Polens Wirtschaft will nach oben
Niedriglohn-Land mit schlechten Strukturen? Auf der Hannover Messe geht das Land in die Offensive
Hannover. Arbeitskräfte, veraltete Strukturen, wenig Vorzeigeunternehmen – so lauten die Vorurteile in Deutschland über den großen Nachbarn im Osten. Das wollen die Polen nicht auf sich sitzen lassen. Sein Land werde zur „Volkswirtschaft der Innovation“, kündigte Tadeusz Koscinski, stellvertretender Wirtschaftsminister, selbstbewusst für den Auftritt in Deutschland an.
Unter dem Motto „Smart means Poland“ist das Land erstmals Partner der weltgrößten Industrieschau Hannover Messe, bei der sich diese Woche auch rund 200 polnische Firmen präsentieren. Polen zeigt unter anderem Hightech wie Robotertechnologie, 3-D-Drucker und Drohnen. Die Imageoffensive scheint vonnöten, auch aufgrund neuer Entwicklungen: Mit ihrem nationalkonservativen Kurs hat die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), seit Herbst 2015 am Ruder, europaweit irritiert. Die Regierung kündete eine nationale Wirtschaftspolitik an – „Polen zuerst“.
Gelobt wird von Investoren aber weiterhin die Qualität der Ausbildung polnischer Arbeitnehmer und ihre hohe Motivation – bei Monatslöhnen von im Schnitt 1000 Euro brutto. Deutsche Firmen haben innerhalb von 25 Jahren rund 28 Milliarden Euro nach Polen getragen.
Rund 82 Milliarden Euro Fördergelder der EU bis 2020 werden die Konjunktur weiter ankurbeln, investiert werden sollen die Gelder in Infrastruktur und Innovationen. Gute Geschäfte für deutsche Firmen winken. Der Automatisierungstechnikkonzern Festo zum Beispiel will an der Modernisierung mitverdienen. Auch die großen Konzerne investieren weiterhin ins östliche Nachbarland – so soll im niederschlesischen Jauer (Jawor) ab 2019 eine DaimlerMotorproduktion starten. Seit Herbst vergangenen Jahres rollt bei Posen (Poznan) der VW „Crafter“vom Band.
Erfolgsgeschichte schreiben aber auch rein polnische Firmen in dieser Branche – und exportieren nach Westen. Wer beim Besuch in Hannover öffentliche Verkehrsmittel nutzt, sitzt vielleicht in einem Solaris-Elektrobus. Der Hersteller gilt als polnischer Vorzeigebetrieb. Im vergangenen Jahr erzielte das Unternehmen mit dem Verkauf von rund 300 Stadtbussen allein in Deutschland einen Umsatz von etwa 100 Millionen Euro.
Dicht auf den Versen der Konkurrent Ursus Bus. Das Unternehmen mit Sitz in Lublin hat bereits Busse nach Skandinavien verkauft und will mittels der Messe auf dem deutschen Markt Fuß fassen. Die Traktoren von Ursus, einst sozialistischer Traditionsbetrieb, rollen bereits über deutsche Äcker.
Thüringen, das gute Kontakte nach Polen pflegt, ist in diesem Jahr mit 64 Ausstellern bei der Hannover Messe vertreten.