Immer mehr Thüringerinnen entscheiden sich für Kinder
Statistiker ermitteln erstmals seit Jahren einen Stopp der wachsenden Kinderlosigkeit, warnen aber vor Optimismus
Erfurt. Ein Grund zur Freude, aber keiner zur Euphorie. So lassen sich die Ergebnisse des aktuellen Mikrozensus zusammenfassen. Der langjährige Trend zur Kinderlosigkeit scheint in Deutschland zumindest gestoppt, die Geburtenrate steigt, wenn auch verhalten. Nach der Auswertung der Zahlen verweisen die Statistiker darauf, dass die Veränderung nicht nur eine Folge der starken Zuwanderung ist, sondern auch einer veränderten Familienplanung.
Thüringen gehört zu den Bundesländern, in denen sich die Entwicklung ausgeprägter zeigt als in anderen Bundesländern. Hochgerechnet gaben von rund 741 000 Frauen nur knapp jede vierte an, keine oder noch keine Kinder zu haben, während es im bundesweiten Durchschnitt jede dritte Frau ist.
Dass dieser Unterschied nicht nur historischen Entwicklungen geschuldet ist, sondern sich fortsetzt, zeigt ein Blick auf die Altersgruppen der befragten Frauen. Nicht nur die älteren Jahrgänge sind seltener kinderlos. Von den 25- bis 34-jährigen Thüringerinnen ist bislang knapp die Hälfte ohne Nachwuchs, bundesweit sind fast zehn Prozent mehr Frauen dieses Alters ohne Kind.
Das Statistische Bundesamt nahm auch den Bildungsstand der befragten Frauen unter die Lupe. Auch hier zeigt sich ein erfreulicher Trend: Akademikerinnen, die sich in den vergangenen Jahren besonders häufig gegen Kinder entschieden hatten, bekommen wieder mehr Nachwuchs. Hier nahm die Zahl der Kinderlosen deutschlandweit sogar ab.
Eine Wechselbeziehung zwischen Bildungsstand und Kinderlosigkeit kann das Landesamt für Statistik für den Freistaat nicht erkennen. Von den Thüringerinnen ab 45 Jahre, die ihre Familienplanung abgeschlossen haben und die über einen höheren Bildungsabschluss verfügen, sind neun Prozent kinderlos. Eine Zahl, die in etwa der aller Frauen dieser Altersgruppe entspricht. Allerdings verweisen die Statistiker auf einen anderen Zusammenhang: Je höher der Bildungsgrad, desto seltener entscheiden sich Frauen für drei oder mehr Kinder. Blickt man auf die deutschlandweiten Zahlen, fällt vor allem auf, dass in den Stadtstaaten besonders viele Frauen zwischen 45 und 49 Jahren ohne Nachwuchs sind. Spitzenreiter ist Hamburg mit 31 Prozent. Besonders gering ist Kinderlosigkeit dagegen in den ostdeutschen Ländern. Ein anderes Fazit der Zahlen: Das traditionelle Familienmodell hat nicht ausgedient. ▶ Ehepaare mit Kindern ist trotz leichter Rückgänge nach wie vor die bei Weitem häufigste Familienform.
Der jährliche Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes gilt als wichtiger Indikator für soziale und gesellschaftliche Entwicklungen. Nach Einschätzung des Vizepräsidenten des Statistischen Bundesamtes, Georg Thiel, habe der Ausbau der Kinderbetreuung und damit eine bessere Vereinbarung von Familie und Beruf zum Stopp der wachsenden Kinderlosigkeit beigetragen. Gleichzeitig warnen die Wissenschaftler vor verfrühtem Optimismus. Die erreichten Verhältnisse seien fragil, ob sich der Trend zu mehr Geburten durchsetzt, sei unklar.
Auch der Blick auf die Nachbarn zeigt: Deutschland ist noch weit davon entfernt, ein geburtenfreudiges Land zu sein, es gehört nach wie vor zu den Ländern mit der höchsten Kinderlosigkeit in Europa. Der demografische Wandel, so Thiel, setzt sich fort. (mit dpa) ▶