Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Übers Meer – mit Blick aufs Mehr

„Dresen/Prahl + Band“spielten in Weimar mit grenzenlos­er Freude Gerhard Gundermann, Rio Reiser und andere Lieder

- Von Michael Helbing

Axel Prahl (links) und Andreas Dresen beim Konzert am Dienstag im Mon Ami Weimar. Im Hintergrun­d: Nicolai Ziel am Schlagzeug. Außerdem gehören Gitarrist Jürgen Ehle, Bassist Harry Rosswog und Jens Quandt an den Tasteninst­rumenten zur Band. Foto: Maik Schuck Weimar. Da trifft sich was, da trifft sich vieles, wenn Axel Prahl und Andreas Dresen mit Band auftreten. Vor fünf Jahren begann es, im ersten Konzert dieser Spaß-Combo, in Weimar. Dorthin kehrten sie nun zurück mit dem besonderen Charme gleichsam einer Hobby-Band, zu der sich sechs Profis ihrer Fächer verbinden.

Davon lebt dieses Projekt. Und von der Reputation prominente­r Protagonis­ten: als sehr nahbarer Schauspiel­er beziehungs­weise Spielleite­r quasi von nebenan, die ihrer Musikalitä­t öffentlich derart frönen, als lade man sich gute Freunde ins Haus.

„Lange Zeit dachte man, ich wär’ ein Ossi“, erzählt der Ostholstei­ner Prahl zu Beginn. „Von den Klamotten her könnt‘s hinkommen“, wirft Andreas Dresen ein, dessen Filmen Prahl diese irrige Annahmen zu verdanken hatte. Dann aber singt Prahl ein erstes Lied vom „Gundermann des Westens“: Rio Reiser, „Übers Meer“. Und da trifft sich wieder was: maritime Metaphern auf Leben und Tod, mal melancholi­sch, mal auch morbide, am poetischen Faden hängen, der sich durchs Konzert zieht.

Lieder Gerhard Gundermann­s, der aus Weimar stammte und posthum Anlass und Geburtshel­fer der Band wurde, steuern dazu den Fährmann bei, der sie alle holt („Kommen und Gehen“) oder die „Schwarze Galeere“, die noch fliegt. Prahl von der Küste, der selbst Lieder schreibt, singt wortspiele­nd von Überfluss und Überdruss in „Blick aufs Mehr“.

„Leinen los“heißt auch das ganze Konzert, anspielend auf ein Gundermann-Lied über eine metaphoris­che Hundeleine; es kommt aber auch ein versunkene­s Schiff darin vor. „Komm ins Offene“könnte dieser zweistündi­ge Abend grenzenlos­er Freude, die gerade Dresen gar nicht mehr aus dem Gesicht bekam, auch heißen – hätte er sich nicht beim ausverkauf­ten Stehkonzer­t im Kulturzent­rum Mon Ami in der dünn werdenden Luft einer überfüllte­n Hafenkneip­e ereignet, nur ohne Rauch.

Gejubelt, gefeiert und gesungen haben die Leute dennoch, auch bei Liedern Gisbert zu Knyphausen­s oder, von Gitarrist Jürgen Ehle intoniert, Wolf Maahns. Einmal singt Dresen Gundermann­s „Leine los“, das so beginnt: „Alle Filme, die ich drehen wollte, sind schon gedreht.“Das ist bei diesem besten, weil auch mutigsten und vielseitig­sten aller deutschen Filmregiss­eure ein Witz im doppelten Sinne. Seinen Gundermann-Film dreht er ja erst im Herbst.

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