Thüringer Allgemeine (Eisenach)
Kampfjet-koalition für die Ukraine steht
USA unterstützen Kiews Wunsch nach F-16-maschinen. Wer sie liefert, ist offen. Antworten auf die wichtigsten Fragen
Jan Dörner
Hiroshima. Durch den Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj beim G7-gipfel in Japan ist ein Thema in den Fokus gerückt, das nicht auf der offiziellen Tagesordnung des Treffens stand: Die Forderung der Ukraine nach westlichen Kampfjets. Selenskyj warb in Hiroshima in zahlreichen Gesprächen mit den anwesenden Staats- und Regierungschefs für die Unterstützung seines Landes im Krieg gegen Russland.
Was will die Ukraine?
Die Regierung in Kiew fordert die Lieferung westlicher Kampfjets vom Typ F-16. Die Maschinen aus Us-produktion des Herstellers Lockheed Martin gelten als sehr leistungsfähig und sind weit verbreitet. Neben den USA könnten auch Niederlande, Belgien, Polen, Dänemark und Griechenland solche Flugzeuge abgeben.
Gibt es schon konkrete Zusagen? Nein. Die USA haben aber auf dem Gipfel ihre Unterstützung für die Koalition angekündigt. Einerseits will die Regierung von Us-präsident Biden anderen Ländern nicht im Wege stehen, wenn sie die in den USA gefertigten Jets an die Ukraine weitergeben. Die Us-regierung hat andererseits grünes Licht für die Ausbildung ukrainischer Piloten in den Us-flugzeugen gegeben. Erst am Ende soll entschieden werden, wann und wie viele Flugzeuge von wem geliefert werden. Zum Abschluss des Treffens versprach Biden neue Militärhilfen im Umfang von etwa 375 Millionen Us-dollar (etwa 346 Millionen Euro).
Wie schnell kann das gehen?
Die Ausbildung ukrainischer Piloten dürfte mehrere Monate in Anspruch nehmen. Bezogen auf die Ankündigung Bidens sagte Selenskyj in Hiroshima: „Ich glaube, die Entscheidung bedeutet nicht, dass wir all diese Verteidigungsmittel morgen haben werden. Wir müssen uns vorbereiten. Aber trotzdem: Es ist ein großartiger Beschluss.“Er sei „sehr glücklich“, fügte der ukrainische Staatschef hinzu. Die Kampfjetkoalition sei ein „längerfristiges Projekt“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Scholz sieht in der Initiative zum jetzigen Zeitpunkt in erster Linie ein Signal an den russischen Präsidenten Wladimir Putin: „Nämlich, dass Russland nicht darauf setzen soll, dass, wenn es lange genug durchhält, am Ende die
Unterstützung der Ukraine nachlässt.“Und: „Die Botschaft, die von hier aus gesendet wird: Russland muss den Krieg beenden und Truppen zurückziehen. Und wir werden die Ukraine so lange unterstützen, wie das erforderlich ist“. Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter, kritisierte die Ukraine-beschlüsse des G7-gipfels als unzureichend. „Es wäre nur folgerichtig gewesen, wenn die Sanktionsbeschlüsse auch den Atomsektor mit einbezogen hätten“, sagte er unserer Redaktion. „Russland besetzt seit über einem Jahr Europas größtes Kernkraftwerk
in Saporischschja und hat dort in kritischen Bereichen Waffen und Soldaten stationiert.“Gleichzeitig nutze das russische Regime Atomwaffen immer wieder, um der Ukraine und ihren Unterstützern unverhohlen zu drohen.
Will Deutschland sich an der Koalition beteiligen? Deutschland besitzt keine F-16. Gefragt nach deutscher Hilfe verweist der Bundeskanzler in Japan auf die anderweitige militärische Hilfe für die Ukraine: „Wir sind nach den USA der größte Unterstützer, was finanzielle Unterstützung betrifft, humanitäre Unterstützung, aber auch Waffenlieferungen.“Deutschland hat Panzer, Panzerhaubitzen und Gerät zur Luftverteidigung weitergegeben. Diese Waffen seien notwendig „für den aktuell anstehenden Versuch“der Ukraine, in einer Gegenoffensive von Russland erobertes Territorium zu befreien.
Könnte Deutschland die Koalition anderweitig unterstützen?
Großbritannien und Frankreich setzen sich für die Kampfjetinitiative ein, obwohl sie ebenfalls keine F16-maschinen besitzen. Beide wollen aber bei der Ausbildung helfen, Frankreich könnte sich in der Grundausbildung ukrainischer Piloten engagieren, die sei schließlich weltweit gleich, heißt es aus französischen Regierungskreisen. Die Haltung des Kanzlers gegenüber dem Projekt ist eher skeptisch, in der Vergangenheit hatte Scholz sich ausdrücklich ablehnend zur Lieferung westlicher Kampfjets geäußert. Denkbar ist aber, dass die Ausbildung ukrainischer Piloten auch auf Us-stützpunkten in Deutschland stattfinden könnte.
Welche Bedenken gibt es?
Die USA hatten sich bisher gegen die Forderung der Ukraine nach Kampfjets gesperrt. Hintergrund waren Befürchtungen, dass die Ukraine damit Ziele auf russischem Gebiet angreifen könnte. Er habe eine „pauschale Zusage von Selens- kyj“, die F-16 nicht zu nutzen, um „in russisches geografisches Territo- rium“vorzustoßen, sagte Biden.
Was sagt Berlin zu den Plänen? Cdu-außenpolitiker Norbert Rött- gen hat die Ampel zur stärkeren Unterstützung der Ukraine aufgeru- fen. „Die Bundesregierung hat ver- säumt, sich an die Seite der europäi- schen Staaten zu stellen, die F-16 an die Ukraine liefern wollen. Das ist wieder eine verpasste Chance für europäische Solidarität und Geschlossenheit“, sagte Röttgen unserer Redaktion. „Wir müssen jetzt in den anderen Bereichen, in denen Deutschland etwas zu bieten hat, die Voraussetzungen für dauerhafte Unterstützung schaffen.“Deutschland müsse schnell fehlende industrielle Kapazitäten erzeugen, um Munition und Waffen zu liefern.