Odyssee durchs verfallende London
Das Schriftsteller-Ehepaar Nicci French stellt seine erste Serienheldin beim Krimifestival Erfurt vor
Altstadt. Frieda Klein wird nicht zurückkehren: Die spröde Psychotherapeutin mit der Begabung, Verbrechen aufzuklären, verabschiedet sich in „Der achte Tag“von ihrem Publikum. Dieses trauert, Frieda Klein vermutlich ist erleichtert. „Sie wollte nie Ermittlerin sein“, sagen ihre Schöpfer Nicci Gerrard und Sean French, „lässt Menschen ungern an sich heran und gibt selten Privates preis.“
Deshalb werden bis zum Schluss nicht alle Geheimnisse um die Hauptfigur der Serie gelüftet, deren letzten Band das Schriftsteller-Ehepaar, das als „Nicci French“erfolgreich Kriminalromane schreibt, am Mittwochabend beim Krimifestival Erfurt in der Buchhandlung Peterknecht vorstellte.
„Wir wissen immer noch nicht, was Frieda von uns hält“, sagen die zarte kleine Frau mit dem spitzbübischen Lächeln und der charmante Mann, deren Ausführungen Antje Deistler gekonnt und unterhaltsam ins Deutsche überträgt. Die Leiterin des Literaturbüros Ruhr wirbt leidenschaftlich für Nicci French und Frieda Klein – zu Recht, wie dank Alexandra Kehr deutlich wird. Die Pressesprecherin des Theaters Erfurt trägt Auszüge aus „Der achte Tag“vor – und die grummelige Psychotherapeutin gewinnt dank Kehrs Interpretation ebenso Kontur wie die schon auf groteske Weise naive Studentin Lola, die Frieda Klein unfreiwillig im Schlepptau hat.
Ihre Wege kreuzen sich auf einem Friedhof. Dort versteckt sich Frieda vor ihrem sie beschützenden, aber auch bedrohenden Gegenspieler, der sie acht Bände lang verfolgt, mal mehr, mal weniger. Lola hängt sich dran und verkennt die Gefahr so lange, bis sie selbst in Lebensgefahr schwebt.
Nicci Gerrard und Sean French respektieren ihre Figur, der immer etwas Unwirkliches anhafte und der sie im letzten Band zum ersten Mal buchstäblich ein Gesicht geben. „Ist sie groß oder klein, dick oder dünn, blond oder brünett – das ist bis zum ‚Achten Tag‘ nicht klar. Dann wird sie erstmals von einem Außenstehenden beschrieben“, sagt Nicci Gerrard. Sean French über Frieda Klein
Bis dahin muten sie ihr eine Odyssee durch die leeren Villen von London zu – Spekulationsoder Geldwäscheobjekte in einer Stadt, in der die Obdachlosigkeit überhand nimmt. „Wer gestohlene Millionen unterbringen muss, parkt sie auf einem Konto in der Schweiz und kauft vom Rest ein Gebäude in London“, sagt Sean French völlig ironiefrei.
Ein London, das Besucher in der Regel nicht kennenlernen, wollen die beiden ihren Lesern vorstellen, wo komplette Viertel nachts im Dunkeln liegen, weil trotz vieler Häuser dort niemand lebt. Ausgedehnte Radtouren und Recherchen haben „Nicci French“Seiten ihrer Heimatstadt gezeigt, die auch ihnen Unbehagen bereiten. „Überlegen Sie es sich gut“, warnen sie die Zuhörer nur halb im Scherz vor den Stadtführungen, die es mittlerweile auf den Spuren von Frieda Klein gibt.
Sie warnen auch davor, gemeinsame Schriftstellerei als Super-Hobby für Eheleute zu sehen: „Das muss die Liebe erst einmal aushalten“, sagen sie und schmunzeln. Lange werde diskutiert über Personen, Orte, Taten, über alles, was später das Buch ausmache. Dann verzieht sich Sean ins Gartenhaus und Nicci in die Dachkammer: „Wir schreiben getrennt und reden nicht darüber“, erzählen sie aus ihrem Alltag. Die Ergebnisse der Einzelarbeit mailen sie sich – und dann wird es hart. Jeder darf beim anderen streichen, ergänzen, umformulieren – und das bleibt dann so. Protest verboten.
Das funktioniert seit 23 Jahren: So lange schreiben sie schon gemeinsam, publizieren jedoch auch getrennt, haben aber erst mit Frieda Klein ihre erste Serienheldin geschaffen. „Eine achtbändige Serie, deren Titel Popsongs sind, in denen Wochentage vorkommen, beginnend mit Montag – das Problem liegt auf der Hand, oder?“, sagt Sean French schmunzelnd.
Als sie Frieda Klein am Ende von Band 7 verschwinden lassen, erreichen sie wütende Kommentare über alle digitalen Kanäle – denn nicht allen Lesern war klar, dass noch ein Band folgt. Das Missverständnis ist mit „Der achte Tag“behoben.
„Sie sieht aus wie eine Mischung aus Nicci und mir.“
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Die nächsten Lesungen:
Das Krimiduell – Gisa Pauly und Martin Calsow, heute, Uhr, WBG Einheit (Abschluss Krimifestival). Stella Deetjen: Mein Leben unter den Bettlern von Benares, Samstag,
. November, Uhr. Andreas Altmann: In Mexiko. Reise durch ein hitziges Land, Montag, . November, Uhr (beide Buchhandlung Peterknecht, Anger ).