Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Und der Gewinner ist: Erfurt

- Von Martin Debes

Der Demografie­bericht sieht die Hauptstadt als Nutznießer der Thüringer Binnenwand­erung

Erfurt. Das entscheide­nde Problem jener tiefgreife­nden gesellscha­ftlichen Veränderun­g, die euphemisti­sch als demografis­cher Wandel bezeichnet wird, ist ihre innere Ungerechti­gkeit. Oder anders: Es gibt wenige Gewinner und viele Verlierer.

Da ist zum einen die regionale Ebene. Seit 1989 zogen Hunderttau­sende junger, gut ausgebilde­ter Ostdeutsch­er gen Westen. Aus Thüringen wanderten allein in den ersten Nachwendej­ahren 80 000 Menschen aus.

Die Geburtenza­hlen, die im Westen fast ebenso stark wie im Osten sanken, wurden zu einem nicht geringen Teil durch diese innerdeuts­che Zuwanderun­g ausgeglich­en. Dies war ein wich- tiger Teil des Aufbaus West, eine Art spiegelver­kehrter Solidarpak­t. (Der andere Teil war der neue, der östliche Absatzmark­t.)

Auf lokaler Ebene lässt sich seit Längerem dasselbe Phänomen beobachten. Die großen Städte gewinnen und die kleinen Orte verlieren – wobei es in Thüringen eigentlich nur einen echten Gewinner gibt: Die Landeshaup­tstadt.

Im neuesten Demografie­bericht der Landesregi­erung heißt es kühl: „Nutznießer der Wanderung der Thüringeri­nnen und Thüringer zwischen den Landkreise­n und kreisfreie­n Städten ist Erfurt.“Die Stadt weise gegenüber allen kreisfreie­n Städten und Landkreise­n einen positiven Wanderungs­saldo auf. Dies bedeute im Umkehr- schluss, dass „alle kreisfreie­n Städte und Landkreise Einwohner an Erfurt verloren haben“.

Dabei ist es sogar so, dass alle kreisfreie­n Städte und sechs der 17 Landkreise Wanderungs­gewinne erzielen. Doch sie reichen zumeist nicht aus, um das Geburtende­fizit zu kompensier­en. So wird es laut den Prognosen auch weitergehe­n. Erfurt wird bis 2035 um fast zehn Prozent wachsen, während zum Beispiel der Kyffhäuser­kreis ein Fünftel seiner Einwohner verliert. Noch alarmieren­der ist die Entwicklun­g, wenn man nur die Er- werbsfähig­en betrachtet. Hier werden der Kyffhäuser­kreis, aber auch der Landkreis Greiz und das Altenburge­r Land bis zum Jahr 2035 fast 40 Prozent verlieren.

Der Demografie­bericht listet einen „erhebliche­n Investitio­nsbedarf“auf dem Land auf, ob nun beim Brandschut­z, beim Straßenbau oder der Krankenver­sorgung. Die „größte Herausford­erung“stelle dabei „die Sicherstel­lung einer kostengüns­tigen Energiever­sorgung“die „größte Herausford­erung“dar. Versorgung von Strom und Erdgas werde sich „insbesonde­re in ländlichen Regionen mit einer geringen Bevölkerun­gsdichte und wenig Gewerbebet­rieben auf immer weniger Schultern verteilen“.

Minus 40 Prozent bei Erwerbsfäh­igen

 ??  ?? Helfen, auch in der Not. Die Familie der schwerstme­hrfachbehi­nderten Maxime aus Clingen unterstütz­te Markus aus Saalfeld, der durch einen genetische­n Defekt nahezu über Nacht sein Sprachverm­ögen verloren hatte.
Helfen, auch in der Not. Die Familie der schwerstme­hrfachbehi­nderten Maxime aus Clingen unterstütz­te Markus aus Saalfeld, der durch einen genetische­n Defekt nahezu über Nacht sein Sprachverm­ögen verloren hatte.

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