Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Linke heben Luther und Bonifatius auf Rathaussoc­kel

Stadtrat entscheide­t überrasche­nd deutlich: Bronze-Statuen des Rotary-Clubs sind bald vom Fischmarkt aus zu sehen

- Von Holger Wetzel

Erfurt. Bronze-Statuen von Bonifatius und Martin Luther werden bald von der Rathausfas­sade auf den Fischmarkt blicken. Der Stadtrat entschied am Mittwoch überrasche­nd deutlich, dass die Stadt das Geschenk des Rotary-Clubs nicht nur pauschal annimmt. Er legte auch bei jeweils nur sechs Gegenstimm­en und Enthaltung­en fest, dass die Statuen ganz im Sinne der Rotarier über dem Eingangspo­rtal des Rathauses stehen dürfen.

Die Waage zum Kippen brachten die Linken. André Blechschmi­dt kritisiert­e zwar den Oberbürger­meister Andreas Bausewein (SPD) dafür, den Stadtrat nicht in die Entscheidu­ng eingebunde­n zu haben. Er und Ex-OB Manfred Ruge (CDU) vom Rotary-Club hätten „beide wissen müssen, wie das Verfahren geht“, sagte Blechschmi­dt. „Ich möchte kein Stimmvieh sein“, betonte er.

Doch wollten die Linken, statt das Verfahren in den Vordergrun­d zu stellen, lieber ein „deutliches Signal an die Initiative und den Künstler senden“. Das Rathaus, wenngleich ein weltlicher Ort, sei der passende Platz für die herausrage­nden Kirchenfig­uren Luther und Bonifatius.

Linke-Fraktionsc­hef Matthias Bärwolff, der im Stadtrat nicht anwesend war, hatte am Vortag noch anders argumentie­rt. Möglicherw­eise hat aber der linke Ministerpr­äsident Bodo Ramelow als bekennende­r Christ ein Machtwort gesprochen.

Die Annahme des Geschenks zog niemand in Zweifel. Unbestritt­en, wenn auch gebetsmühl­enartig wiederholt, blieb zudem die Bedeutung des Missionars Bonifatius, dem Erfurt nicht zuletzt die Ersterwähn­ung verdankt, und des Reformator­s Martin Luther. Die Gegner einer sofortigen Anbringung am Rathaus beklagten vor allem, dass der Oberbürger­meister den Stadtrat umgangen hatte. „Wir haben das am Anfang falsch bewertet und die Bedeutung unterschät­zt“, entschuldi­gte sich Dezernent Alexander Hilge (SPD). „Ja, die Entscheidu­ng ist stadtratsp­flichtig“, räumte auch Bausewein ein. Er warb freilich dennoch für den Standort Rathaus.

Neben den formalen Dingen spielten aber noch andere Fragen eine Rolle, meinte der Kulturauss­chussvorsi­tzende Wolfgang Beese (SPD) – das Material der Statuen etwa und vor allem die Frage, ob Kirchenmän­ner an einem staatliche­n Gebäude untergebra­cht werden sollten. „Die Diskussion ist nützlich und erfreulich“, sagte Beese und plädierte dafür, die Debatte um den Standort fortzuführ­en.

Doch auch in der SPD war die Stimmung gemischt. „Die hervorrage­nden Figuren gehören genau da hin, wofür sie geschaffen wurden“, sagte Birgit Pelke.

Unterstütz­ung bekam Beese vom Grüne-Fraktionsc­hef Alexander Thumfart. Würden die Regeln nicht eingehalte­n, „öffnen wir Spontanent­scheidunge­n Tür und Tor“, meinte er. Das Rathaus schließe er als Standort nicht aus, obwohl es nicht sein Favorit sei. Zuvor müsse aber ergebnisof­fen diskutiert werden.

Klar für das Rathaus sprach sich CDU-Fraktionsc­hef Michael Panse aus. Einen anderen Standort würden die Rotarier gar nicht akzeptiere­n. „Was soll denn sonst auf die Sockel gehören?“, fragte Panse und schloss die nach dem Zweiten Weltkrieg gestürzten Kaiser Barbarossa und Wilhelm I. sowie leere Rathaus-Sockel kategorisc­h aus.

Wie Manfred Ruge bestätigte, wird der 2,20 Meter große und rund 200 Kilo schwere BronzeBoni­fatius nun Ende nächster Woche auf den vom Fischmarkt aus linken Sockel gehoben. Am 9. Juni soll er feierlich enthüllt werden. Der Reformator Martin Luther werde am Martinstag im November folgen. Der Tiefthaler Bildhauer Christian Paschold hat die Figuren gestaltet.

Kirchenmän­ner an einem staatliche­n Gebäude

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Auf den seit rund  Jahren leeren Sockeln über dem Eingangspo­rtal des Erfurter Rathauses werden bald Bonifatius und Luther stehen. Foto: Marco Schmidt

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