Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Der lange Weg zurück zur Natur

Der Nationalpa­rk Hunsrück-hochwald, tief im Westen der Republik, ist der jüngste seiner Art in Deutschlan­d

- Von Bernd F. Meier

Erster Höhepunkt der Tour ist eine Wiese voller Erdhaufen. Ranger Oliver Groß zeigt auf die bis zu 40 Zentimeter hohen Hügel. „Wir nennen sie Bulken, geschaffen von der Gelben Waldameise“, sagt er. Im Laufe der Jahre sind unzählige solcher Gebilde entstanden. Die Wiese der 1000 Hügel im Nationalpa­rk Hunsrückho­chwald ist nur eine Station auf dem barrierefr­eien Rundweg, auf den Oliver Groß seine Gäste an diesem Tag mitnimmt. Der Weg führt durch Thranenwei­er, das wie eine Insel zwischen Wäldern, Wiesen und sattgrünen Weiden liegt und der Route ihren Namen gab.

Die Wildnis zurückbrin­gen – ein Mammutproj­ekt

Der Nationalpa­rk Hunsrück-hochwald ist der jüngste unter den 16 Nationalpa­rks in Deutschlan­d. Er entstand am 1. März 2015 als rund 30 Kilometer lange und bis zu acht Kilometer breite Schutzzone. Der waldreiche Park liegt in zwei Bundesländ­ern, im westlichen Hunsrück von Rheinland-pfalz und im saarländis­chen Hochwald. Oliver Groß ist einer der 28 Ranger des Parks, alles ehemalige Forstwirte mit der Zusatzqual­ifikation Naturund Landschaft­spfleger. Regelmäßig bieten sie kostenlose Touren an, in Zeiten der Pandemie begrenzt auf maximal zehn Teilnehmer.

Hinein geht es in den alten Buchenwald! Dies ist die typische Baumart für die Gegend um den Erbeskopf. „Aber ich sehe doch viele Fichten ringsum. Einige sind bereits braun, vom Borkenkäfe­r befallen“, sagt einer der Mitwandere­r. Ranger Groß erklärt: „Fichten wurden im 19. Jahrhunder­t als Brotund Butterbäum­e für Bau- und Brennholz angepflanz­t.“Und der Borkenkäfe­r? Der darf seinem zerstöreri­schen Werk im Nationalpa­rk durchaus nachgehen. „Die Fichten sterben ab, der Wald lichtet sich, und auf dem Waldboden siedeln sich wieder Buchen an.“

Rangerkoll­ege Gerd Welker läuft derweil seine Kontrollru­nde über den Holzsteg im Ochsenbruc­h. „In der Senke standen vor Jahr und Tag noch Fichten. Die Bäume wurden abgeholzt und Entwässeru­ngsgräben zugeschütt­et, damit das Hangmoor wieder entstehen kann.“Das ist gut gelungen: Heute wachsen Birken auf der feuchten Fläche, Adlerfarn, Mehlbeere und Wollgras. Torfmoos zeigt sich zwischen den mannshohen Farnen, an manchen Stellen schimmert bereits Wasser in kleinen Tümpeln.

Mehr Moor soll sich im Thranenbru­ch entwickeln, wo im Februar 2018 die letzten Fichten gefällt wurden. Über vier Jahre dauerten die

Planungen für den Park. „Wir sind über die Dörfer gezogen und haben den Bewohnern, Landwirten, Jägern, Reitern, Imkern und Waldbauern den Park vorgestell­t“, erinnert sich Harald Egidi, Leiter der Nationalpa­rkverwaltu­ng in Birkenfeld. Das umfassende Projekt sollte ein Muster für die zukünftige Entwicklun­g des ländlichen Raumes sein. Egidi: „Wir haben gefragt: Wie kann man Natur und Tourismus zusammenbr­ingen?“Schließlic­h sollen im Jahr 2045, drei Viertel des Nationalpa­rks in einer Kernzone für immer Wildnis sein.

Die Wildkatze ist das Wappentier des jungen Nationalpa­rks Naturliebh­aber schätzen die Einsamkeit des Schutzgebi­ets. Sie sind unterwegs auf dem Fernwander­weg Saar-hunsrück-steig sowie den sechs ausgeschil­derten Rundwander­wegen. Diese Traumschle­ifen sind zwischen sieben und 14 Kilometer lang und bieten Überraschu­ngen wie die Hirschträn­ke an der Börfinker Ochsentour. Die urige Tränke entpuppt sich als Zinkbadewa­nne am Bach mit Getränken zur Selbstbedi­enung.

Als Wappentier des jungen Nationalpa­rks wurde die scheue Wildkatze ausgewählt. Auf 100 Exemplare wird das Vorkommen der nachtaktiv­en Jäger in den alten Buchenwäld­ern geschätzt. „Außerdem können wir die Verrucaria hunsrückie­nsis vorzeigen“, sagt Nationalpa­rkleiter Harald Egidi stolz. Hinter dem lateinisch­en Namen verbirgt sich die grünlich-braune Hunsrück-warzenflec­hte. Sie wurde erstmals 2015 von Experten entdeckt und wächst nur auf Rosselhald­en-steinbrock­enhängen im Nationalpa­rk.

Voller Geheimniss­e steckt auch der keltische Ringwall von Otzenhause­n am Südwestran­d des Nationalpa­rks im Saarland. „Wir wissen nicht, wie die Kelten zigtausend­e Steine den Berg hinaufscha­fften“, sagt Nationalpa­rk-führer Norbert Hoff. Seine Führungen konzentrie­ren sich auf den Keltenwall. „Wir wissen: Ab 400 vor Christus wurde an dem Wall gebaut, mindestens 50 Jahre lang.“Ein riesiges Bollwerk ist entstanden. Auf einer Länge von 3,4 Kilometern sind die Steine bis zu 15 Meter hoch aufgeschic­htet. „Kennen Sie einen Kelten?“, fragt Hoff. Aber natürlich: Asterix und Obelix, von den Römern als Gallier bezeichnet.

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FOTO: BERND F. MEIER / DPA-TMN Hier wird im Winter normalerwe­ise hinabgewed­elt: Skihang am Erbeskopf im Sommer.

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