Thüringer Allgemeine (Eisenach)
Verwirrung um Einnahme von Bachmut durch Russland
Nach monatelangem Kampf ist die Stadt weitgehend unter Kontrolle der Invasoren. Kiew betont aber, dass die Schlacht noch nicht verloren ist
Moskau. Um die vermeintliche Einnahme von Bachmut gibt es Verwirrung. Die Stadt in der Ostukraine scheint vollständig unter Kontrolle der russischen Söldnertruppe Wagner und der russischen Armee zu sein. Allerdings, so schreiben russische Militärblogger auf Telegram, hielten sich noch ukrainische Soldaten dort auf. Sie hätten keine Zeit gehabt, „die Stadt mit den Hauptkräften zu verlassen und sich, sobald sie umzingelt waren, in den Ruinen von Häusern zu verstecken“. Verwirrung auch um das Dementi des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj: Zunächst
schien er den Fall von Bachmut zu bestätigen. Bei einem bilateralen Treffen mit Us-präsident Joe Biden am Rande des G7-gipfels in Hiroshima am Sonntag fragte ein Reporter Selenskyj, ob die Stadt im Osten der Ukraine noch in ukrainischer Hand sei. Der ukrainische Präsident antwortete mit den Worten: „Ich denke nicht.“
Im Gegensatz dazu betonte Selenskyj später, die Stadt sei nicht vollständig unter russischer Kontrolle. „Bachmut ist heute nicht von Russland besetzt worden.“Der Sprecher der ukrainischen Heeresgruppe Ost, Serhij Tscherewatyj, erklärte währenddessen: „Unsere Soldaten halten Befestigungsanlagen und einige Räumlichkeiten im Südwesten der Stadt“. Am Abend sagte Tscherewatyj in einer weiteren Stellungnahme, das Militär sei nahe der Stadt Bachmut weiter vorgerückt. „Speziell in den letzten 24 Stunden sind wir an einigen Teilstücken etwa 200 Meter vorgestoßen.“Bereits die ganze Woche sei das ukrainische Militär in der Umgebung der Stadt auf dem Vormarsch.
Für beide Kriegsparteien hat Bachmut einen hohen Symbolwert, auch wenn die Eroberung militärisch keine allzu große Bedeutung hat. Aus Moskauer Sicht aber ist sie der Schlüssel für die Einnahme des Donbass – eines der erklärten Kriegsziele von Wladimir Putin. Die
Schlacht um die Stadt, wenn sie denn geschlagen ist, war die längste und verlustreichste seit Beginn des Krieges, der vom Kreml nach wie vor „Spezialoperation“genannt wird. Früher lebten 70.000 Menschen in Bachmut, heute ist dort
Die Wagner-söldnergruppe sagt, sie habe Bachmut erobert. eine Ruinenlandschaft. Wie Selenskyi braucht auch Putin dringend Erfolge in der Ost-ukraine, die er eigentlich schon am 9. Mai, dem Tag des Sieges über die Nazis im Zweiten Weltkrieg, verkünden wollte. Putin gratulierte der Wagnertruppe und den regulären Soldaten. „Allen, die sich hervorgetan haben, werden staatliche Auszeichnungen verliehen“, heißt es im Pressedienst des Kremls.
Zu den Siegern zählt auch Jewgeni Prigoschin, der Chef der Wagnersöldner. Er liegt im Dauerclinch mit der russischen Armeeführung und kann jetzt die Einnahme von Bachmut im Wesentlichen für sich verbuchen. In seinem jüngsten Wutanfall fabulierte er von einem „Großvater“, der ein „komplettes Arschloch“sei, der glaube, alles sei in Ordnung und dennoch Russland an die Wand fahre. Wen genau er damit meinte, ließ Prigoschin zwar offen – namentlich nannte er aber Michail Misinzew, den inzwischen geschassten Vizeverteidigungsminister, und Waleri Gerassimow, den Generalstabschef, als Verantwortliche. Auf Telegram trat Prigoschin nach: „Da wir jetzt zu einer wohlverdienten Ruhepause aufbrechen, werde ich dem russischen Volk die Namen aller Bürokraten offenbaren, die sich in unseren Sieg eingemischt, keine Papiere unterzeichnet und sich uns widersetzt haben.“