Thüringer Allgemeine (Eisenach)
Untreue Tomaten
Britta Hinkel schwört ihrer besten Freundin ewige Treue
Neulich fragt mich meine beste Freundin Pia: „Woran merkt man eigentlich, ob man sich treu geblieben ist oder nicht?“
„Definiere ,sich treu bleiben’!“, sag ich.
„Hmmm. Genau das ist ja mein Problem. Ich weiß eben nicht, woran man so eine Aussage festmachen kann“, sagt Pia.
„Wie kommst du überhaupt auf derlei Gedankenspiele?“, sag ich.
„Neulich hab ich irgendwo aufgeschnappt, wie eine Frau zu einer anderen sagte: ,Die ist sich wenigstens treu geblieben.’ Und seitdem überlege ich: Ist das nun etwas Gutes? Oder kann es auch hinderlich oder gar verwerflich sein, sich treu zu bleiben? Und wie gesagt, wann kann man das von sich behaupten und wann nicht?“, sagt Pia.
„Wichtig ist vielleicht der Zeitraum? Wenn zum Beispiel jemand an seinem Lebensende konstatiert, dass er sich zeitlebens treu geblieben ist – ist das per se gut? Oder hat sich dieser Mensch einfach nie weiterentwickelt?“, sag ich.
„Na ja, das Prädikat ,sich treu zu bleiben’ wird ja meist als Synonym für ,verlässlich sein’ und ,seine Ideale nicht verraten’ verwendet. Von daher ist das eigentlich schon positiv zu verstehen“, sagt Pia.
„Aber damit hast du doch deine Antwort schon: Wenn du wacker und unerschrocken an deinen Idealen festgehalten hast, bist du dir höchstwahrscheinlich treu geblieben“, sag ich.
„Mist! Ich stand früher auf langhaarige Jungs. Heute find ich Männer – in meinem Alter – mit langen Loden sowas von unsexy und stehe eher auf Oldies mit Glatze. Bin mir also nicht treu geblieben“, sagt Pia.
„Ja, ein Fall von Hochverrat! Ich hab als Kind Tomaten gehasst, jetzt esse ich sie mit Vorliebe. Auch ich hab somit versagt und bin mir nicht treu geblieben“, sag ich. „Unverzeihlich!“, sagt Pia. „Hauptsache, wir beide bleiben uns gegenseitig treu!“, sag ich.