Wie die Politik die Impflücke schließen will
Geplante Meldepflicht für Kitas geht Ärzten nicht weit genug. Sie fordern: Vergabe an Immunisierung gegen Krankheiten koppeln
Berlin. Die ganz große Keule will Hermann Gröhe (CDU) nicht schwingen. Eine Impfpflicht soll es nicht geben. Und doch: Der Bundesgesundheitsminister kündigte jetzt eine schärfere Gangart im Kampf gegen gefährliche Krankheiten wie Masern oder Röteln an. Per Gesetz will er Kindergärten verpflichten, Impfmuffel an die Behörden zu melden. Eltern, die sich einer Beratung verweigern, drohen empfindliche Strafen. Den Kinder- und Jugendärzten geht der Schritt nicht weit genug.
Was plant der Minister genau?
Können Eltern eine ärztliche Impfberatung bei der Anmeldung nicht vorlegen, sollen Kitas dies an die Gesundheitsämter melden. „Damit erhalten die Behörden die nötige Handhabe, auf Eltern zuzugehen und sie zur Beratung zu laden“, sagte ein Ministeriumssprecher dieser Zeitung. Wer sich hartnäckig verweigere, müsse mit Sanktionen rechnen. Die Ämter könnten Bußgelder bis zu einer Höhe von 2500 Euro verhängen. Für Kitas, die gegen die Meldepflicht verstoßen, sind keine Sanktionen vorgesehen.
Bereits nach jetzigem Recht mussten Eltern eine Impfberatung bei der Kita-Anmeldung nachweisen. Was fehlte, war die Meldepflicht für die Einrichtungen. Eine Impfpflicht – jüngst nach einer Masernepidemie in Italien für zwölf Krankheiten eingeführt – hält Gröhe für unnötig. Der Bundesrat muss die Gesetzesverschärfung im Juli absegnen. Wenige Wochen später soll sie in Kraft treten.
Wie beurteilen
Kinder- und Jugendärzte die Verschärfung?
„Ich bin natürlich dafür, dass es eine verpflichtende Impfberatung gibt“, sagt Josef Kahl vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte. Ihm gehen Gröhes Pläne aber nicht weit genug. „Kinder, die nicht geimpft sind, sollten auch keinen Kitaplatz bekommen – denn sie gefährden dort die anderen Kinder.“ Wie ist die aktuelle Impfsituation in Deutschland?
Laut den jüngsten Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) lag die Masern-Impfquote von Schulanfängern 2014 und 2015 bundesweit bei 96,8 Prozent, für die Zweitimmunisierung bei 92,8 Prozent. Damit erreicht Deutschland das von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ausgegebene Ziel von 95 Prozent zumindest für die erste Impfung deutlich.
Wobei man Abstriche machen müsse, betont RKI-Sprecherin Susanne Glasmacher. Denn die Zahlen beziehen sich lediglich auf die Kinder, die in der Schule einen Impfausweis vorweisen konnten – das waren nicht alle. Betrachte man außerdem die Quote der Zweijährigen, die wie empfohlen zweimal geimpft waren, ergebe sich nur ein Wert von 73 Prozent. Immerhin ist in den vergangenen Jahren eine deutliche Steigerung zu erkennen. Ähnlich sind die Zahlen für die ebenfalls zweiteilige Mumps- und Röteln-Impfung.
Normalerweise gehört die Vorbeugung gegen Masern, Mumps und Röteln zur sogenannten Grundimmunisierung. Kinder sollten laut einer Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) bis zu ihrem 24. Lebensmonat vollständig dagegen geimpft werden, Eltern bekommen ein Schreiben zur Erinnerung. „Oft ist es einfach Nachlässigkeit, die dazu führt, dass die zweite Impfung nicht oder nicht im empfohlenen Alter stattfindet“, sagt Glasmacher.
Warum sind Impflücken gefährlich?
Erklärtes Ziel der WHO ist es, die Masern weltweit zu eliminieren. Das gilt als erreicht, sobald eine fortlaufende Infektion von Mensch zu Mensch nicht mehr möglich ist. „Damit sich der Erreger nicht ausbreiten kann, ist eine Immunität von 95 Prozent erforderlich“, sagt RKI-Expertin Glasmacher. Denn das Virus kann so lange fortbestehen, wie es infizierte und erkrankte Menschen gibt.
Daher ist auch die zweite Impfung notwendig. Denn nach der ersten Spritze sind laut RKI nur 90 bis 95 Prozent der Empfänger geschützt – erst die zweite Dosis gewähre nahezu vollkommenen Schutz. „Die zweite Impfung ist dazu da, auch diejenigen zu immunisieren, bei denen die erste Spritze nicht ihre Schutzwirkung entfaltet hat“, erklärt Glasmacher.
Bei den Bemühungen, die Impflücke zu schließen, sollten nicht nur die Kinder im Fokus stehen, betont Glasmacher. Denn besonders alarmierend sei die Immunisierungsquote bei den jungen Erwachsenen, also auch den Müttern und Vätern der Kinder. „So hat zum Beispiel mehr als die Hälfte der 30- bis 39-Jährigen nicht einmal die erste Impfung“, so Glasmacher.
Wie argumentieren Impfgegner?
Impfgegner oder -skeptiker argumentieren etwa, dass durch viele Impfungen das Immunsystem von Kindern überlastet würde oder dass Nebenwirkungen unkalkulierbar seien. Das RKI hat darauf reagiert und online eine Liste mit Antworten auf die 20 gängigsten Argumente der Skeptiker zusammengestellt (www.rki.de/impfeinwaende). ----- Ergebnisse für beide Wetten lagen bei Redaktionsschluss nicht vor
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