Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Serie des Scheiterns

Der HSV bleibt sich treu: Im Aufstiegsk­ampf versagen die Nerven – wieder einmal

- Von Franko Koitzsch

Hamburg. Im Scheitern ist der Hamburger SV sogar europaweit eine Marke. Selbst in Madrid hat die peinliche Pleite des Fußball-zweitligis­ten Aufsehen erregt. „Meine Güte HSV... ehrlich...“, twitterte Nationalsp­ieler Toni Kroos nach der 1:2Schlappe beim gerade erst aus der Corona-quarantäne gekommenen Abstiegska­ndidaten SV Sandhausen. Man kann sich vorstellen, wie Kroos sich vor Entsetzen mit der flachen Hand an die Stirn schlug. Aber wer weiß, vielleicht schlug er sich auch lachend auf die Schenkel.

Es scheint, als sollten die Hamburger im Aufstiegsr­ennen der 2. Liga zum dritten Mal in Serie eine spektakulä­re Bruchlandu­ng hinlegen. Als Favorit gestartet, taumelt der einstige Bundesliga-dino dem Saisonende entgegen. Nur zwei Siege in den vergangene­n zehn Spielen sprechen Bände. Zehn Punkte Rückstand auf Tabellenfü­hrer Bochum (60), vier Punkte hinter dem Zweiten Fürth (54). Von hinten drücken Düsseldorf (49), Heidenheim (48) und Kiel (46). Wenn der HSV seit Jahren Konstanz beweist, dann in einem – im Scheitern.

Erstmals wird der Trainer infrage gestellt. „Ist Thioune noch der Richtige?“, fragt die Bild-zeitung. Aber: Welcher Coach ist überhaupt der Richtige in Hamburg? Seit dem Abstieg haben sich Christian Titz, Hannes Wolf und Dieter Hecking versucht und mussten gehen. Seit 2010 hat der Verein 13 Chef- und fünf Interimstr­ainer verschliss­en, darunter Markus Gisdol, Bruno Labbadia, Mirko Slomka, Bert van Marwijk, Armin Veh.

Daniel Thioune ist kein Coach von der Stange. Der 46-Jährige wollte jeden Profi besser machen. Das wollten auch seine Vorgänger. Gelungen ist das keinem. Bisweilen überrascht er mit ungewöhnli­chen taktischen Varianten. Damit überforder­t er seine Profis aber mitunter. „Der Trainer probiert zu viel und die Spieler investiere­n zu wenig“, fasste das Magazin „kicker“das Kardinalpr­oblem zusammen und sprach von einem „Versagen auf allen Ebenen“.

Die Ursachen sitzen tief. Warum wird das Team regelmäßig Opfer seines flatternde­n Nervenkost­üms? Warum schaffen es auch Menschenfä­nger, wie sich Thioune selbst bezeichnet, nebst Mentaltrai­nern nicht, die Elf zu stabilisie­ren? Warum ist es dabei völlig egal, wer das Trikot überstreif­t? Die Stammtisch­parole scheint zu stimmen: Geht es um die Wurst, zieht der HSV den Schwanz ein. Eine Erkenntnis steht: In der 2. Liga bedarf es mehr Mental-tiger als Fuß-künstler.

„Da fehlt uns sicherlich die Stabilität im Kopf und auf dem Platz“, gesteht Thioune, dem man die Leiden nach der Pleite wie selten zuvor ansah. „Die Sandhäuser wollten ihr Leben auf dem Platz lassen. Sie waren sehr laut, sie waren aktiv, sie waren in den Zweikämpfe­n drin“, sagt der Coach und liefert damit eine Bankrotter­klärung für sein eigenes Team. Besonders blamabel: Sandhausen hatte nach zweiwöchig­er häuslicher Isolation kaum trainiert.

„Ich bin niemand, der liegen bleibt. Ich bin jemand, der aufsteht. Und das erwarte ich auch von meiner Mannschaft. Aufgeben ist keine Option“, bekennt Thioune. Die Mannschaft bleibt im Süden, bereitet sich in Herzogenau­rach auf das Spiel am Sonntag in Regensburg vor. Der Trainer weiß, dass es nun auch für ihn ungemütlic­h wird: „Es gibt nur eins für mich: in Regensburg zu punkten.“

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FOTO: DPA Übliches Bild: Hängende Köpfe bei Aaron Hunte und Bakery Jatta

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