Thüringer Allgemeine (Erfurt)

„Sich zu haben, ist viel im Leben“

Gedanken von Matthias Rein. Ausstellun­g läuft nur noch wenige Tage

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Erfurt. Nur noch bis zu diesem Sonntag (23. April) zeigt die Erfurter Kunsthalle am Fischmarkt unter dem Titel „Exodus“Fotografie­n von Sebastião Salgado. Was denken Erfurter über einzelne Fotos? Der heutige Beitrag stammt von Matthias Rein, Senior des Evangelisc­hen Kirchenkre­ises Erfurt:

„Zwei Mädchen schauen mich an. Ernst, zurückhalt­end, freundlich. Das ältere Mädchen hat kurzgescho­rene Haare. Eine Hygienemaß­nahme im Flüchtling­slager? Wann haben sie sich zuletzt waschen können? Wie lange tragen sie ihre Kleider schon? Haben sie Hunger?

Die beiden haben sich. Das ist viel im Leben auf der Flucht. Sie können sich wärmen, sich beschützen, miteinande­r lachen und weinen. Meine Mutter war 11 Jahre alt, als sie im Januar 1945 bei klirrender Kälte auf einen Leiterwage­n stieg. Zusammen mit drei Schwestern. 13 Wochen Flucht lagen vor ihr: Kälte, Hunger, Dreck, Angst, Tod. Diese Erfahrung ist im Gedächtnis der Familie abgespeich­ert. Sie wirkt bis heute.

Wie geht es den beiden Mädchen aus Mazar-e-Sharif heute, zwanzig Jahre später? Leben sie in Sicherheit mit eigener Familie? Leider gibt es auch heute Menschen in Afghanista­n, die auf der Flucht sind und bis nach Deutschlan­d fliehen. Es geht um Leben und Tod.

Salgados meisterhaf­tes Porträt fängt die ganze Not und Tragik dieser Zustände ein.“

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Wie mag es den Mädchen aus Mazar-e-Sharif heute gehen? Foto: Sebastião Salgado/Amazonas images

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