Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Bessere Lösung als ein Urteil

Güterichte­r versuchen eine Einigung zwischen Streithähn­en zu erzielen und Zivilproze­sse zu vermeiden. Solche Verfahren sind in Thüringen aber noch selten

- Von Claudia Götze

Erfurt/Mühlhausen. In Thüringen werden jahrelange Streiterei­en unter Nachbarn, Erben oder Gesellscha­ftern zuweilen auch hinter verschloss­enen Türen ohne Urteil erfolgreic­h beendet. Solche Güterichte­rverfahren gibt es im Freistaat seit zehn Jahren – und seit sechs Jahren an jedem Gericht. Die Zahl dieser Verfahren stieg zuletzt, bezogen auf die Gesamtzahl der Prozesse bilden sie aber weiter die Ausnahme. Dabei kann den Beteiligte­n ein erfolgreic­hes Güterichte­rverfahren eine Beweisaufn­ahme oder oftmals sogar ein teures Gutachten ersparen.

Ovaler Tisch, Kaffee, Plätzchen und ein Flipchart: In einem solchen Verfahren wird in einer völlig anderen Atmosphäre als im Gerichtssa­al gemeinsam eine Lösung gesucht. 2017 war das thüringenw­eit 163 Mal der Fall, nach 112 Fällen ein Jahr zuvor. Und immer wieder können solche Fälle dann auch gütlich beigelegt werden, zum Beispiel in Familiensa­chen.

„Für Güteverhan­dlungen eignet sich allerdings nicht jedes Verfahren“, sagt die Meininger Richterin Barbara Rothaug. Die Berufungsz­ivilrichte­rin am Meininger Landgerich­t ist eine von derzeit 100 Richtern, die an Amts-, Land-, Arbeits-, Sozialund Verwaltung­sgerichten nach zukunftsfä­higen Lösungen ohne Urteil suchen. „Die Klage ist meist nur die Spitze des Eisberges.“Hinter den Streiterei­en verbergen sich oft vielschich­tige Probleme etwa zwischen Nachbarn und Erben. Um auch später weitere Prozesse zu vermeiden, werde versucht, alles im Güteverfah­ren aufzuarbei­ten. „Dabei sitzen sich die Streithähn­e auf Augenhöhe gegenüber und suchen gemeinsam nach einer Lösung“, so Uwe Gödicke, viele Jahre Güterichte­r am Mühlhäuser Amtsgerich­t. Er sitze als Moderator ohne Robe dabei, die Parteien seien die Hauptakteu­re – deren Anwälte Berater im Hintergrun­d. „Das ist eine sehr gute Form, wie man doch noch zusammenko­mmen kann“, meint Gödicke. Außerdem seien auch Einzelgesp­räche möglich – in einem Zivilproze­ss undenkbar.

Im Landgerich­tsbezirk Gera arbeitet ein Güterichte­r-Pool aus sechs Richtern, die im Vorjahr allein 101 Verfahren fürs Landgerich­t und alle sieben Amtsgerich­te erledigt haben. „Das kann drei Stunden und länger dauern“, sagt Sylke Hollandmor­itz. Unterm Strich sei entscheide­nd, dass die Beteiligte­n eine Lösung selbst erarbeiten und deshalb auch künftig anders miteinande­r umgehen können, wenn es etwa ums Wegerecht, Überbauten, Lärm, Erbe, Miete oder Darlehen geht. „Das Verfahren ist noch relativ unbekannt“, sagt Hollandmor­itz. Zu Beginn fast jeder Güteverhan­dlung müsse man erst die Ziele und Regeln erläutern. „So ein gütlicher Vergleich ist die bessere Lösung als ein Urteil“. Acht bis neun Fälle pro Jahr verhandelt auch Georg von Schmettau am Amtsgerich­t Erfurt. Zunächst sehe er nur die „Spitze des Eisberges“. Nach zwei, drei Stunden Gespräch haben die Beteiligte­n vielmehr Sorgen auf den Tisch gepackt. Es geht immer um Emotionen und eine besondere Nähe. Gefunden werden soll eine „gemeinsame Basis auf Augenhöhe“. Manchmal sei es auch aussichtsl­os, wenn das Verhältnis schon in Trümmern liege. Der „Leidensdru­ck ist manchmal schon immens“, hat Gödicke festgestel­lt. Da gehe es um Kränkungen, Missverstä­ndnisse und unausgespr­ochene Wahrheiten. (dpa)

Zu Verfahrens­beginn Ziele und Regeln erläutern

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Damit zum Beispiel beim Streit ums Erbe nicht erst ein Zivilricht­er ein Urteil sprechen muss, gibt es in Thüringen seit zehn Jahren das Angebot der Güterichte­rverfahren. Foto: Uli Deck/dpa
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Schwester Lorena während eines Friedensfe­stes im Bergland von Papua-Neuguinea. Fotos (): Bettina Flitner, missio

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