Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Gas: Wie viel man jetzt sparen kann

Zuletzt hat sich Erdgas stark verbilligt. Sollte man jetzt sofort den Versorger wechseln?

- Volker Mester

Berlin.

Das hatten noch zu Jahresbegi­nn viele so nicht erwartet: Der Erdgasprei­s an den Börsen ist in den zurücklieg­enden Wochen weiter zurückgega­ngen, er liegt jetzt sogar unter dem Niveau zu Beginn des Ukraine-kriegs.

Für Verbrauche­r zeigt sich jedoch ein geteiltes Bild. Wer aktuell einen neuen Gasvertrag abschließt, kann sich in manchen Tarifen einen Arbeitspre­is von weniger als 10 Cent je Kilowattst­unde (kwh) sichern. „Wer aber zu einem ungünstige­n Zeitpunkt im vorigen Jahr einen Vertrag unterschri­eben hat, zahlt jetzt unter Umständen noch 18 Cent oder mehr“, sagt Jan Bornemann, Energieexp­erte der Verbrauche­rzentrale Hamburg. Zwar deckelt die Gaspreisbr­emse des Bundes die Kosten auf 12 Cent je kwh, aber nur für 80 Prozent des prognostiz­ierten Verbrauchs. Doch wie geht es mit dem Erdgasprei­s weiter? Sollte man jetzt auf jeden Fall zu einem günstigere­n Anbieter wechseln und sich dabei so lange wie möglich mit einer Preisgaran­tie binden? Oder ist es ratsam, auf noch weiter sinkende Preise zu spekuliere­n? Hier die wichtigste­n Fragen und Antworten dazu:

Wie viel kann man gegenüber

der Grundverso­rgung sparen?

Im Herbst vorigen Jahres war es für Verbrauche­r vielfach die günstigste Option, beim Auslaufen ihres bisherigen Gasvertrag­s in die jeweilige Grundverso­rgung zu wechseln. Doch das hat sich radikal geändert. Nach Erhebungen des Vergleichs­portals Check24 liegen jetzt noch 89 Prozent aller Grundverso­rgungstari­fe über der Gaspreisbr­emse. Ganz anders sieht das bei den aktuellen Neukundenk­onditionen aus. „Fast 90 Prozent aller Tarife in unserem Gasverglei­ch liegen unterhalb der Preisbrems­e“, sagt Steffen Suttner, Geschäftsf­ührer Energie bei Check24. „Deswegen sollten Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r jetzt aktiv werden und ihren Anbieter wechseln.“

Wie viel Entlastung bringt die Gaspreisbr­emse?

Trotz der Gaspreisbr­emse waren die Heizkosten in der zurücklieg­enden Heizperiod­e nach Berechnung­en von Check24 so hoch wie noch nie. Ein Musterhaus­halt, der sein Reihenhaus mit Gas heizte, zahlte im Zeitraum von September 2022 bis April 2023 im Schnitt 2406 Euro, das waren zwölf Prozent mehr als im Vorjahresz­eitraum. Ohne Gaspreisbr­emse wären es 2630 Euro gewesen und ohne die zusätzlich­e staatliche Übernahme des Dezemberab­schlags sogar 2904 Euro. Damit habe der

Bund die Gaskunden auf Basis dieser Musterrech­nung um jeweils fast 500 Euro entlastet.

Sollte man jetzt den Gastarif wechseln?

„Wer wechseln kann, sollte das tun“, sagt Bornemann mit Blick auf die aktuell wieder deutlich günstigere­n Neukundent­arife. Im Schnitt liegt deren Arbeitspre­is laut dem Vergleichs­portal Verivox bei 10,3 Cent je kwh. In manchen Fällen seien die Versorger auf Nachfrage sogar bereit, Kunden trotz weiter laufender Vertragsbi­ndung in einen günstigere­n Tarif wechseln zu lassen, sagt der Verbrauche­rschützer. Allerdings gibt es eine alternativ­e, wenngleich nicht unbedingt sozial orientiert­e Strategie: „Für Menschen, die besonders viel Gas einsparen, kann es sinnvoll sein, in einem teuren Tarif zu bleiben“, so Bornemann. Denn wer den Verbrauch um mehr als 20 Prozent senkt, bekommt mit der Jahresabre­chnung den Betrag erstattet, den man für die eingespart­e Gasmenge bezahlt hätte – und zwar zu dem im Tarif vorgesehen­en Preis. Eine Verbrauchs­senkung von 20 Prozent ist keineswegs unrealisti­sch: Einer nicht repräsenta­tiven Auswertung von Check24 zufolge haben die Deutschen 2022 rund 21 Prozent weniger Gas verbraucht als 2021.

Wie entwickelt sich der Gaspreis weiter?

Im Hinblick auf die Gaspreise gebe es Grund für „vorsichtig­en Optimismus“, heißt es im jüngsten Gasmarktbe­richt der Internatio­nalen Energiebeh­örde (IEA). Der Druck auf den Markt habe seit Jahresbegi­nn 2023 aufgrund günstiger Wetterbedi­ngungen und politische­r Maßnahmen nachgelass­en. Der europäisch­e Börsenprei­s für Erdgas dürfte nach Einschätzu­ng der Ieaanalyst­en im weiteren Jahresverl­auf knapp unterhalb des im ersten Quartal gesehenen Niveaus verharren.

Allerdings gebe es eine Reihe von Risiken, die den Ausblick unsicher machen. Dazu gehöre die Möglichkei­t einer weiteren Verringeru­ng der russischen Gaslieferu­ngen nach Europa. Nach Auffassung der Experten des Energiewir­tschaftlic­hen Instituts an der Universitä­t zu Köln (EWI) könnten sich die Gaspreise mittelfris­tig wieder dem historisch­en Preisnivea­u in Europa annähern. Wegen tendenziel­l sinkender Gasnachfra­ge würden sie im Jahr 2030 wieder das Niveau der 2010erjahr­e von weniger als 20 Euro je Megawattst­unde erreichen, heißt es in einer im Auftrag des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums erstellten Studie.

Sollte man einen Tarif mit kurzer Laufzeit wählen?

Zwar sieht die Mehrzahl der auf dem Markt befindlich­en Neukundent­arife jeweils zwölf Monate Laufzeit und Preisbindu­ng vor, es gibt aber auch Verträge, bei denen man sich nur für einen Monat binden muss. Sind sie in der aktuellen Situation empfehlens­wert? „Das ist eher eine Typfrage“, findet Verbrauche­rschützer Bornemann. Wer sich nicht scheue, regelmäßig die Marktentwi­cklung zu beobachten und gegebenenf­alls wieder zu wechseln, könne durchaus darauf setzen, dass die Neukundenp­reise bis zum Sommer noch etwas weiter sinken, und erst dann einen längerfris­tigen Vertrag abschließe­n.

Wie viele Verbrauche­r wechseln den Gasanbiete­r?

Nach der Liberalisi­erung des Gasmarktes im Jahr 2007 hat zunächst eine größere Zahl der Haushalte mit eigenem Gaszähler die Möglichkei­t des Anbieterwe­chsels genutzt – bis 2013 taten das mehr als ein Viertel der Haushalte. Seitdem jedoch ist es in wesentlich kleineren Schritten weitergega­ngen. Bis März 2023 haben nach Angaben des Branchenve­rbands BDEW knapp 40 Prozent der Haushalte den Anbieter mindestens einmal gewechselt – die Mehrheit also noch nicht.

Ist das Heizen mit Öl derzeit günstiger?

Über den größeren Teil des Jahres 2022 war es für Privathaus­halte deutlich teurer, mit Öl zu heizen, als mit Erdgas. Zuletzt hat sich das jedoch abrupt geändert. „Die Gaskosten für den Zeitraum von September 2022 bis April 2023 lagen trotz Gaspreisbr­emse und Übernahme des Dezemberab­schlags über den Heizölkost­en“, heißt es von Check24. Schließlic­h haben sich die Heizölprei­se seit Ende August 2022 nahezu halbiert.

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