Wasserkoordinator warnt vor Starkregen
Bürger und Stadt müssen besser vorsorgen, meint Matthias Hartmann. Vorwarnsystem mit Niederschlagsmessern im Erfurter Osten installiert
Erfurt. Auf die Hochwasser-Gefahren durch Starkregen ist Erfurt nur unzureichend vorbereitet, warnt Erfurts Wasserkoordinator Matthias Hartmann. „Das Problem wird extrem unterschätzt“, sagt er. „Wir müssen unbedingt mehr tun.“
Sturzfluten nach Starkregen, wie sie im Juni 2013 und im September 2014 im Erfurter Osten vorkamen, könnten überall auftreten, sagt Hartmann und verweist auf Berlin, wo Ende Juni ganze Stadtviertel nach einem Starkregen überflutet wurden. Das Bewusstsein dafür sei aber häufig nur wenig entwickelt.
Zumindest der Erfurter Osten soll nun durch ein Vorwarnsystem besser geschützt werden. In dieser Woche installierte Hartmann einen Niederschlagsmesser in Urbich. Drei weitere dieser solargetriebenen „Ombrometer“stehen bereits in Rohda, am Haarberg und an der Autobahn bei Eichelborn.
Zeigen die Messgeräte Starkregen an, sollen die Sirenen in den Ortsteilen unterhalb der Autobahn Alarm schlagen. Hartmann geht von einer Vorwarnzeit von bis zu 20 Minuten aus, bis die Flut kommt – ausreichend, damit Bürger und Feuerwehr die wichtigsten Schutzmaßnahmen in die Wege leiten können, findet er.
Das Vorwarnsystem wurde von den Ortsteilen im Osten angeregt und von der Verwaltung lange Zeit mit Skepsis betrachtet. Hartmann, der seit November im Dienst ist, hält es aber durchaus für sinnvoll. Die vier Ombrometer könnten zwar nur eine beschränkte Fläche überwachen. Zudem sei in der Anfangsphase mit „Kinderkrankheiten“zu rechnen. „Aber ich will das System zum Laufen bringen“, sagt Hartmann. „Es ist ein Versuch, bestehende Frühwarnsysteme zu verbessern.“
Denn die Wahrscheinlichkeit von Starkregen nehme zu, ist Hartmann überzeugt. Sowohl die Stadt als auch die Bürger müssten sich darauf einrichten. „Die Menschen wissen oft nicht, dass sie an gefährdeten Stellen wohnen“, sagt Hartmann. Viele Erfurter Bäche seien „temporäre Gewässer“und führten zu normalen Zeiten kaum Wasser. Bei Starkregen würden sie aber zu reißenden Fluten.
Ziel der Vorsorge müsse es sein, mögliche Schäden zu minimieren. Die Bürger müssten besser über die Gefahren und Möglichkeiten der Eigenvorsorge informiert werden. Hinweise für städtische Maßnahmen erwartet Hartmann von einer Risikoeinschätzung („Audit“) durch die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA). Mehrere Ämter arbeiten den DWA-Fachleuten derzeit Daten zu. Das Audit soll in Maßnahmen münden, die in die städtische Hochwasser-Prioritätenliste eingearbeitet werden.
Hartmann selbst vermutet, dass Erfurt vor normalen FlussHochwässern ausreichend bis gut geschützt ist. Starkregen seien bisher aber wenig beachtet worden. Risikokarten existierten fast nur für die Gewässer erster und zweiter Ordnung – die Gera, den Linderbach und die Gramme. Aber selbst dort würden die Folgen möglicher Starkregen nicht untersucht.
Vorsorge-Potenzial sieht Hartmann vor allem im nichttechnischen Bereich. Zwar müsse darauf geachtet werden, dass die Durchlässe funktionieren. Das Starkregen-Phänomen solle aber auch bei der Bauleitplanung beachtet werden.
„Wir brauchen Flächen, wo sich das Wasser sammeln kann“, sagt Hartmann. Solche potenziellen Überflutungsflächen, wie sie in Trinkwasserschutzgebieten existieren, müssten auch abseits der großen Flüsse vorgehalten und bei der Planung neuer Baugebiete mitgedacht werden.
Die in den letzten Jahren verstärkt auftretenden Starkregen verdienten in Erfurt besondere Beachtung, weil die Innenstadt in einer Senke liegt. „Wir sind der Stöpsel in der Badewanne“, sagt der Wasserkoordinator. Der Flutgraben schütze vor der Schneeschmelze, aber bei Starkregen müsse das Wasser erst einmal in den Flutgraben gelangen.
Bevor der 42-jährige Erfurter bei der Stadtverwaltung anfing, arbeitete er 13 Jahre lang als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fachrichtung Siedlungswasserwirtschaft an der Bauhaus-Uni Weimar. Die neue Aufgabe sei reizvoll, doch müsse er sich an die Verwaltungsabläufe noch gewöhnen, sagt er. „Man kann nicht Wasser koordinieren, sondern nur Menschen“, sagt er. „Das ist nicht immer einfach.“
Erfurt als Stöpsel in der Badewanne