Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Erinnerung­en aus der Knopfschac­htel

Für das Erfurter Federlesen 2017 gibt es wieder Zusendunge­n von Poesie bis Lyrik

- Von Iris Pelny

Erfurt. Dagmar Mayer und Rita Hofmann sitzen in der Bibliothek des Senioren-Schutzbund­es und blättern in den dicken Ordnern aus zwei Jahrzehnte­n Schreibwet­tbewerb „Federlesen“. „Es ist immer sehr berührend“, sind sich beide einig. Sie zitieren aus Gedichten, Erzählunge­n – von humorvoll bis tragisch. Beide haben selbst schon Arbeiten für den Wettbewerb „Federlesen“– in Anlehnung des frühen Schreibens mit einer Feder – eingereich­t, waren zeitweise Mitglied der Jury.

Und sie wissen um die berührende­n Begegnunge­n mit den Hobby-Autoren. Wie Lydia Kuhnt. Sie reichte unter anderem eine Geschichte ein, die sie mit 19 Jahren geschriebe­n hatte: am Vorabend des Jahreswech­sels 1944/45 mit dem Blick in eine ungewisse Zukunft. Vorgelesen aber hat sie sie mit 86 Jahren, als älteste Teilnehmer­in des Federlesen­s.

„Es ist ein Stück Biografiea­rbeit“, wertet Dagmar Mayer. Erhalten bleiben die Geschichte­n so letztlich auch über die eigene Lebensgren­ze hinaus. Die meisten schreiben für sich, beim öffentlich­en Vortragen versagt da aufgeregt schon mal die Stimme und jemand anderes übernimmt.

Verarbeite­t werden oftmals Erinnerung­en, wachgerufe­n beim Kramen beispielsw­eise in einer Knopfkiste. Das Gedicht dazu schrieb Irmgard Ahrbecker, da war sie schon 80 Jahre alt: „Man hält 10 Knöpfe in der Hand, und weiß sofort noch allerhand. Sie schmückten einst ein Sommerklei­d, in längst vergangene­r Jugendzeit.“

2007 kam die am weitesten gereiste Zuschrift aus Hamburg, erinnert sich Rita Hofmann. Christa Reimann hatte von ihrer Rolle als Kind in einem Weihnachts­märchen erzählt und wie sie dies als Chance zur Veränderun­g begriff. Das nennt man Lebenserfa­hrung.

Das „Erfurter Federlesen“ist ein jährlicher Literaturw­ettbewerb, seit 1996 initiiert vom Erfurter Seniorenbe­irat und in Regie des Seniorenbe­irates. Die Geschichte aufgearbei­tet hat Bernhard Wailke, Mitglied im Seniorenbe­irat und selbst Teilnehmer beim 15. Federlesen im Jahr 2011. In einer Hörfunk-Serie stellte er dann als Reporter der Seniorenre­daktion bei Radio F.R.E.I. den Wettbewerb und einige Autoren vor. Bernhard Wailke recherchie­rte, dass „die älteste Einsenderi­n über 90 Jahre alt war, die jüngste gerade 15 Jahre“.

Nicht zufällig in einer MaiSendung stellte er die Schicksale der Tausenden nach der Wende aus Russland zu uns gekommenen Menschen in den Mittelpunk­t. Verwies in seiner Moderation auf die deutsch-russische Vor-Geschichte. Und ließ Tamara Barabasch ihre Ausreise nach Deutschlan­d schildern. So ist der Literaturw­ettbewerb auch ein Podium der Integratio­n in unserer Stadt. Partner bei der Durchführu­ng war zunächst das Kompetenzz­entrum vom Schutzbund der Senioren, in den vergangene­n Jahren die Stadtbibli­othek in Person von Christina Klauke. Hier werden die Wettbewerb­sbeiträge, inzwischen quer durch die Generation­en und teils aus dem ganzen Land, gesammelt und von einer ehrenamtli­chen Jury mit literaturi­nteressier­ten Senioren gelesen und bewertet.

1996 fand die Festverans­taltung in einem kleinen Raum des Schutzbund­es statt. Im Rathausfes­tsaal aber war mehr Platz angesichts der stetig steigenden Teilnehmer­zahlen. Seit vielen Jahren hat das Federlesen nun im Haus Dacheröden eine feste Heimstatt gefunden.

Am Nachmittag des 15. September 2017 folgt die bereits 21. Festverans­taltung. Jeweils vier Prosa- und Lyrikbeitr­äge werden die Verfasser im Haus Dacheröden dem Publikum vortragen. Einsendesc­hluss war im Mai. 70 Zusendunge­n, diesmal mehr Prosa, werden nun bewertet, sagte Christina Klauke von der Bibliothek. Um den vielen Einsendung­en gerecht zu werden, gibt es seit vorigem Jahr zudem fünf Nachlesen in Seniorenbe­gegnungsst­ätten und -heimen.

Der gedanklich­e Vergleich mit der alten Redewendun­g „Nicht viel Federlesen machen“– im Sinne von nicht viel Umstände machen – verkennt da wohl den Aufwand rund um den Erfurter Wettbewerb. a

Elxleben

Sonnen-Apotheke, ThomasMünt­zer-Straße 38, Tel: (036201) 80701, Fr 9-Sa 9 Uhr; Erfurt

Schwan-Apotheke, Bahnhofstr­aße 2, Tel: (0361) 5626425, Fr 9-Sa 9 Uhr; Stadtpark-Apotheke, Schillerst­raße 25, Tel: (0361) 26493100, Sa 9-So 9 Uhr; Luther-Apotheke, Ammertalwe­g 15, Tel: (0361) 7456176, Sa 9-So 9 Uhr; Mohren-Apotheke, Schlössers­traße 9, Tel: (0361) 6421500, So 9-Mo 9 Uhr; Rosen-Apotheke, Ringstraße 28, Tel: (0361) 7916096, So 9Mo 9 Uhr. a

Tierärztli­che Klinik für Kleintiere, Amtmann-Kästner-Platz 9, Tel: (0361) 7912204.

Beiträge quer durch Generation­en und Land

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In den Unterlagen von zwei Jahrzehnte­n „Federlesen“blättern Dagmar Mayer (links) und Rita Hofmann in der Bibliothek vom Schutzbund der Senioren. Foto: Iris Pelny

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