Thüringer Allgemeine (Eisenach)
Ab wann gilt die Notbremse?
Infektionsschutzgesetz bringt nächtliche Ausgangssperren. Viele Schulen und Kindergärten müssen schließen
Erfurt. Das neue Infektionsschutzgesetz des Bundes nimmt den Ländern die Möglichkeit, regional auf Inzidenzwerte zu reagieren. Die meisten Schulen und Kindergärten im Freistaat müssen schließen, eine nächtliche Ausgangssperre gilt. Wir geben Antworten auf wichtige Fragen rund um die neue Regelungen.
Ab wann gilt die Notbremse?
Das überarbeitete Infektionsschutzgesetz wurde am Mittwoch vom Bundestag beschlossen und passierte den Bundesrat am Donnerstag. Es gilt ab diesem Samstag.
Was ist mit der aktuellen Coronaverordnung des Landes?
Sie wird gerade überarbeitet. Bis dahin gilt die aktuelle Fassung grundsätzlich weiter, wobei viele Regelungen sowieso gleich oder ähnlich sind. Nur an den Stellen, die der Bund schärfer regelt, wird die Verordnung ausgehebelt, nach dem Prinzip: Bundesrecht bricht Landesrecht. Das gilt zum Beispiel für die Ausgangsbeschränkungen.
Wo gelten die nächtlichen Ausgangssperren?
Laut Infektionsschutzgesetz überall dort, wo die Inzidenz – also die Zahl der registrierten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern binnen einer Woche – mindestens seit drei Tagen über 100 liegt. Das ist derzeit überall in Thüringen der Fall. Damit darf man die eigene Wohnung und das zugehörige Grundstück zwischen 22 und 5 Uhr nicht verlassen. Wer ohne triftigen Grund zu Fuß, mit dem Auto oder in anderen Verkehrsmitteln unterwegs ist, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Allerdings gibt es zahlreiche Ausnahmen: bei Notfällen, für die Betreuung, für das Gassigehen mit Hunden oder andere „gewichtige und unabweisbare Zwecke“. Bis 24 Uhr darf man auch alleine spazieren gehen oder joggen. Oder die Formulierung im Amtsdeutsch: „Aufenthalte, die […] der im Freien stattfindenden allein ausgeübten körperlichen Bewegung, nicht jedoch in Sportanlagen“dienen, sind erlaubt.
Dürfen überhaupt noch Schulen und Kindergärten öffnen?
In Thüringen nur wenige. Geschlossen werden alle Schulen und Kindergärten in jenen Regionen, in denen die Sieben-tage-inzidenz drei Tage lang über 165 lag. In diesem Fall gilt es also seit Mittwoch. Das heißt, ab Montag dürfen Schulen
im Wechselunterricht und Kindergärten nur noch in Jena, Suhl und Weimar sowie den Landkreisen Eichsfeld, Hildburghausen, Nordhausen und Unstrut-hainich offen bleiben. Eine aktuelle Übersicht finden Sie auf der Internetseite des Bildungsministeriums. An dieser Stelle greift also der Bund stark in die Kultushoheit des Landes ein: Bisher galt der Wert 150 als Empfehlung an die Kommunen.
Und die Schüler, die vor Prüfungen stehen?
Für alle Abschlussklassen gibt es weiter Präsenzunterricht: Das betrifft alle weiterführenden Schulen, also Berufs- sowie Regel- und Gemeinschaftsschulen und Gymnasien. Auch die 10. Klassen in der Gymnasialstufe, die vor der Besonderen Leistungsfeststellung stehen, dürfen weiter in die Schulen. Und:
Selbst die vierten Klassen in den Grundschulen haben Präsenzunterricht, weil sich für viele Kinder noch entscheidet, ob sie auf das Gymnasium gehen. Die Förderschulen bleiben sowieso offen.
Was ist in den Schulen zu beachten, die öffnen können?
Neben den bekannten Hygieneund Abstandsregeln gilt die Maskenpflicht weiter, auch in den Grundschulen. Liegt die Inzidenz unter 165, aber mindestens drei Tage über 100, muss Wechselunterricht angeboten werden: Das heißt, jeweils die Hälfte der Schüler erhält abwechselnd Präsenzunterricht. Es gibt aber eine wichtige Einschränkung: In die Schule dürfen nur Lehrer und Schüler, die zweimal pro Woche einen negativen Corona-test absolvieren oder vorweisen können. Die Testpflicht gilt umfassend, das heißt auch für Abschlussklassen und für die Notbetreuung.
Gibt es genügend Tests?
Laut Bildungsministerium sind noch einmal 650.000 Tests an die Schulen verteilt worden, zusätzlich seien drei Millionen Kits bestellt worden. Die bereits gelieferten Kits müssten vorerst rechnerisch reichen, da ja die meisten Schulen sowieso geschlossen sind. In Kindergärten sieht es freilich anders aus. Dort sind die Arbeitgeber Kommunen oder freie Träger. Sie haben die Pflicht, ihren Beschäftigten zweimal die Woche ein kostenloses Testangebot zu machen. Auch für Kinder ab dem vollendeten dritten Lebensjahr soll es dieses Angebot geben. Eine Pflicht besteht aber nicht. Wenn sich ein Kind nicht testen lassen will, darf es trotzdem betreut werden.
Wie ist die Notbetreuung geregelt?
Es soll eine Notbetreuung für Kinder bis einschließlich der 6. Klasse geben – und zwar mit den bekannten, eher großzügigen Regeln der entsprechenden Thüringer Verordnung. Sie besagt beispielsweise, dass Kinder betreut werden, wenn Eltern aus bestimmten Branchen ihren Job nicht in Heimarbeit erledigen können und keine andere zumutbare Betreuungsmöglichkeit besteht. In den Kindergarten oder den Hort dürfen auch Kinder von Eltern, die einen Beruf ausüben, der zwingend in der Pandemieabwehr benötigt wird. Auch die Betreuung aus Gründen des Kinderschutzes ist geregelt.
Darf ich noch zum Friseur?
Ja. Zwar müssen „körpernahe Dienstleister“wie Kosmetiker wieder schließen – es sei denn, sie dienen „medizinischen, therapeutischen, pflegerischen oder seelsorgerischen Zwecken“. Friseur und Fußpflege dürfen weiter öffnen. Das große Aber: Kunden müssen das negative Ergebnis eines Corona-tests vorlegen, das nicht älter als 24 Stunden sein darf.
Was ist mit den Modellprojekten für Öffnungen, wie es sie in Weimar oder im Landkreis Nordhausen gab?
Die Projekte waren sowieso schon vom Land an die Inzidenz von 100 gekoppelt, die jetzt überall überschritten ist. Das Bundesgesetz nimmt nun der Landesregierung jeden Ermessensspielraum: Über 100 bleibt alles geschlossen, ausgenommen unter anderem Supermärkte, Drogerien und Apotheken.
Wie sieht es mit Zoos und Botanischen Gärten aus?
Die Außenbereiche von Zoos und botanischen Gärten wie beispielsweise die Bundesgartenschau in Erfurt dürfen öffnen, wenn Schutzund Hygienekonzepte eingehalten werden und ein negatives Coronatestergebnis vorgelegt wird, das nicht älter als 24 Stunden ist. Ausgenommen sind Kinder, die das 6. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
Darf ich Sport machen?
Ja, aber als Freizeitsportler oberhalb der Inzidenz von 100 nur, wenn es sich um eine kontaktlose Individualsportart handelt, die man allein, zu zweit oder mit den Angehörigen des eigenen Haushalts ausübt. Zudem dürfen maximal fünf Kinder bis 14 Jahren zusammen trainieren.