Die Honigfrauen vom Balaton
Ein ZDF-Dreiteiler erzählt von einer Familie aus Erfurt, die 1986 in Ungarn Urlaub machte, und von den Gefahren, die sich damals aus Ost-West-Begegnungen ergaben
Fonyod. Auf dem CampingPlatz „Napsugar“(Sonnenschein) am ungarischen Plattensee herrscht ungetrübtes Sommertreiben. Badende planschen im Wasser von Europas größtem Binnensee, dem Balaton. Doch die braunen, grauen und grünen Zelte Marke VEB Pouch und die zitronengelben Sonnenschirme wirken retro-mäßig. Und dann erst die Trabants und Wartburgs mit den merkwürdigen Kennzeichen, die da auf den Wiesen zwischen den Zelten parken.
Ist der Plattensee in ein Zeitloch gefallen? Mitnichten. Eine Ecke von „Napsugar“ist FilmSet für die Dreharbeiten zum ZDF-Dreiteiler „Honigfrauen“. Das Sommermärchen der Fami- lie Streesemann aus Erfurt spielt im Jahr 1986. „Napsugar“war wie viele andere Campingplätze am Balaton beliebtes Reiseziel für DDR-Bürger. Die Schwestern Maja (Sonja Gerhardt) und Catrin (Cornelia Gröschel), beide Anfang 20, trampen zum Balaton. Rund 700 000 DDR-Bürger urlaubten damals im sozialistischen Bruderland Ungarn. Sie genossen die lockere Atmosphäre des ungarischen Gulaschkommunismus. Vor allem Maja ist auf Abenteuer aus, auch amouröse. Catrin rutscht in die Rolle der Aufpasserin.
Der Plattensee war auch deshalb beliebt, weil rund 800 000 Deutsche aus Westdeutschland dort Urlaub machten. Dabei entstanden auch Ost-West-Liebschaften. Die Drehbuch-Auto- rin Natalie Scharf erinnert sich an ihre Jugend in der BRD: „Jungs aus meiner Clique fuhren im Sommer oft zum Plattensee. Die Mädels aus Gera, aus Jena seien ja so viel netter, sagten sie.“Sie hätten sie „Honigfrauen“genannt, weil sie „so süß“gewesen seien – daher der Filmtitel.
Maja begegnet in dieser aufregenden Urlaubswelt zum ersten Mal Westlern. „Sie sieht, wie sie angezogen sind, wie sie sich geben, und wäre auch gerne so wie sie“, so Sonja Gerhardt, ihre Darstellerin. Die Schauspielerin, geboren im Mauerfall-Jahr 1989 in Berlin, hat bereits in der Serie „Deutschland 83“die Rolle der Annett Schneider gespielt.
Für die besorgten Eltern in Erfurt ist das Urlaubsmekka Ungarn aber auch eine Welt der Gefahren: Mit Metallzäunen, Stolperdrähten, Wachtürmen und Grenzsoldaten mit Schießbefehl hinderte Ungarn damals vor allem Ostdeutsche daran, sich nach Österreich abzusetzen.
Beim Fluchtversuch Ertappte wurden von den ungarischen Behörden verhaftet, in die DDR zurückgebracht und kamen dort meist ins Gefängnis. Die Eltern Karl (Götz Schubert) und Kirsten (Anja Kling) empfinden bei der Reise ihrer Töchter deshalb großes Unbehagen. Schließlich fahren sie ihnen im Trabant nach. Da haben aber die Ver- wicklungen schon ihren Lauf genommen: Maja hat einen Liebhaber gefunden, den ungarischen Hotel-Manager Tamas (Stipe Erceg). Er führt eine Luxus-Bleibe in der Nähe, die für West-Touristen vorgesehen ist. Maja verbringt just die Nacht bei ihm, in der ein DDR-Urlauber vom „Napsugar“-Campingplatz beim Fluchtversuch nach Österreich erschossen wird. Catrin wiederum verliebt sich in den Landsmann Rudi (Franz Dinda), der Stasi-Agent ist. . .
„Trotzdem ist der Film nicht düster, nicht in Grautönen gehalten“, so Drehbuchautorin Scharf. „Er handelt von den Träumen der Figuren. Es ist ein spannender Stoff.“„Honigfrauen“soll nächstes Jahr ins Fernsehen kommen.
Metallzäune und Soldaten gegen Fluchtversuche