Feuerwehr verlangt Polizeischutz
Polizisten äußern Verständnis für die Furcht der Retter. Innenministerium hält sich mit konkreter Zusage zurück
Erfurt. Feuerwehrleute in Thüringen werden auf Drehleitern mit Feuerwerksraketen beschossen, im Einsatz beleidigt, bespuckt und geschlagen. Sie werden, wie in Kranichfeld, mit Benzin übergossen, so dass es in die Kehle rinnt. Danach versucht man, sie mit dem Gasbrenner in Brand zu stecken.
„Auf mich ist auch schon einer mit dem Auto zugefahren, aber ich konnte mich retten“, sagt Andreas Kacsur, Landesvorsitzender der Feuerwehr-Gewerkschaft in Thüringen, gestern unserer Zeitung.
Jetzt kommen besonders brenzlige Tage: Weihnachten, Silvester, Karneval.
„Wir verlangen deshalb Polizeischutz bei allen Einsätzen an Silvester und beim Karneval“, sagt Andreas Kacsur. Bei diesen Anlässen seien viele Menschen, oft rauschbedingt enthemmt, an einem Ort. Solche Situationen seien besonders gefährlich, erklärt Siegfried Maier, stellvertretender Bundesvorsitzender der Feuerwehr-Gewerkschaft.
Die Polizei in Thüringen zeigt großes Verständnis für die Forderung. „Ich kann die Furcht der Feuerwehrleute gut verstehen“, sagt Kai Christ, Landeschef der Polizeigewerkschaft GdP. „Uns ist die Aggressivität bekannt, die der Feuerwehr und anderen Rettungskräften entgegenschlägt. Das erschreckt uns.“
Jürgen Hoffmann, Landesvorsitzender der Polizeigewerkschaft DPolG, beklagt Attacken, die mittlerweile zum Berufsalltag gehören: „Die Gewalt nimmt zu.“Man sei noch weit entfernt von einer Lösung des Problems.
„Dass diese Menschen angepöbelt, bespuckt oder bedroht werden, darf unsere Gesellschaft nicht widerspruchslos hinnehmen“, sagte gestern auch Innenminister Georg Maier. Eine Hilfszusage gab die Behörde jedoch nicht. 53 Attacken gegen Feuerwehrleute habe es von 2015 bis 2017 in Thüringen gegeben, teilte das Ministerium mit. Darunter waren neun Fälle von gefährlicher und schwerer Körperverletzungen.
Angriffe gegen Polizeibeamte seien immer auch „Angriffe gegen die Demokratie“, betonte der CDU-Sicherheitsexperte und Generalsekretär Raymond Walk, der sich seit Langem mit der zunehmenden Gewalt gegen Rettungskräfte und Polizeibeamte befasst. Weiterhin sagte er: „Die Zunahme dieser Form von Gewalt ist auch für Thüringen belegt.“Mangelnder Respekt sei ein gesellschaftliches Phänomen, von dem Ärzte und Lehrer ebenfalls betroffen seien. „Bis hin zur Frau an der Registrierkasse, die, statt Anerkennung zu erhalten, angepöbelt wird“, bemängelte Walk.
Flächendeckenden Polizeischutz für alle Feuerwehren in Thüringen an besonders kritischen Tagen hält Walk, gelernter Polizist, trotzdem nicht für den richtigen und praktikablen Weg. „Der Weihnachtsmarkt in Apolda ist ein anderer als in Erfurt. Ich halte örtliche Absprachen zwischen Feuerwehr und Polizei für den richtigen Weg.“Ein positives Beispiel, sagte der Politiker, gebe es seit Jahren in Eisenach. „Es gibt dort eine Runde von Blaulichtträgern, die Erfahrungen austauschen und sich abstimmen.“ Tatsächlich gibt es für Feuerwehrleute in Deutschland weit gefährlichere Regionen als Thüringen. „In Berlin und im Ruhrgebiet gibt es Bereiche, die die Feuerwehr grundsätzlich nicht mehr ohne Polizeischutz betritt“, sagte Feuerwehr-Gewerkschaftler Maier. „Wenn es sich irgendwie einrichten lässt, wartet die Feuerwehr dort auf die Polizei.“
Ob regelmäßiger Polizeischutz bei Feuerwehreinsätzen in Thüringen zu erwarten ist – sei es nur für Ausnahmetage –, ist fraglich. „Wir werden es nicht stemmen können, jeden Feuerwehreinsatz zu begleiten“, vermutet Polizeigewerkschafter Christ.
Die Personalprobleme bei der Polizei kennt auch FeuerwehrGewerkschafter Kacsur: „Hier steht Not gegen Elend.“
Eine grundlegende Lösung des Gewaltproblems müsste an einer ganz anderen Stelle ansetzen, finden Polizisten wie Hoffmann und Christ sowie Feuerwehrmänner wie Kacsur und Maier. „Die Gerichte haben Fehlverhalten gegen Amtsträger über viele Jahre hinweg zu lasch behandelt“, sagt Christ. Immer wieder würden Verfahren eingestellt. Allein seiner Polizeigewerkschaft seien mehr als 300 solcher Fälle bekannt.
Das Signal aus den Gerichten in die Gesellschaft sei verheerend, meint Christ, ganz nach dem Motto: Es scheint wohl nicht so schlimm zu sein, einen Polizisten zu schlagen. „Das Rechtsempfinden der Menschen leidet, wenn die Gerichte den Rechtsrahmen nicht ausschöpfen.“
Vorwurf gegen Gerichte: Urteile oft zu milde