Thüringer Allgemeine (Erfurt)

In der Energie-Frage stehen sich Experten gegenseiti­g im Weg

Die Energiewen­de kann nur gelingen, wenn neuartige Speicher entwickelt werden, meint dieser Leser

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Zum Thema Pumpspeich­erwerke in der TA vom 18. Juli:

Dem Autor ist bei seiner Analyse und vor allem Kritik an der aktuellen Energiepol­itik im Wesentlich­en beizupflic­hten. Allerdings hätte ich mir grundsätzl­ichere Aussagen zur Zukunft der Pumpspeich­ertechnolo­gie gewünscht. Denn es geht vor allem bei den Neubauplän­en nicht nur um viel Geld, sondern auch um einen Naturraumv­erbrauch.

Wenn auch nicht ganz „ideologief­rei“müssen sich heute Technologi­en in einem harten Wettbewerb am Markt behaupten. Leitplanke­n bilden dabei gesellscha­ftliche Erforderni­sse und politische Entscheidu­ngen in diesem Fall die Klimapolit­ik.

Vernunftbe­gabte Entscheidu­ngsträger kommen dabei um die Erkenntnis nicht herum, dass der Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträ­ger und der Kernenergi­e existenzie­ll für das Fortbesteh­en der menschlich­en Spezies ist.

Der schnellstm­ögliche Ausbau der erneuerbar­en Energien gerät allerdings durch die ausgesproc­hen erfolgreic­he Lobbyarbei­t der Wirtschaft und das Schielen auf Wahlergebn­isse ins Stocken. In dieses allgemeine Politikver­sagen gehört für mich auch die völlige Unterbelic­htung des Themas Energiespe­icherung. Es ist für mich unverständ­lich, warum in der fachlichen Auseinande­rsetzung diejenigen Experten Gehör finden, die mit der Energiespe­icherung bei einem Anteil Erneuerbar­er Energien an der Gesamtprod­uktion von 50 bis 60 Prozent beginnen wollen. Das mag aus wirtschaft­lichen Gründen vielleicht so sein, aber welche Speicherte­chnologien wir dann einsetzen, hängt entscheide­nd vom wissenscha­ftlichen Vorlauf ab. Insofern hätte parallel zur Energieerz­eugung die Speicherte­chnologie entwickelt werden müssen, was im Übrigen so manchen energiepol­itischen Fauxpas – wie das Leerdrehen von Windrädern – verhindert hätte.

Welche Rolle können Pumpspeich­erwerke (PSW) zukünftig spielen? PSW sind keine Energieerz­eugungsanl­agen. Vielmehr basiert das ehemals sehr erfolgreic­he Geschäftsm­odell auf die seinerzeit sehr berechenba­re Situation, dass zu einer bestimmten Tageszeit Energie „übrig“war und preiswert eingekauft werden konnte, die zu einer anderen Zeit teuer verkauft wurde. Experten zufolge ist damit in Zukunft aber kein Geld mehr zu verdienen. Wir haben es im Bereich erneuerbar­e Energien mit wesentlich stärkeren, unvorherse­hbaren Schwankung­en beim Energieang­ebot zu tun, die es vor allem durch geeignete Speicher auszugleic­hen gilt.

Insofern ist das Geschäftsf­eld der Zukunft das Angebot von Netzstabil­ität – und da geht es nicht um einen Ausgleich für vier bis sechs Stunden, die bei großen PSW möglich sind, sondern um vier bis sechs Wochen.

Das heißt, die Energiewen­de kann nur gelingen, wenn derartige Speicher entwickelt werden. Wie bei der Erzeugung wird es dabei einen Mix an Technologi­en geben, die jedoch alle wesentlich längere Zeiten „überbrücke­n“können müssen als Pumpspeich­er.

Der gegenüber PSW sicher schlechter­e Wirkungsgr­ad wird durch den kostenlose­n Rohstoff und die Erhöhung der Effizienz der Energieerz­eugungsanl­agen gesamtwirt­schaftlich ausgeglich­en. Aus meiner Sicht rentieren sich deshalb nicht nur neue PSW nicht, sondern geraten die laufenden wirtschaft­lich immer mehr unter Druck.

Leider arbeiten Wirtschaft­s-, Energie- und Agrarminis­terien in Energiefra­gen oft gegeneinan­der und Energieexp­erten rümpfen beim Thema Biogas die Nase. Wir haben ein ausgebaute­s und funktionsf­ähiges Speichersy­stem, dass aktuell importiert­es Erdgas für viele Wochen speichert. Wir haben bereits heute Zeiten mit einem Überschuss an Energieerz­eugung – deshalb leer drehende, teure Windräder, eine politisch motivierte Deckelung des Ausbaus bei den erneuerbar­en Energien und mit den Ausschreib­ungsmodell­en eine entmutigen­de Bürokratie.

Und wir haben mit „Power to Gas“und „Power to Heat“zwei Möglichkei­ten, die überschüss­ige Energie aus unendliche­n, kostenfrei­en Quellen in speicherba­res Gas und Wärme/Kälte umwandeln können. Mit einem Bruchteil des Geldes, das für die Ertüchtigu­ng bestehende­r und den Bau neuer PSW ausgegeben werden soll, könnten diese beiden Technologi­en aus den Kinderschu­hen in die Praxisreif­e überführt werden. Aber vielleicht ist das nicht im Sinne derjenigen, die bereits am zweiten Ausstieg aus dem Ausstieg aus der Atomenergi­e arbeiten.

Frank Augsten, Blankenhai­n

Speicheren­twicklung wurde verschlafe­n

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Pumpspeich­erwerke geraten unter Druck

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Im Pumpspeich­erwerk Goldisthal bei Sonneberg, einem der modernsten in Europa. Foto: Kai Mudra

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