Monster in Mittelerde
Falls man den Ausführungen der hiesigen Linksvorsteherin richtig folgt, befindet sich Thüringen im Epizentrum einer gewaltigen, global geführten Schlacht. „Die neoliberalen Kräfte sind offenbar ins Stocken geraten, aber noch nicht geschlagen“, analysierte Susanne Hennig-Wellsow auf dem Landesparteitag am Wochenende die aktuelle Gefechtslage.
„Rechte, autoritäre und nationalistische Kräfte sind auf dem Vormarsch“, „politische Monster“. Dem widersetzten sich der „Pol der Solidarität“und der „emanzipatorischen Linken“, also auch die Genossen aus dem Freistaat. „Wir“, rief sie, „sind Teil einer weltweiten Bewegung gegen den Rechtsruck.“
Auch wenn wir nicht wissen, ob Hennig-Wellsow ihren Tolkien gelesen hat: Es war, als ziehe die vereinigte und elbengleiche Linke direkt aus dem Kulturhaus von Bad Langensalza gen Mordor, zum finalen Kampf gegen Sauron Trump, Saruman Ban- non und seine fiesen Hilfsorks Marine, Björn und Geert.
Schon in Mittelerde war das Siegen nicht so einfach. Und die Verhältnisse auf der realen Erde sind mindestens genauso kompliziert. Im auenländlichen Thüringen lauern neuerdings sogar renitente Landratshobbits im Gebüsch.
Überhaupt ist der aktuelle Zustand der Linken suboptimal – global, national und regional. Fidel ist tot und Venezuela ein failed State. Bernie Sanders hat es nicht einmal in die richtigen Wahlen geschafft und in Frankreich tritt der angeblich sozialistische Präsident lieber gar nicht erst an. Auch mit Podemos in Spanien klappt es nicht. Und Griechenland . . . ? Eben.
In Deutschland erfreut sich zwar die SPD an einem gewissen Lauf, aber aus rot-rot-grüner Perspektive funktioniert dies noch wie ein Nullsummenspiel – da im Gegenzug die sozialdemokratischen Ausgründungen verlie- ren. In den Umfragen liegen Linke und Grüne jeweils nur noch bei sieben oder bestenfalls acht Prozent, während ihr Führungspersonal wahlweise ratlos oder zerstritten oder beides erscheint.
In Thüringen kann die linke Landespartei froh sein, wenn sie ab September mit drei statt fünf Abgeordne- ten im Bundestag sitzt. Gut möglich, dass ihr dank der selbst organisierten Gebietsreform bei den Kommunalwahlen im nächsten Jahr die verbliebenen zwei Landrätinnen abhanden kommen. Und 2019, bei der Landtagswahl, ist eine rot-rot-grüne Mehrheit nicht einmal annähernd sicher. Im Gegenteil. Aus jetziger Sicht spricht viel dafür, dass die AfD kenianische Verhältnisse erzwingen wird.
Aber es ist ja noch etwas Zeit, genauer: Es ist Halbzeit. Fast zweieinhalb Jahre sind seit der letzten Landtagswahl vergangen – und noch etwas mehr als zweieinhalb Regierungsjahre liegen vor der einzigen linksgeführten Koalition Deutschlands.
Das Wünsch-dir-was-Szenario von Rot-Rot-Grün ist einfach. Erstens: Die Augen-zu-und-durch-Linie bei der Gebietsreform, die der Innenminister und einige andere Superstrategen der Koalition aufgenötigt haben, funktioniert tatsächlich. Die Kommunalwah- len finden in den neuen Landkreisen und Gemeinden statt, der Rest wird mit viel Geld geregelt.
Damit sind wir schon bei zweitens: Es gibt noch viel mehr Geld, und zwar für alles und jeden, schön nach Rot, Rot und Grün quotiert. Die unfassbare Chance, als erste thüringische Landesregierung eine Milliarde Euro verschenken zu können, wird mit Lust ergriffen – zumal sie wohl nie wiederkommen wird. (Selbst wenn das nichts bringt, so gilt das Motto: Bloß nichts für die CDU übrig lassen.)
Drittens: Die neue Beziehung zwischen der SPD, Martin Schulz und dem Wähler hält bis nach der Bundestagswahl. Dazu fasst sich auch noch der Andreas Bausewein sein Hasenherz und wird Spitzenkandidat, derweil die AfD-Blase mangels neuer Neubürger implodiert.
Aber es kann natürlich, das wissen die Oberlinken nur zu gut, völlig anders kommen. Und wir, die wir dane- ben stehen, wissen es erst recht nicht. An genau dieser Stelle wurde kürzlich noch die Bundestagskandidatur von Björn Höcke und der Niedergang der SPD vorhergesagt . . . Wie peinlich.
In Zeiten, in denen die nächste Krise nur einen Trumptweet entfernt ist, und das Abendland mit einer Geschwindigkeit untergeht, als ob es kein Morgen gäbe, sollte man eben keinerlei Prognosen abgeben. Schon gar nicht lässt sich sagen, wer in der weltweiten, in Bad Langensalza ausgerufenen Schlacht siegen wird.
Was bleibt, ist die Besinnung auf das Wesentliche. Sie wisse noch nicht, sprach etwa Susanne Hennig-Wellsow auf dem Parteitag, ob sie das Bergfest von Rot-Rot-Grün feiern werde. „Aber Alkohol ist immer gut.“
Gewiss, gewiss, diese Feststellung ist weder pädagogisch wertvoll noch dient sie dem Gesundheitswesen. Doch wenigstens auf sie sollte man sich mehrheitlich einigen können.