Goethe und der Schweinskram
schreibt einem Koch, der es ziemlich wild mag
Lieber Hans C. Marcher, Zeitungen sagt man nach, sie würden jeden Tag eine andere Sau durchs
Dorf jagen. Heute hetzen wir wirklich eine Sau. Eine Wildsau.
„Sauhatz“– so heißt ein Gemälde aus dem Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg. Ab sofort wird es dauerhaft auf der Heldburg ausgestellt. Womit wir schon bei Ihnen wären, verehrter Herr Marcher.
Um Sie ist es nicht anders bestellt als um dieses Bild. Auch Sie stammen aus Bayern. Auch Sie entdeckten Thüringen als Wahlheimat für sich.
Die Heldburg, also. Hier eröffnet morgen das Deutsche Burgenmuseum. Es soll uns nicht nur entführen in die Zeit der Ritter und Burgfrolleins.
Das Museum will zugleich aufräumen mit Mythen, die wir angeblich im Kopfe haben.
Ein klein wenig zeigt sich das auch bei der „Sauhatz“. Es ist nicht erwartungsgemäß die Wildsau, die auf dem Gemälde blutet. Sondern ein Jagdhund. Aber man weiß ja, wie solche Jagden immer enden.
Die Sau landet als Bratwurst auf dem Rost. So, wie etwa letzten Samstag. Da feierte Bad Berka das Jägerfest. Es gab nicht nur Posaunen aufs Ohr und Hirschgulasch auf den Teller – sondern dank Ihnen auch Wildbratwurst im Brötchen.
Bis Sie wieder wilde Würste auf den Rost legen, müssen wir uns noch etwas gedulden. In der Zwischenzeit könnten wir gemeinsam singen, etwa: „Uns ist ganz kannibalisch wohl, als wie fünfhundert Säuen!“
Das ist kein Schweinskram. Das ist Goethe, das ist Weltliteratur.