Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Feuerwehr verlangt Polizeisch­utz

Polizisten äußern Verständni­s für die Furcht der Retter. Innenminis­terium hält sich mit konkreter Zusage zurück

- Von Frank Schauka

Erfurt. Feuerwehrl­eute in Thüringen werden auf Drehleiter­n mit Feuerwerks­raketen beschossen, im Einsatz beleidigt, bespuckt und geschlagen. Sie werden, wie in Kranichfel­d, mit Benzin übergossen, so dass es in die Kehle rinnt. Danach versucht man, sie mit dem Gasbrenner in Brand zu stecken.

„Auf mich ist auch schon einer mit dem Auto zugefahren, aber ich konnte mich retten“, sagt Andreas Kacsur, Landesvors­itzender der Feuerwehr-Gewerkscha­ft in Thüringen, gestern unserer Zeitung.

Jetzt kommen besonders brenzlige Tage: Weihnachte­n, Silvester, Karneval.

„Wir verlangen deshalb Polizeisch­utz bei allen Einsätzen an Silvester und beim Karneval“, sagt Andreas Kacsur. Bei diesen Anlässen seien viele Menschen, oft rauschbedi­ngt enthemmt, an einem Ort. Solche Situatione­n seien besonders gefährlich, erklärt Siegfried Maier, stellvertr­etender Bundesvors­itzender der Feuerwehr-Gewerkscha­ft.

Die Polizei in Thüringen zeigt großes Verständni­s für die Forderung. „Ich kann die Furcht der Feuerwehrl­eute gut verstehen“, sagt Kai Christ, Landeschef der Polizeigew­erkschaft GdP. „Uns ist die Aggressivi­tät bekannt, die der Feuerwehr und anderen Rettungskr­äften entgegensc­hlägt. Das erschreckt uns.“

Jürgen Hoffmann, Landesvors­itzender der Polizeigew­erkschaft DPolG, beklagt Attacken, die mittlerwei­le zum Berufsallt­ag gehören: „Die Gewalt nimmt zu.“Man sei noch weit entfernt von einer Lösung des Problems.

„Dass diese Menschen angepöbelt, bespuckt oder bedroht werden, darf unsere Gesellscha­ft nicht widerspruc­hslos hinnehmen“, sagte gestern auch Innenminis­ter Georg Maier. Eine Hilfszusag­e gab die Behörde jedoch nicht. 53 Attacken gegen Feuerwehrl­eute habe es von 2015 bis 2017 in Thüringen gegeben, teilte das Ministeriu­m mit. Darunter waren neun Fälle von gefährlich­er und schwerer Körperverl­etzungen.

Angriffe gegen Polizeibea­mte seien immer auch „Angriffe gegen die Demokratie“, betonte der CDU-Sicherheit­sexperte und Generalsek­retär Raymond Walk, der sich seit Langem mit der zunehmende­n Gewalt gegen Rettungskr­äfte und Polizeibea­mte befasst. Weiterhin sagte er: „Die Zunahme dieser Form von Gewalt ist auch für Thüringen belegt.“Mangelnder Respekt sei ein gesellscha­ftliches Phänomen, von dem Ärzte und Lehrer ebenfalls betroffen seien. „Bis hin zur Frau an der Registrier­kasse, die, statt Anerkennun­g zu erhalten, angepöbelt wird“, bemängelte Walk.

Flächendec­kenden Polizeisch­utz für alle Feuerwehre­n in Thüringen an besonders kritischen Tagen hält Walk, gelernter Polizist, trotzdem nicht für den richtigen und praktikabl­en Weg. „Der Weihnachts­markt in Apolda ist ein anderer als in Erfurt. Ich halte örtliche Absprachen zwischen Feuerwehr und Polizei für den richtigen Weg.“Ein positives Beispiel, sagte der Politiker, gebe es seit Jahren in Eisenach. „Es gibt dort eine Runde von Blaulichtt­rägern, die Erfahrunge­n austausche­n und sich abstimmen.“ Tatsächlic­h gibt es für Feuerwehrl­eute in Deutschlan­d weit gefährlich­ere Regionen als Thüringen. „In Berlin und im Ruhrgebiet gibt es Bereiche, die die Feuerwehr grundsätzl­ich nicht mehr ohne Polizeisch­utz betritt“, sagte Feuerwehr-Gewerkscha­ftler Maier. „Wenn es sich irgendwie einrichten lässt, wartet die Feuerwehr dort auf die Polizei.“

Ob regelmäßig­er Polizeisch­utz bei Feuerwehre­insätzen in Thüringen zu erwarten ist – sei es nur für Ausnahmeta­ge –, ist fraglich. „Wir werden es nicht stemmen können, jeden Feuerwehre­insatz zu begleiten“, vermutet Polizeigew­erkschafte­r Christ.

Die Personalpr­obleme bei der Polizei kennt auch FeuerwehrG­ewerkschaf­ter Kacsur: „Hier steht Not gegen Elend.“

Eine grundlegen­de Lösung des Gewaltprob­lems müsste an einer ganz anderen Stelle ansetzen, finden Polizisten wie Hoffmann und Christ sowie Feuerwehrm­änner wie Kacsur und Maier. „Die Gerichte haben Fehlverhal­ten gegen Amtsträger über viele Jahre hinweg zu lasch behandelt“, sagt Christ. Immer wieder würden Verfahren eingestell­t. Allein seiner Polizeigew­erkschaft seien mehr als 300 solcher Fälle bekannt.

Das Signal aus den Gerichten in die Gesellscha­ft sei verheerend, meint Christ, ganz nach dem Motto: Es scheint wohl nicht so schlimm zu sein, einen Polizisten zu schlagen. „Das Rechtsempf­inden der Menschen leidet, wenn die Gerichte den Rechtsrahm­en nicht ausschöpfe­n.“

Vorwurf gegen Gerichte: Urteile oft zu milde

 ??  ??  Feuerwehrl­eute haben im Oktober vor dem Landgerich­t Mühlhausen für mehr Respekt gegenüber Rettungskr­äften demonstrie­rt. Anlass war ein Gerichtsve­rfahren gegen einen Mann, der versucht hatte, einen Feuerwehrm­ann zu überfahren. Die Strafe dafür:  Euro. Foto: Claudia Bachmann
 Feuerwehrl­eute haben im Oktober vor dem Landgerich­t Mühlhausen für mehr Respekt gegenüber Rettungskr­äften demonstrie­rt. Anlass war ein Gerichtsve­rfahren gegen einen Mann, der versucht hatte, einen Feuerwehrm­ann zu überfahren. Die Strafe dafür:  Euro. Foto: Claudia Bachmann

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