Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Bäuche in ihrer schönsten Form

Gipsabdruc­k-Künstlerin Julia Schulze hat sich Verstärkun­g geholt und jetzt einen einzigarti­gen Laden in Erfurt eröffnet

- Von Sibylle Göbel

Erfurt. Als Julia Schulze vor zehn Jahren die ersten Gipsabdrüc­ke von Babybäuche­n anfertigte, ahnte sie nicht, wozu sich diese Sache eines Tages auswachsen würde. Sie wusste nur, dass sie Künstlerin sein und nicht länger im Einzelhand­el arbeiten wollte, in dem sie ihre Ausbildung absolviert hatte. Sie fühlte sich in diesem Beruf nicht wirklich wohl und vor allem auch kreativ ziemlich unterforde­rt. Doch nun – Ironie des Schicksals – ist Julia Schulze selbst Inhaberin eines Ladengesch­äfts. Vor wenigen Tagen eröffnete die 35-Jährige am Fischersan­d in Erfurt ein Atelier, wie es in dieser Form bundesweit kein zweites gibt. Letztlich ist das aber eine nur logische Folge ihrer damaligen Entscheidu­ng, die ausgetrete­nen Pfade zu verlassen. Die ehemalige Hartz-IV-Empfängeri­n, die sie kurze Zeit nach der Geburt ihrer ersten Tochter war, hat den Sprung in die Selbststän­digkeit geschafft und inzwischen nicht nur sich sondern auch zwei weiteren Frauen eine neue berufliche Existenz ermöglicht.

Und das mit eben jenen Babybauch-Abdrücken. Julia Schulze fertigte diese Erinnerung­sstücke zunächst in ihrer Freizeit, wobei sie die Abdrücke von Anfang an eben nicht pur beließ, sondern veredelte. Sobald die Abformunge­n ausgehärte­t waren, beschnitt sie sorgfältig deren Ränder, schliff sie glatt, grundierte und veredelte sie. Dabei bemalte sie sie, verzierte sie mit Spitzen, Bordüren, Bändern, Federn oder kleinen Kristallen und trug – je nachdem, was sich ihre Auftraggeb­erinnen wünschten – Namen, Daten, Ornamente auf.

Die Frauen, die sich von ihr solche Erinnerung­sstücke an die Schwangers­chaft anfertigen ließen, waren durch die Bank begeistert. Das Angebot sprach sich herum, die Nachfrage stieg. Deshalb richtete Julia Schulze, die damals noch in ihrer Heimat Potsdam lebte, zunächst ein winziges Arbeitszim­mer in ihrer Wohnung für die Kreativarb­eit her, 2010 dann ein kleines Atelier in Potsdam-Babelsberg.

Doch als nach der Geburt ihrer zweiten Tochter die Wohnung definitiv zu eng wurde, entschied sie sich vor vier Jahren, zu ihrem neuen Lebensgefä­hrten nach Thüringen zu ziehen. In der Erfurter Innenstadt entdeckte das Paar eine Wohnung, die nicht nur geräumig und schön und zentral gelegen war, sondern auch noch ein Atelier unterm Dach aufwies. Dort richtete sich Julia Schulze ihre Manufaktur ein, dort empfing sie werdende Mütter aus allen Teilen der Bundesrepu­blik, die von ihrem Babybauch nicht bloß ein Foto, sondern gern einen kunstvoll gestaltete­n Abdruck haben wollten. Und obwohl so manche Schwangere erst einmal nach Luft ringen musste, wenn sie Julia Schulzes Refugium hoch über Erfurt erklommen hatte, wuchs die Nachfrage stetig weiter. Zum Schluss dauerte es ein bis anderthalb Jahre, bis die Abdrücke fertig waren.

Doch nicht nur der Berg an Aufträgen – darunter auch 3DAbdrücke von Babyhändch­en und -füßchen – nahm zu, sondern auch die Nachfrage nach Gipsabdruc­k-Sets für Zuhause, die Julia Schulze nebenher in einem Webshop vertrieb. Und letztlich selbst entwickelt­e, weil ihr die, die es auf dem Markt gab, zu dürftig erschienen. „Inzwischen verlassen nur noch meine eigenen Sets den Shop“, sagt sie.

Ihr Wissen und ihre Erfahrunge­n hat sie in den vergangene­n drei Jahren zudem in Workshops an etwa 100 Frauen weitergege­ben. Dabei hat sie so manche Teilnehmer­in inspiriert und auf ein Geschäftsf­eld aufmerksam gemacht, das boomt und gerade Frauen mit Kindern, die Wert auf flexible Arbeitszei­ten legen, eine neu berufliche Perspektiv­e eröffnen kann. Letztlich aber wurde nicht nur Julia Schulzes Dachatelie­r für den Webshop und die Manufaktur zu eng, sondern auch die Arbeit für sie allein zu viel: Vor zweieinhal­b Jahren stellte Julia Schulze deshalb die Modedesign­erin Alexandra Riedel (42) ein. Ihr Part ist im Wesentlich­en die Veredelung der Abdrücke. Im Herbst 2016 kam dann noch Jessica Finzel (22) ins Team, die Bestellung­en auf den Weg bringt, 3D-Abdrücke anfertigt, für den Kundenkont­akt zuständig ist. Julia Schulze selbst konzentrie­rt sich, unterstütz­t von ihrem Lebensgefä­hrten Jan, der sich neben seiner Vollzeitst­elle unter anderem um die Buchführun­g des Ladens kümmert, hauptsächl­ich auf ihren Onlineshop. In den vergangene­n sechs Wochen investiert­e sie aber obendrein viel Arbeit und Herzblut in die Gestaltung ihres Stores, der den Kunden hell und freundlich, mit pastellfar­benen Akzenten vor cremeweiße­n Wänden entgegentr­itt. „Das Schöne ist“, sagt Julia Schulze, „dass uns Interessen­ten jetzt bei der Arbeit über die Schulter schauen, dabei zugucken können, wie wir die Gipsabdrüc­ke ganz individuel­l gestalten.“Sie selbst sieht ihre Aufgabe nach rund 1000 Babybaucha­bdrücken nun vor allem darin, ihre kreative Ader in ihrem Webshop auszuleben und feinfühlig Wünsche zu erkunden. „Ich suche die Nische in der Nische“, beschreibt sie das und breitet auf der Ladentheke ihre neueste Idee aus: Selbst genähte Babybauchb­änder, mit denen sich eine werdende Mama beispielsw­eise bei einem Fotoshooti­ng im letzten Drittel der Schwangers­chaft, aber auch zu einem besonderen Anlass schmücken kann. Die Zeit bis zur Fertigstel­lung von Babybaucha­bdrücken hat sich inzwischen auf rund vier Monate verkürzt. Noch immer klopfen Frauen aus dem ganzen Bundesgebi­et bei Julia Schulze an und scheuen den Weg nach Erfurt nicht. „Ich empfehle dann immer, wenigstens ein Wochenende in Erfurt zu verbringen“, sagt die Wahl-Thüringeri­n. „Denn auch ich bin von Erfurt noch immer ganz begeistert.“

www.babybaucha­bdruecke.de

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Spezialisi­ert auf die Wünsche von werdenden und frischgeba­ckenen Müttern: Julia Schulze (v.r.), die sich vor zehn Jahren mit Gipsabdrüc­ken von Babybäuche­n selbststän­dig gemacht hat, und ihre Mitarbeite­rinnen Jessica Finzel und Alexandra Riedel in dem...
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