Wird Solarworld gerettet?
Unbekannter Investor bezahlt bis Mitte August weiter Löhne. 1200 Jobs an zwei Standorten sollen wegfallen
Arnstadt. Viele der Spinde bei Solarworld sind leer geräumt. Gestern, so die Annahme der Mitarbeiter, sollte ihr letzter Arbeitstag sein. Die Anlagen waren gedrosselt. Die Einladung zur Mitarbeiterversammlung fühlte sich an wie der sprichwörtliche Gang zum Schafott. Doch dann kam alles anders. Denn offenbar gibt es eine Investorengruppe, die die beiden Produktionsstandorte in Arnstadt und im sächsischen Freiberg übernehmen möchte.
Mit dieser Nachricht überraschte der vorläufige Insolvenzverwalter Horst Piepenburg nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch den Betriebsrat. „Wir sind bis zum Vormittag noch davon ausgegangen, dass unwiderrufliche Freistellungen ausgesprochen werden“, sagte gestern Betriebsratschef Joachim Götz.
Doch nun gibt es erst einmal eine Verschnaufpause: Bis Mitte August soll der Investor den Geschäftsbetrieb und die Gehälter weiterfinanzieren. Bis dahin soll auch klar sein, wie es danach weitergeht.
Tief in die Karten ließ sich der Insolvenzverwalter gestern nicht schauen. Immerhin steht noch keine Unterschrift unter dem Vertragsentwurf. Und deshalb gab es auch keine Aussagen dazu, um wen es sich bei der Investorengruppe handelt. Nur so viel: Der potenzielle Käufer wolle Grundstücke, Maschinen und Vorratsvermögen übernehmen sowie 450 Beschäftigte in Sachsen und Thüringen, um weiterproduzieren zu können. Zudem sei geplant, eine Auffanggesellschaft zu gründen, in der zunächst 1200 Mitarbeiter unterkommen sollen.
Die Übernahme von 450 Mitarbeitern sei einerseits ein positives Signal, andererseits aber nicht viel, sagte Betriebsrat Götz. Seien alle Arnstädter Anlagen in Betrieb, benötige man 500 Mitarbeiter. Noch ist zudem völlig unklar, wie die Beschäftigten auf die beiden Standorte verteilt werden sollen.
Positiv bewertete er aber das Angebot, eine Transfergesellschaft zu bilden. Er wartet nun auf ein Verhandlungsangebot an die Betriebsräte. Denn was Ausrichtung und Ausstattung der Transfergesellschaft betrifft, haben sie ein Wörtchen mitzureden. Kirsten Joachim Breuer, der Zweite Bevollmächtigte der IG Metall, zeigte sich von der Nachricht, dass es Interessenten für Solarworld gibt, ebenso angenehm überrascht.
450 gesicherte Arbeitsplätze bezeichnete er aber als zu gering. Das entspreche gerade einmal einem Viertel der bisherigen Arbeitsplätze. „Das Szenario eines Ausverkaufs oder einer Schließung auf Raten ist damit längst noch nicht abgewendet.“
Begrüßenswert sei jedoch, dass es eine Transfergesellschaft geben wird. Das nehme den Mitarbeitern zwar nicht die Unsicherheit über ihre berufliche Zukunft, gebe ihnen aber Zeit, sich auf dem Arbeitsmarkt neu zu orientieren.
Auch Thüringens Wirtschaftsstaatssekretär Georg Maier (SPD) bezeichnete den in Aussicht gestellten Einstieg einer Investorengruppe als Schritt, der Hoffnung macht. Das Land werde dem Investor diesen Schritt nach Thüringen ebnen.
Den Mitarbeitern sei es derzeit am wichtigsten, endlich Klarheit darüber zu bekommen, wie es weitergeht, sagte Manuela Schlitt, die seit zehn Jahren im Unternehmen arbeitet – damals hieß es noch Ersol. Wie viele andere Mitarbeiter erlebt sie bereits den dritten Übergang. Dass sie gestern nicht, wie erwartet, nach Hause geschickt wurden, stimmte sie einerseits froh. „Andererseits bleibt die Ungewissheit. Ich freue mich für jeden Kollegen, der übernommen wird. Denn er hat diesen nervenaufreibenden Kampf auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr“, beschreibt die Qualitätskontrolleurin das Dilemma, in dem sie und die Kollegen stecken.
„In den Jahren im Unternehmen haben wir uns Wissen angeeignet, das wir nicht einfach auf die Straße werfen wollen“, sagt sie. Im Umkehrschluss heißt das auch: Die Mitarbeiter werden kämpfen und ihre Arbeitskraft nicht unter Wert verkaufen.