Ankunft in Paris: Der Triumphzug von Toursieger Chris Froome
Der Brite gewinnt zum vierten Mal die Tour de France. Diesmal konnte er allerdings keine der 21 Etappen für sich entscheiden
Paris. Die Meute im Velodrome von Marseille blähte die Backen und ließ Buhlaute zwischen den Lippen entweichen. Chris Froome wurde auf den Zeitfahrkurs geschickt. Und das Stadium tobte. Nun gut, nur die Hälfte, die auch mit Zuschauern besetzt war. Aber die ließen sich nicht halten. Froome verzieh ihnen später: „Es sind Fans. Der eigene Mann lag nur 23 Sekunden zurück. Wir waren in einem Fußballstadion im Herzen Marseilles. Das ist doch normal.“ Froome konnte leicht großzügig sein. Die Missgunst der französischen Fans stellte an diesem Samstag das einzige größere Hindernis auf dem Weg zum vierten Triumph bei der Tour de France dar. Keiner seiner Konkurrenten kam dem Briten im parallelen Kampf gegen die Uhr auch nur nahe. Der lautstärkste der Herausforderer, der auch am lautstärksten angefeuerte heimatliche Held Romain Bardet, brach sogar gewaltig ein und verlor beinahe noch seinen Platz auf dem Podium. Geradezu genüsslich bezeichnete Froome später auf der Pressekonferenz als seinen schönsten Moment bei der Tour: „Das war, als ich kurz vor dem Eingang des Stadions Bardet fast erreicht hatte. Ich wusste jetzt, ich muss nur noch gut durch ein paar Kurven kommen, dann ist es geschafft.“Den armen Bardet, der eines seiner schlechtesten Zeitfahren der Karriere ablieferte, eingeholt zu haben, musste für Froome als schönstes Erlebnis herhalten. Welch magere Ausbeute für einen Gesamtsieger.
An schönen Momenten hielt diese Tour aber tatsächlich wenig für ihn bereit. Kein Etappensieg glückte ihm. Nur sechs Toursieger vorher hatten ohne eigenen Etappenerfolg die Rundfahrt gewonnen. „Das ist nicht gut so“, knurrte der in die Jahre gekommene „Kannibale“Eddy Merckx.
Froome konnte auf keinem Terrain brillieren. Im Zeitfahren waren ein paar Außenseiter schneller. Aber auch die eigenen Teamkollegen düpierten ihn. Geraint Thomas und Vasil Kiriyenka beim Grand Depart am Rhein, Michal Kwiatkowski zum Finale am Mittelmeer. In den Bergen nahmen ihm Romain Bardet und Rigoberto Uran Sekunden ab. „Es war keine Tour, bei der man den einen entscheidenden Schlag setzen konnte. Es ging vielmehr darum, ein paar Sekunden hier und ein paar Sekunden da zu sammeln“, blickte Froome in Marseille auf das gesamte Rennen zurück. „Aber das war uns vorher klar“, meinte er auch. Und er fügte hinzu: „Es war die härteste Tour meiner Karriere.“
Hart gemacht hatten es ihm die Veranstalter. Sie waren der Dominanz von Sky müde geworden, der Stärke der Bergzüge, der überwältigenden Überlegenheit im Zeitfahren. Deshalb hatten sie Zeitfahrkilometer reduziert. Es gab auch weniger Bergankünfte von der Art, wie Froome sie mag: Lang, gleichmäßig, nicht zu steil.
Der Titelverteidiger wusste dies alles vorher. Er behielt deshalb die Nerven, als es eng wurde. Am Ende war er der Sieger, ließ sich am Sonntag in Paris nach der letzten Etappe feiern, auf den 103 Kilometern von Montgeron nach Paris unternahm keiner der Widersacher einen Angriff auf den Spitzenreiter im Gelben Trikot. Das Fazit: Chris Froome war nicht der stärkste seines Teams, nicht der stärkste Bergfahrer. Aber der beste Sekundensammler.
Ein Toursieg nur fehlt, damit er Zutritt zum elitären Fünferzirkel der Anquetil, Merckx, Hinault und Indurain erhält. Klubmitglied Merckx traut ihm das durchaus zu. „Vielleicht gewinnt er auch zehnmal die Tour, wer kann das schon wissen“, meinte er zu dieser Zeitung. Ganz auf Augenhöhe hielt er ihn aber auch nicht. „Erst wenn er den Giro fünfmal gewinnt und Mailand–Sanremo siebenmal, dann können wir mit Vergleichen beginnen“, meinte er. Radsport sei mehr als nur die Tour, ist die Überzeugung des Belgiers, der auch bei anderen Rennen glänzte. Froome fokussiert nur auf die Tour. Das Rennen darum, eine Radsportlegende zu werden, wird er nicht gewinnen. Aber das gehört auch nicht zu seinem Konzept.
Magere Ausbeute für einen Gesamtsieger