Und der Gewinner ist: Erfurt
Der Demografiebericht sieht die Hauptstadt als Nutznießer der Thüringer Binnenwanderung
Erfurt. Das entscheidende Problem jener tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderung, die euphemistisch als demografischer Wandel bezeichnet wird, ist ihre innere Ungerechtigkeit. Oder anders: Es gibt wenige Gewinner und viele Verlierer.
Da ist zum einen die regionale Ebene. Seit 1989 zogen Hunderttausende junger, gut ausgebildeter Ostdeutscher gen Westen. Aus Thüringen wanderten allein in den ersten Nachwendejahren 80 000 Menschen aus.
Die Geburtenzahlen, die im Westen fast ebenso stark wie im Osten sanken, wurden zu einem nicht geringen Teil durch diese innerdeutsche Zuwanderung ausgeglichen. Dies war ein wich- tiger Teil des Aufbaus West, eine Art spiegelverkehrter Solidarpakt. (Der andere Teil war der neue, der östliche Absatzmarkt.)
Auf lokaler Ebene lässt sich seit Längerem dasselbe Phänomen beobachten. Die großen Städte gewinnen und die kleinen Orte verlieren – wobei es in Thüringen eigentlich nur einen echten Gewinner gibt: Die Landeshauptstadt.
Im neuesten Demografiebericht der Landesregierung heißt es kühl: „Nutznießer der Wanderung der Thüringerinnen und Thüringer zwischen den Landkreisen und kreisfreien Städten ist Erfurt.“Die Stadt weise gegenüber allen kreisfreien Städten und Landkreisen einen positiven Wanderungssaldo auf. Dies bedeute im Umkehr- schluss, dass „alle kreisfreien Städte und Landkreise Einwohner an Erfurt verloren haben“.
Dabei ist es sogar so, dass alle kreisfreien Städte und sechs der 17 Landkreise Wanderungsgewinne erzielen. Doch sie reichen zumeist nicht aus, um das Geburtendefizit zu kompensieren. So wird es laut den Prognosen auch weitergehen. Erfurt wird bis 2035 um fast zehn Prozent wachsen, während zum Beispiel der Kyffhäuserkreis ein Fünftel seiner Einwohner verliert. Noch alarmierender ist die Entwicklung, wenn man nur die Er- werbsfähigen betrachtet. Hier werden der Kyffhäuserkreis, aber auch der Landkreis Greiz und das Altenburger Land bis zum Jahr 2035 fast 40 Prozent verlieren.
Der Demografiebericht listet einen „erheblichen Investitionsbedarf“auf dem Land auf, ob nun beim Brandschutz, beim Straßenbau oder der Krankenversorgung. Die „größte Herausforderung“stelle dabei „die Sicherstellung einer kostengünstigen Energieversorgung“die „größte Herausforderung“dar. Versorgung von Strom und Erdgas werde sich „insbesondere in ländlichen Regionen mit einer geringen Bevölkerungsdichte und wenig Gewerbebetrieben auf immer weniger Schultern verteilen“.
Minus 40 Prozent bei Erwerbsfähigen