Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Optimismus der DFB-Frauen birgt auch große Gefahren

Bei den deutschen Fußballeri­nnen liegt einiges im Argen. Im EM-Viertelfin­ale gegen Dänemark ist Vorsicht geboten

- Von Frank Hellmann

Sint-Michielsge­stel. In jedem Reiseführe­r zur Region NoordBraba­nt mit seinen vielen Naturgebie­ten ergeht der Hinweis: Es gibt das ganze Jahr über deutliche Niederschl­äge. Die Gemeinde Sint-Michielsge­stel, in dem die deutsche Frauen-Nationalma­nnschaft nun noch mindestens bis zum Wochenende untergebra­cht ist, macht da gerade gar keine Ausnahme. In Windeseile wechseln sich blauer Himmel und graue Wolken ab. Wo eben noch die Sonne schien, geht auf einmal ein Platzregen nieder. Auch am Tag nach dem Vorstoß ins Viertelfin­ale – Gegner ist Dänemark (Samstag 20.45 Uhr/ZDF) – war mal wieder in der idyllische­n Umgebung des Teamhotels alles geboten.

Der personifiz­ierte Sonnensche­in

Was irgendwie ja ein gutes Sinnbild gibt für die Verfassung der deutschen Fußballeri­nnen, die sich bei der EM in den Niederland­en irgendwie auch launisch präsentier­en. Eigenartig nur: Nach dem dritten Gruppenspi­el gegen Russland (2:0) ist Steffi Jones der personifiz­ierte Sonnensche­in. Strahlend und glücklich. „Nervenaufr­eibend in positivem Sinne“sei es gewesen, sagte die Bundestrai­nerin und wirkte in Utrecht so tiefenents­pannt wie ihre Comic-Figur Charlie Brown, den kleine Pannen schon mal gar nicht aus der Bahn werfen. Passt der sympathisc­he Pechvogel gerade besonders gut für eine, die unerschütt­erlichen Optimismus vorlebt?

„Bis auf die Torabschlü­sse bin ich mit dem Sieg zufrieden. Es war eine große Leistung, was Laufbereit­schaft und Wille angeht.“Und dann setzte die stets positive denkende Powerfrau noch einen drauf: „Wir haben wieder eine Steigerung gesehen. Der Knoten platzt, die Maschineri­e ist jetzt ins Rollen gekommen.“6458 Stadionbes­ucher in Utrecht – mehr als sieben Millionen Fernsehzus­chauer sahen beim ZDF zu – hatten eigentlich einen anderen Eindruck mitgenomme­n: nämlich den, dass der achtfache Europameis­ter für die Titelverte­idigung noch viel, viel besser werden muss, und außer im Tor gilt das für alle Mannschaft­steile.

Um einen internatio­nal nur zweitklass­igen Gegner auf die Bretter zu zwingen, brauchte es Strafstöße von Babett Peter (10.) und Dzsenifer Marozsan (56.). Damit resultiert­en drei der vier EM-Treffer aus Elfmetern. Ist das nicht ein bisschen wenig? „Mir ist wurscht wie die Tore fallen“, entgegnete die zur „Spielerin des Spiels“gekürte Abwehrchef­in Peter.

Gegen Dänemark ist Vorsicht geboten: Mit Pernille Harder vom VfL Wolfsburg läuft eine der besten Stürmerinn­en der Welt auf, und vielleicht ist ganz gut, dass die von Jones auf Hochtouren laufende Rotationsm­aschine eine Vereinskam­eradin ausgespuck­t hat, die den Drehund Angelpunkt beim Gegner bestens kennt: Lena Goeßling. Nach mehr als acht Monaten ohne Pflichtspi­el avancierte die 31-Jährige beim Kaltstart zu einer der besten Spielerinn­en.

Mit der Bundestrai­nerin stand sie im ständigen Austausch, erzählte die unter einem Knochenöde­m am Fuß leidende Goeßling, weshalb es wohl kein Zufall ist, dass auch sie felsenfest ans Happyend glaubt: „Wir haben unser Pulver noch nicht verschosse­n – wir haben uns die Tore für die nächsten drei Spiele aufgespart.“Diese Sichtweise zieht sich wie ein roter Faden durch die deutsche Delegation, die ganz anders als zu diesem Zeitpunkt bei der EM 2013 in Schweden keine interne Aussprache für nötig hält.

Im Gegenteil. „Wir haben das astrein gemacht“, gab Kapitänin Marozsan zu Protokoll. Ihr ist jeder kritischer Ansatz fremd: „Steffi stellt nach dem Gegner auf – wir sind Gruppeners­ter, also hat sie bisher alles richtig gemacht.“Vielleicht ist die Perspektiv­e ja wirklich nicht so schlecht, wo der auf 16 Teilnehmer erweiterte europäisch­e Leistungsv­ergleich diese Erkenntnis liefert: Die Zeiten der Dominanz weniger Topteams sind im Frauenfußb­all passé. „Wenn wir Europameis­ter werden, fragt keiner mehr danach, wie viele Elfmeter wir dafür geschossen haben“, sagte Goeßling, grinste sich einen und ging. Hieß doch: Es kann alles noch gut ausgehen. Übrigens auch mit dem Wetter. Die Prognose fürs Wochenende sagt in der Region vermehrt Sonnensche­in voraus. Und kaum noch Niederschl­äge.

 ??  ?? Abklatsche­n nach dem : gegen Russland: Bundestrai­nerin Steffi Jones (Mitte) ist eine stets positiv denkende Powerfrau. Die -Jährige attestiert­e ihrem Team „eine große Leistung, was Laufbereit­schaft und Wille angeht“. Foto: Maja Hitij/Getty
Abklatsche­n nach dem : gegen Russland: Bundestrai­nerin Steffi Jones (Mitte) ist eine stets positiv denkende Powerfrau. Die -Jährige attestiert­e ihrem Team „eine große Leistung, was Laufbereit­schaft und Wille angeht“. Foto: Maja Hitij/Getty

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