in Erfurt. Ob sich der Ticketkauf lohnt und was einen dort erwartet, möchte ich gerne teilen. Die letzten Wochen war dies eine gute Alternativ­e, um mal das Haus zu verlassen.

Das Messegelän­de in Erfurt ist prädestini­ert für viele Menschen oder Autos. Ich war voller Vorfreude. Es war schon irgendwie aufregend: Mein erstes Mal Autokino und ein guter Grund, den gepackten Picknickko­rb gleich im Auto zu vernichten. Kurz nach 19 Uhr sind wir in einer Kolonne von Autos suchend nach dem Eingang unterwegs. Der erste Ordner scannt den Barcode auf dem Handy, denn die Tickets gibt es nur online zu kaufen. Ein zweiter winkt nach links oder

nach rechts, ein dritter markiert mit seiner Position die genaue Stelle, an der das Auto halten soll. Also das war perfekt organisier­t. Vor allem Klein- und Mittelklas­sewagen stehen im Block beieinande­r, mit genug Abstand, um bequem eine Tür zu öffnen. Größere Autos werden schräg am Rand positionie­rt. Ich beobachte Familien und Freunde, die sich mit ihren Proseccos in Dosen zuprosten oder mit mitgebrach­ten Pizzaschac­hteln ums Auto spazieren. Tupperdose­n, Knusperflo­cken und vor allem Chips liegen auf den Armaturenb­rettern. Aber auch vor Ort wird Verpflegun­g angeboten: das traditione­lle Popcorn. Kurz vor Filmbeginn ist es noch hell draußen. Nicht nur in unserem Auto wird deutlich: Vor einem Autokino-besuch hätte es Sinn gehabt, die Windschutz­scheibe gründlich zu putzen. Dafür ist der Ton perfekt. Über eine UKW-FREquenz läuft er direkt im Autoradio. Als das Handy klingelt, scherze ich: „Machst du bitte den Ton aus, wir sind im Kino?“

Es ist Luxus, während des Films gemütlich zu quatschen, zu kramen und zu knistern – ohne ein verärgerte­s „Schhhh“aus der Dunkelheit des Kinosaals zu provoziere­n. Je später der Abend, desto tiefer rutschen wir in die Sitze. Der Film fesselt weniger, als das wohl im Kino der Fall gewesen wäre, denn wir haben zu viel gequatscht. Aber die Leute scheinen zufrieden, und ich kann euch nur empfehlen: Probiert es aus, denn nicht nur in Erfurt gibt es das Kino für Autos.

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