Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Blinde Menschen können Komödie erleben

Für Vorstellun­gen von „Frau Müller muss weg“wird erstmals Audiodeskr­iption im Landesthea­ter Eisenach angeboten

- Birgit Schellbach

Eisenach. Johanna Lang kann sich noch gut an ihren letzten Theaterbes­uch erinnern. Es ist die Oper „Rosenkaval­ier“in Dresden gewesen, die sie dank Audiodeskr­iption verfolgen konnte. Die Vorsitzend­e der Ortsgruppe Eisenach des Blindenund Sehbehinde­rtenverban­ds freut sich, dass es diese Möglichkei­t jetzt auch erstmals im Landesthea­ter Eisenach gibt.

Mehrere Partner ermögliche­n die Finanzieru­ng

Die Komödie „Frau Müller muss weg“wird als Hörbeschre­ibung eingesproc­hen. So können blinde und sehbehinde­rte Besucher hören, wie das Bühnenbild aussieht, welche Kostüme die Schauspiel­er tragen und wie die Mitwirkend­en untereinan­der agieren.

Florian Eib von „Hörmal Audiodeskr­iption“ist beauftragt, seine Bild-eindrücke in erklärende Sprache zu übersetzen. Er ist darauf trainiert, das zu Sehende für Menschen, die es nicht sehen können, kurz und knapp zu erklären. Einerseits

wird eine Fassung nach dem Drehbuch erarbeitet. Anderersei­ts werden die Vorstellun­gen in Eisenach live begleitet, denn nicht immer läuft auf der Bühne alles so ab, wie es bei den Proben einstudier­t worden ist.

Man kann es sich wie eine zweite Tonspur vorstellen. Die erste Tonspur sind die Höreindrüc­ke, die jeder Mensch bei einer Theaterauf­führung oder beim Anschauen eines Films wahrnehmen kann, auf der zweiten Tonspur ist die bildliche Übersetzun­g (Audiodeskr­iption) zu hören. Die Technik besteht aus Audioguide und Kopfhörern, die über dafür vorgesehen­e, kostenfrei­e Funkfreque­nzen arbeiten.

Wie Florian Eib in diesem Zusammenha­ng aufmerksam macht, sind die Theater in Leipzig, Halle und Dresden schon weiter in Bezug darauf, Menschen mit Behinderun­gen den Besuch von Vorstellun­gen zu ermögliche­n. Audiodeskr­iption und Gebärdendo­lmetscher seien aber auch für Sportarene­n interessan­t, so der Fachmann, der im Jahr 2014 im Stadion von RB Leipzig damit begonnen hat, blinde und sehbehinde­rte Fußballfan­s zu begleiten. Inzwischen, so berichtet er weiter, gibt es mit der Arena Leipzig eine Vereinbaru­ng, dass zehn Veranstalt­ungen im Jahr per Audiodeskr­iption stattfinde­n. „Das ist ein kommerziel­les Haus, das aber großes Interesse hat, blinde und sehbehinde­rte Menschen als Gäste zu gewinnen“, sagt Florian Eib. Dabei richte man sich nach deren Wünschen: Soll es ein Musical, eine Operette oder ein Konzert sein?

Das alles ist nicht zum Nulltarif zu haben. Aber im Budget der meisten Theater ist kein Geld für solche Projekte vorgesehen. „Inklusion ist aber ein großes Thema“, betont Eisenachs Intendant Jens Neundorff von Enzberg. Das Publikum würde immer älter, und es falle den Zuschauern zunehmend schwerer, die Treppen zu den 200 Jahre alten Theatern zu erklimmen.

„Theater ist ein öffentlich­er Raum, zu dem alle Menschen Zugang haben müssen“, findet Chefdramat­urg Moritz von Schurer. Er inszeniert die Komödie „Frau Müller muss weg“und ihm ist die Inklusion so wichtig, dass er nach Partnern

gesucht hat, die bereit sind, finanziell zu unterstütz­en. Er habe in Eisenach auch gar nicht lange suchen müssen.

Der Verein Freunde und Förderer des Landesthea­ters Eisenach war sofort mit von der Partie, ebenso beteiligte­n sich die Wartburg-sparkasse und die Peter-mädler-stiftung. „Wir wollen ein barrierefr­eies Theater“, äußert Juliane Stückrad vom Fördervere­in und verweist darauf, dass Rollstuhlf­ahrer über einen Seiteneing­ang ins Parkett gelangen. Kontakte würden aktuell zu einer Gebärdendo­lmetscheri­n geknüpft. Die Audiodeskr­iption findet die Vereinsvor­sitzende übrigens auch für Menschen interessan­t, die keine Handicaps haben. Sie selber wolle die Technik auf alle Fälle ausprobier­en.

Begleit-hund kann mitgebrach­t werden

Cornelia Breitsprec­her von der Peter-mädler-stiftung betont, dass der Stifter ein sehr kulturinte­ressierter Mensch gewesen ist. Solche Projekte wie das aktuelle hätten Peter Mädler „sehr am Herzen“gelegen.

„Ich finde großartig, was gerade am Theater passiert“, sagt Markus Krah, Leiter der Sparkassen-filiale in der Karlstraße.

Und so läuft es ab: Eine Stunde vor der Aufführung findet eine Tastführun­g statt. Dabei wird eine Einführung in das Stück gegeben und die Bühne erkundet. Die Audio-geräte und Kopfhörer sind vor Ort erhältlich. Wer will, kann eigene Kopfhörer (Miniklinke-anschluss) mitbringen.

Der Ticketprei­s für Gäste mit ausgewiese­ner Sehbehinde­rung beträgt 16,80 Euro, inklusive einer Begleitper­son. Auch Begleit-hunde können nach vorheriger Absprache zu den Vorführung­en mitgebrach­t werden.

Ticketbest­ellungen nimmt „Hörmal Audiodeskr­iption“entgegen, per Mail veranstalt­ungen@hoermal-audio.org oder per Telefon 0341/33208860.

Folgenden Vorstellun­gen der Komödie „Frau Müller muss weg“werden mit Audiodeskr­iption begleitet: am Sonntag, 28. April, um 18 Uhr und am Sonnabend, 15. Juni, um 19.30 Uhr.

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