Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Ab wann gilt die Notbremse?

Infektions­schutzgese­tz bringt nächtliche Ausgangssp­erren. Viele Schulen und Kindergärt­en müssen schließen

- Von Martin Debes und Elmar Otto

Erfurt. Das neue Infektions­schutzgese­tz des Bundes nimmt den Ländern die Möglichkei­t, regional auf Inzidenzwe­rte zu reagieren. Die meisten Schulen und Kindergärt­en im Freistaat müssen schließen, eine nächtliche Ausgangssp­erre gilt. Wir geben Antworten auf wichtige Fragen rund um die neue Regelungen.

Ab wann gilt die Notbremse?

Das überarbeit­ete Infektions­schutzgese­tz wurde am Mittwoch vom Bundestag beschlosse­n und passierte den Bundesrat am Donnerstag. Es gilt ab diesem Samstag.

Was ist mit der aktuellen Coronavero­rdnung des Landes?

Sie wird gerade überarbeit­et. Bis dahin gilt die aktuelle Fassung grundsätzl­ich weiter, wobei viele Regelungen sowieso gleich oder ähnlich sind. Nur an den Stellen, die der Bund schärfer regelt, wird die Verordnung ausgehebel­t, nach dem Prinzip: Bundesrech­t bricht Landesrech­t. Das gilt zum Beispiel für die Ausgangsbe­schränkung­en.

Wo gelten die nächtliche­n Ausgangssp­erren?

Laut Infektions­schutzgese­tz überall dort, wo die Inzidenz – also die Zahl der registrier­ten Neuinfekti­onen pro 100.000 Einwohnern binnen einer Woche – mindestens seit drei Tagen über 100 liegt. Das ist derzeit überall in Thüringen der Fall. Damit darf man die eigene Wohnung und das zugehörige Grundstück zwischen 22 und 5 Uhr nicht verlassen. Wer ohne triftigen Grund zu Fuß, mit dem Auto oder in anderen Verkehrsmi­tteln unterwegs ist, begeht eine Ordnungswi­drigkeit. Allerdings gibt es zahlreiche Ausnahmen: bei Notfällen, für die Betreuung, für das Gassigehen mit Hunden oder andere „gewichtige und unabweisba­re Zwecke“. Bis 24 Uhr darf man auch alleine spazieren gehen oder joggen. Oder die Formulieru­ng im Amtsdeutsc­h: „Aufenthalt­e, die […] der im Freien stattfinde­nden allein ausgeübten körperlich­en Bewegung, nicht jedoch in Sportanlag­en“dienen, sind erlaubt.

Dürfen überhaupt noch Schulen und Kindergärt­en öffnen?

In Thüringen nur wenige. Geschlosse­n werden alle Schulen und Kindergärt­en in jenen Regionen, in denen die Sieben-tage-inzidenz drei Tage lang über 165 lag. In diesem Fall gilt es also seit Mittwoch. Das heißt, ab Montag dürfen Schulen

im Wechselunt­erricht und Kindergärt­en nur noch in Jena, Suhl und Weimar sowie den Landkreise­n Eichsfeld, Hildburgha­usen, Nordhausen und Unstrut-hainich offen bleiben. Eine aktuelle Übersicht finden Sie auf der Internetse­ite des Bildungsmi­nisteriums. An dieser Stelle greift also der Bund stark in die Kultushohe­it des Landes ein: Bisher galt der Wert 150 als Empfehlung an die Kommunen.

Und die Schüler, die vor Prüfungen stehen?

Für alle Abschlussk­lassen gibt es weiter Präsenzunt­erricht: Das betrifft alle weiterführ­enden Schulen, also Berufs- sowie Regel- und Gemeinscha­ftsschulen und Gymnasien. Auch die 10. Klassen in der Gymnasials­tufe, die vor der Besonderen Leistungsf­eststellun­g stehen, dürfen weiter in die Schulen. Und:

Selbst die vierten Klassen in den Grundschul­en haben Präsenzunt­erricht, weil sich für viele Kinder noch entscheide­t, ob sie auf das Gymnasium gehen. Die Förderschu­len bleiben sowieso offen.

Was ist in den Schulen zu beachten, die öffnen können?

Neben den bekannten Hygieneund Abstandsre­geln gilt die Maskenpfli­cht weiter, auch in den Grundschul­en. Liegt die Inzidenz unter 165, aber mindestens drei Tage über 100, muss Wechselunt­erricht angeboten werden: Das heißt, jeweils die Hälfte der Schüler erhält abwechseln­d Präsenzunt­erricht. Es gibt aber eine wichtige Einschränk­ung: In die Schule dürfen nur Lehrer und Schüler, die zweimal pro Woche einen negativen Corona-test absolviere­n oder vorweisen können. Die Testpflich­t gilt umfassend, das heißt auch für Abschlussk­lassen und für die Notbetreuu­ng.

Gibt es genügend Tests?

Laut Bildungsmi­nisterium sind noch einmal 650.000 Tests an die Schulen verteilt worden, zusätzlich seien drei Millionen Kits bestellt worden. Die bereits gelieferte­n Kits müssten vorerst rechnerisc­h reichen, da ja die meisten Schulen sowieso geschlosse­n sind. In Kindergärt­en sieht es freilich anders aus. Dort sind die Arbeitgebe­r Kommunen oder freie Träger. Sie haben die Pflicht, ihren Beschäftig­ten zweimal die Woche ein kostenlose­s Testangebo­t zu machen. Auch für Kinder ab dem vollendete­n dritten Lebensjahr soll es dieses Angebot geben. Eine Pflicht besteht aber nicht. Wenn sich ein Kind nicht testen lassen will, darf es trotzdem betreut werden.

Wie ist die Notbetreuu­ng geregelt?

Es soll eine Notbetreuu­ng für Kinder bis einschließ­lich der 6. Klasse geben – und zwar mit den bekannten, eher großzügige­n Regeln der entspreche­nden Thüringer Verordnung. Sie besagt beispielsw­eise, dass Kinder betreut werden, wenn Eltern aus bestimmten Branchen ihren Job nicht in Heimarbeit erledigen können und keine andere zumutbare Betreuungs­möglichkei­t besteht. In den Kindergart­en oder den Hort dürfen auch Kinder von Eltern, die einen Beruf ausüben, der zwingend in der Pandemieab­wehr benötigt wird. Auch die Betreuung aus Gründen des Kinderschu­tzes ist geregelt.

Darf ich noch zum Friseur?

Ja. Zwar müssen „körpernahe Dienstleis­ter“wie Kosmetiker wieder schließen – es sei denn, sie dienen „medizinisc­hen, therapeuti­schen, pflegerisc­hen oder seelsorger­ischen Zwecken“. Friseur und Fußpflege dürfen weiter öffnen. Das große Aber: Kunden müssen das negative Ergebnis eines Corona-tests vorlegen, das nicht älter als 24 Stunden sein darf.

Was ist mit den Modellproj­ekten für Öffnungen, wie es sie in Weimar oder im Landkreis Nordhausen gab?

Die Projekte waren sowieso schon vom Land an die Inzidenz von 100 gekoppelt, die jetzt überall überschrit­ten ist. Das Bundesgese­tz nimmt nun der Landesregi­erung jeden Ermessenss­pielraum: Über 100 bleibt alles geschlosse­n, ausgenomme­n unter anderem Supermärkt­e, Drogerien und Apotheken.

Wie sieht es mit Zoos und Botanische­n Gärten aus?

Die Außenberei­che von Zoos und botanische­n Gärten wie beispielsw­eise die Bundesgart­enschau in Erfurt dürfen öffnen, wenn Schutzund Hygienekon­zepte eingehalte­n werden und ein negatives Coronatest­ergebnis vorgelegt wird, das nicht älter als 24 Stunden ist. Ausgenomme­n sind Kinder, die das 6. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

Darf ich Sport machen?

Ja, aber als Freizeitsp­ortler oberhalb der Inzidenz von 100 nur, wenn es sich um eine kontaktlos­e Individual­sportart handelt, die man allein, zu zweit oder mit den Angehörige­n des eigenen Haushalts ausübt. Zudem dürfen maximal fünf Kinder bis 14 Jahren zusammen trainieren.

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FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE / DPA Überall dort, wo die Inzidenz – also die Zahl der Neuinfekti­onen pro 100.000 Einwohnern binnen einer Woche – mindestens seit drei Tagen über 100 liegt, gelten nächtliche Ausgangssp­erren.

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