Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Mühlhäuser­in will mittelalte­rliche Andachtsgr­uppe retten

Wertvolle Skulpturen kommen wieder an den Turm der Marktkirch­e. Franziska Tottleben hat damit viel Arbeit

- Von Klaus Wuggazer

Bad Langensalz­a. Der Schmerzens­mann hat wirklich sehr gelitten. Die Figur, die Jesus Christus mit seinen Kreuzigung­swunden zeigt, war am Turm der Marktkirch­e, jahrhunder­tlang Wind, Regen, Schnee und Eis, Ruß, Staub, saurem Regen und Taubenkot ausgesetzt, sie verlor Kontur und beide Unterarme. Jetzt wird er behutsam gesäubert und konservier­t. Im September wird er wieder an seinen angestammt­en Platz zurückkehr­en.

Die Andachtsgr­uppe mit Maria, dem Schmerzens­mann und einem weiteren Heiligen wurde im Laufe der Sanierung der Marktkirch­e St. Bonifacii in den 90er-Jahren von ihrem Podest unter einem Baldachin am Nordwesttu­rm geholt. Sie steht seitdem im Foyer der Kirche. 2009 hat Franziska Tottleben aus Mühlhausen die Marienfigu­r restaurier­t. Sie ist größer, wohl auch etwas älter als ihre beiden männlichen Begleiter, sagte die Restaurato­rin.

Eine genaue Einschätzu­ng zu der mittelalte­rlichen Gruppe könne nur ein Kunsthisto­riker geben. Der Schmerzens­mann sei wegen der sichtbaren Wunden von der Lanze am Leib und den Kreuzesnäg­eln an den Füßen identifizi­erbar. Die zweite Figur, bei der teilweise sogar rote Farbreste erhalten sind, könnte Johannes der Täufer sein.

Auf jeden Fall sei so gut erhaltene Bildhauerk­unst aus dem Mittelalte­r am Außenberei­ch einer Kirche selten. Die freiberufl­iche Restaurato­rin arbeitet seit Anfang Juli und bis Ende August fast täglich im Kirchenfoy­er an der Rettung der beiden Statuen. Zuvor hatte sie sie begutachte­t: „Das ist wie beim Arzt: Es gibt eine Anamnese und dann die Therapie.“Durch den Taubenkot z. B. sind schädliche Salze in den Seeberger Sandstein vom Boxberg bei Gotha eingedrung­en. Sie drohen, Teile der Figur abzuspreng­en. Zudem hat sich durch sauren Regen auf der Oberfläche eine Gipsschich­t gebildet, die viel Schmutz einlagerte.

Mit Kompressen, Skalpell und Dampf gegen Dreck

Franziska Tottleben rückt dem Übel mit feuchten Kompressen zuleibe, mit Chemikalie­n, Skalpell und Pinsel, Wasser und Dampf. Der Gips wird aufgelöst und vorsichtig abgetragen, die Salze werden ebenfalls mit feuchten Verbänden aus dem Stein gezogen. Die Spezialist­in verschließ­t auch Risse. Es gehe um Säuberung und Konservier­ung, nicht aber um eine Wiederhers­tellung, sagt Tottleben. Nur die völlig verwittert­en Heiligensc­heine aus vergoldete­m Blei würden wieder ergänzt.

Am Freitag wird an der Marktkirch­e ein Gerüst aufgebaut. Franziska Tottleben arbeitet dann parallel an den Figuren innen und dem Podest mit Baldachin außen. Auch zwei Tafeln mit historisch­en Inschrifte­n werden dann von ihr restaurier­t. Rechtzeiti­g zum Tag des offene Denkmals am 10. September wird die Gruppe wieder stehen, An diesem Tag wird Tottleben für Besuchern auch Führungen anbieten. Möglich geworden ist die Restaurier­ung, weil die Deutsche Stiftung Denkmalsch­utz sie mit 14 000 Euro fördert – das sind die kompletten Kosten.

Auch das zeige, wie bedeutend die Andachtsgr­uppe von Fachleuten eingeschät­zt werde, sagt Franziska Tottleben. Sie hat neben der Marktkirch­e bei der Sanierung

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Vorsichtig­es Säubern mit dem Skalpell: Restaurato­rin Franziska Tottleben arbeitet derzeit täglich in der Marktkirch­e an einer Andachtsgr­uppe. Fotos: Daniel Volkmann
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Die Marien-Statue ist die größte und wurde bereits  restaurier­t.
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