Brauereibesitzer mit sozialem Gespür
Die Brauerei August Deinhardt trug zur Blütezeit des Ortes im 19. Jahrhundert bei
Eigentlich gab es in Vieselbach alles, was auch eine Stadt auszeichnet. Einen Bahnhof, ein Rathaus, einen Park, Gaststätten, ein Kino,... Zu verdanken war diese umfangreiche Infrastruktur den großen Industriebetrieben, die im Ort für Arbeit sorgten. Es gab die große Handelsgärtnerei von Bernhard Wallroth, die Pumpenfabrik von Heinrich Sorge, Maschinenbaubetriebe, viele Handwerksunternehmen – und die Brauerei von August Deinhardt.
In den einstigen Parkanlagen zwischen Amtsgericht und Mühlplatz errichtete dieser 1866 ein Brauereigebäude. August war einer von fünf Brüdern einer alteingesessenen bayerischen Brauereifamilie, die sich fast zeitgleich aus dem Elternhaus verabschiedeten und in Vieselbach, Weimar, Mellingen, Wickerstedt und Heressen ihr Glück versuchten. Die Brauerei von August Deinhardt ging 1867 in Betrieb. Zu ihr gehörten neben dem Brauereigebäude auch Abfüll- und Wohngebäude, ein Eiskeller und eine Parkanlage mit zwei Teichen, die heute noch hinter dem ehemaligen Freibad erkennbar sind.
Für das Bier selbst wurden mehrere Brunnen gebohrt. Sie wurden noch nach der Wende genutzt. Manfred Langguth, der erste frei gewählte Bürgermeister nach der Wende, kann sich noch daran erinnern, dass mit dem Brunnenwasser damals das Freibad gefüllt wurde, um der Gemeinde Geld zu sparen.
Das Geschäft mit dem Bier lief bereits vier Jahre nach der Grün- dung so gut, dass man es sich leisten konnte, die Konkurrenz im benachbarten Hochstedt aufzukaufen (und abzureißen). Zur selben Zeit bauten sich die Deinhardts eine prachtvolle Villa im Stil der Neorenaissance – mit Bleiglasfenstern, mit Stuck verzierten Decken und einem Attikageschoss. Ihr bis dahin genutztes Wohnhaus (das heutige Pfarrhaus) ließen sie zu einem „Altenheim“umbauen – das nicht nur für die älteren Beschäftigten der Brauerei gedacht war. Der Schriftzug „Altenheim“befindet sich heute noch über dem Eingang zum Pfarrhaus.
Die Weltwirtschaftskrise hinterließ auch in Vieselbach ihre Spuren. 1927 wurde die Vieselbacher Brauerei nach Erbauseinandersetzungen von der Weimarer Deinhardt-Brauerei käuflich erworben. Bereits 1875 hat Ludwig Deinhardt die Weimarer Stadtbrauerei übernommen und zu einem florierenden Unternehmen gemacht.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Brauerei endgültig stillgelegt – nachdem die Eiskeller während des Zweiten Weltkriegs von den Vieselbachern bei Fliegeralarm als Schutzräume genutzt wurden. Zeitweilig wurde ab 1949 in den Räumen der Brauerei versucht, mit der „Arco-Würze“die „Maggi-Würze“zu kopieren, später war es die GST , die hier eine Sektion Motorrad unterbrachte.
In den 1970er Jahren wurden die Gebäude dann in kommunales Eigentum überführt und zu Wohnzwecken umgebaut. Die Wohnnutzung währte bis zur Gebietsreform 1994. Nach der Übernahme durch die Kowo wurden die Gebäude leergezogen.
Zuerst wurden der Eiskeller nebst dem darüber erbauten Gebäude verkauft, vor einem Jahr wurde auch die Villa nebst den restlichen Nebengebäuden versteigert. Der Keller und die Villa stehen unter Denkmalschutz. Bereits vor dem Verkauf deutete sich in den Kellern an, dass diese dringend saniert werden müs- sen. Im hinteren Bereich waren durch Wassereinbrüche Teile der Kellerwände eingestürzt.
Heute erinnern in Vieselbach an die Brautradition nur noch der August-Deinhardt-Weg und die Brauhausstraße... und ab und zu eine alte Flasche auf dem Erfurter Flohmarkt.