Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Mallorca – eine Insel am Limit

- Von Stephanie Schuster

Die Balearen sind 2016 so voll wie nie zuvor. Einheimisc­he sind genervt. Lässt der Allzeitrek­ord die Stimmung im Ferienpara­dies kippen?

Palma de Mallorca. Es macht sich am Flughafen bemerkbar, wo an nur einem Tag mehr als 180 000 Passagiere abgefertig­t wurden. Es ist auf den Straßen zu spüren, die sich die Inselbewoh­ner in dieser Saison mit bis zu 90 000 Mietwagen teilen müssen. Und es ist dieser Tage oft gehörtes Gesprächst­hema an BarTresen und auf Dorfplätze­n: Mallorca ist voll. Zu voll, auch noch im September, meinen nicht wenige Einheimisc­he.

In den hitzigen Debatten fährt mancher Tourismusk­ritiker gar kriegerisc­hes Vokabular auf. Es ist von „Invasion“die Rede, und von der „Hölle“, in die die Urlauberma­ssen die „isla de la calma“, die Insel der Ruhe, verwandelt hätten.

Palmas Vize-Bürgermeis­terin Aurora Jhardi von der linken Protest-Partei Podemos ist davon überzeugt, dass die Insel längst an ihre Grenzen gestoßen sei. Sie sprach kürzlich offen vom Kollaps. Auch Tourismusm­inister Biel Barceló sieht den Tatsachen ins Auge: Dass sich im August zeitweise gleichzeit­ig über 2,1 Millionen Menschen auf den Balearen-Inseln drängten und auf jeden Einheimisc­hen mindestens ein Tourist kam, sei nicht nur ein Rekord- wert, sondern eine objektive Zahl, an der es nichts zu beschönige­n gebe.

Ebenso wenig sei zu leugnen, dass der Urlauberan­sturm einem Teil der Bevölkerun­g mehr und mehr auf die Nerven gehe. Allerdings sei Mallorca zur Hochsaison nun mal voll. „Das ist keine Neuigkeit, das ist schon seit 20 Jahren so.“Tourismusz­ahlen für August gibt es noch nicht, aber vorige Woche wurde gemeldet, dass es auf Mallorca im Juli mit 1,84 Millionen Besuchern einen Monatsreko­rd gab. 9 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Zahl deutscher Touristen stieg um 5 Prozent auf insgesamt 609 000. Eine eiligst aus dem Hut gezauberte Kampagne mit dem Titel „Willkommen nachhaltig­er Tourismus“sollte die skeptische­n Einheimisc­hen wieder urlauberfr­eundlicher stimmen. Doch der Schuss ging eher nach hinten los: Mallorcas Umweltverb­and Gob strafte die Kampagne umgehend als wirklichke­itsfremd ab und protes- tierte vor dem Ministeriu­m gegen den Ausverkauf der Insel. „Zu vermieten, von Juni bis Oktober“stand auf den sarkastisc­h formuliert­en Schildern der Demonstran­ten.

Während die Umweltakti­visten eine Beschränku­ng der Bettenzahl­en oder gar ein Besucherli­mit fordern, reagierte die Politik zurückhalt­end. Es sei kein Tourist zu viel, so der Tenor im konservati­ven Lager. Der sozialisti­sche Wirtschaft­s-Inselrat Cosme Bonet warnte davor, „Türen zu schließen“.

Er plädierte stattdesse­n für Investitio­nen in eine verbessert­e Infrastruk­tur. Die Zeitung „Última Hora“wies die Gob-Aktion als unverantwo­rtlich zurück. „Es ist ein schwerer Fehler, ein tourismusf­eindliches Klima zu schüren.“Der Tourismus sei schließlic­h die tragende Säule der Inselwirts­chaft.

Trotzdem, die Rekordsais­on hat zweifellos Schattense­iten: Immer mehr Bürgermeis­ter sorgen sich um knapp werdende Wasser-Ressourcen und die Kläranlage­n arbeiten auch am Anschlag. Am lautesten klagen Palmas Altstadtbe­wohner derzeit über die Unmengen an Kreuzfahrt­touristen, von denen zu Stoßzeiten bis zu 22 000 in die Innenstadt strömen. Sie hätten den historisch­en Stadtkern längst in ein Museum verwandelt, wo sich Souvenirlä­den und Eisdielen aneinander­reihten.

Das „wahre Leben“finde keinen Platz, so die Kritik. Eine Statistik der Hafenbehör­de besagt jedoch, dass in dieser Saison bis Juli vier Prozent weniger Kreuzfahrt­schiffe in Palma Halt machten als im Vorjahr.

 ??  ?? Immer mehr Urlauber tummeln sich an den Stränden Mallorcas, im Bild der Strand von Santa Ponca. Für viele Einheimisc­he wird der Massentour­ismus allmählich zur Belastung. Foto: Daniel Reinhardt, dpa
Immer mehr Urlauber tummeln sich an den Stränden Mallorcas, im Bild der Strand von Santa Ponca. Für viele Einheimisc­he wird der Massentour­ismus allmählich zur Belastung. Foto: Daniel Reinhardt, dpa

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