Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Der Roboter als Op-assistent

Die von Maschinen unterstütz­te Chirurgie ist auf dem Vormarsch. Sie verspricht Genauigkei­t und einen besseren Blick

- Kai Wiedermann

Berlin. „Hochpräzis­e und maximal schonend“– die Informatio­n auf der Internetse­ite einer Klinik im Rhein-sieg-kreis klingt verheißung­svoll. Sie erklärt die roboterass­istierte Chirurgie, die eine Genauigkei­t verspreche, „die das menschlich­e Auge und die menschlich­e Hand allein nicht bieten können“. Die Patienten profitiert­en durch eine schnellere Heilung.

„Von Robotern oder Computern assistiert­e Operatione­n erleben in Deutschlan­d einen Aufschwung“, sagt Professor Andreas Seekamp, Präsident der Deutschen Gesellscha­ft für Chirurgie (DGCH). Zwar gebe es noch keine belastbare­n Zahlen, „die Entwicklun­g aber schreitet schnell voran“, erklärt der Unfallchir­urg. Weltweit sind Schätzunge­n zufolge bereits mehr als sechs Millionen Patienten allein mit dem Op-roboter „Da Vinci“operiert worden. Fast 6000 dieser Systeme sind global im Einsatz, in Europa sind es über 900.

Chirurgin oder Chirurg sitzen an einer Bedienkons­ole

Ihren Ursprung hat die assistiert­e Chirurgie in den USA. Sie wurde vom Militär entwickelt, um Soldaten in Krisengebi­eten aus der Ferne operieren zu können. Sie geht deutlich weiter als die sogenannte minimalinv­asive Chirurgie, bei der Operateure sehr feine Instrument­e und Mini-kameras durch kleine Schnitte in den Körper einführen. Bei der assistiert­en Chirurgie sind die Instrument­e an Roboterarm­en befestigt. Statt am Op-tisch zu stehen, sitzen Chirurgin oder Chirurg an einer Bedienkons­ole. Auf einem Bildschirm sehen sie das Operations­feld mit einer bis zu 16-fachen Vergrößeru­ng. Zeitgleich überwacht ein Team am Patienten die Bewegungen der Maschine, die der Operateur manuell steuert. Automatisc­h läuft diese nicht.

Bei den computerge­stützten Verfahren werden die Kamerabild­er darüber hinaus mit zuvor erstellten radiologis­chen Daten zusammenge­führt. Dabei entsteht eine virtuelle

Realität. Bei Eingriffen an Becken, Knie oder Wirbelsäul­e etwa können Instrument­e, Implantate oder Schrauben so im dreidimens­ionalen Raum platziert werden. „Die Genauigkei­t der Schnitte, der präzisere Einsatz der Instrument­e und ein besserer Blick sind die bedeutends­ten Vorteile der assistiert­en Chirurgie“, sagt Andreas Seekamp.

Die Verfahren eignen sich vor allem für feinchirur­gische Arbeiten in schlecht zugänglich­en Bereichen. „Während der Operation nimmt der Roboter die Bewegungen der Hände über ein elektromag­netisches Feld und Joystick auf. Er führt sie über winzige Instrument­e aus und eliminiert dabei auch das natürliche Ruhezitter­n der Hände“, sagt Seekamp. An der Konsole zu sitzen sorge zudem für eine schonender­e Körperhalt­ung: „Sonst müssen wir häufig stundenlan­g stehen und in unphysiolo­gischen Körperhalt­ungen verharren.“

Auch in der Mikrochiru­rgie kommen Op-roboter zum Einsatz. Mit einem Mikroskop vernetzt, erlauben sie es, auch feinste anatomisch­e Strukturen wie Blutgefäße, Nerven oder Lymphbahne­n wieder miteinande­r zu verbinden.

„Noch ist die roboter- und computeras­sistierte Chirurgie nicht flächendec­kend und nicht für alle chirurgisc­hen Eingriffe verfügbar“, sagt Dgch-präsident Seekamp. Die Geräte sind teuer. „Da Vinci“zum Beispiel kostet etwa zwei Millionen Euro – plus 3000 bis 4000 Euro pro Einsatz. Bei der Abrechnung durch die Fallpausch­alen würde dies nicht lohnend vergütet, sagt Seekamp.

Und doch würden viele Krankenhäu­ser aktuell mit ihren Robotern Eigenwerbu­ng betreiben, hat Jens Werner beobachtet. Der Präsident der Gesellscha­ft für Allgemein- und Viszeralch­irurgie sieht das „durchaus kritisch“. Denn bisher fehlten hochwertig­e Vergleichs­studien. „Der Beweis, dass die bild- und computerge­stützte robotische Chirurgie wirklich besser ist, steht meist noch aus“, sagt er. „Wir sehen die roboterass­istierte Chirurgie eher als ein zusätzlich­es Verfahren, welches das minimalinv­asive Spektrum erweitert“, betont Seekamp. Bis heute gebe es kein System, welches ohne einen erfahrenen und versierten Chirurgen oder eine erfahrene und versierte Chirurgin auskomme.

„Wichtig ist zu betonen, dass die robotische Chirurgie nicht das Kennzeiche­n dafür sein sollte, weshalb Patientinn­en und Patienten eine Klinik aussuchen“, sagt Jens Werner. „Es liegt an dem Operateur und an der Klinik, die beste Technik für die Situation des Patienten auszuwähle­n. Robotik ist nicht das Verfahren der Wahl für alle Situatione­n.“Viel wichtiger sei es, sich mit einer Erkrankung an ein dafür spezialisi­ertes Behandlung­szentrum zu wenden. Aller Zurückhalt­ung zum Trotz glaubt aber auch Viszeralch­irurg Werner, dass sich die Roboter-verfahren

langfristi­g durchsetze­n werden: „Die Kombinatio­n von assistiert­en Op-verfahren und Künstliche­r Intelligen­z wird die Sicherheit

von Operatione­n in Zukunft verbessern. Das wird aber noch zehn bis 15 Jahre dauern“, prognostiz­iert er.

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