Bessere Lösung als ein Urteil
Güterichter versuchen eine Einigung zwischen Streithähnen zu erzielen und Zivilprozesse zu vermeiden. Solche Verfahren sind in Thüringen aber noch selten
Erfurt/Mühlhausen. In Thüringen werden jahrelange Streitereien unter Nachbarn, Erben oder Gesellschaftern zuweilen auch hinter verschlossenen Türen ohne Urteil erfolgreich beendet. Solche Güterichterverfahren gibt es im Freistaat seit zehn Jahren – und seit sechs Jahren an jedem Gericht. Die Zahl dieser Verfahren stieg zuletzt, bezogen auf die Gesamtzahl der Prozesse bilden sie aber weiter die Ausnahme. Dabei kann den Beteiligten ein erfolgreiches Güterichterverfahren eine Beweisaufnahme oder oftmals sogar ein teures Gutachten ersparen.
Ovaler Tisch, Kaffee, Plätzchen und ein Flipchart: In einem solchen Verfahren wird in einer völlig anderen Atmosphäre als im Gerichtssaal gemeinsam eine Lösung gesucht. 2017 war das thüringenweit 163 Mal der Fall, nach 112 Fällen ein Jahr zuvor. Und immer wieder können solche Fälle dann auch gütlich beigelegt werden, zum Beispiel in Familiensachen.
„Für Güteverhandlungen eignet sich allerdings nicht jedes Verfahren“, sagt die Meininger Richterin Barbara Rothaug. Die Berufungszivilrichterin am Meininger Landgericht ist eine von derzeit 100 Richtern, die an Amts-, Land-, Arbeits-, Sozialund Verwaltungsgerichten nach zukunftsfähigen Lösungen ohne Urteil suchen. „Die Klage ist meist nur die Spitze des Eisberges.“Hinter den Streitereien verbergen sich oft vielschichtige Probleme etwa zwischen Nachbarn und Erben. Um auch später weitere Prozesse zu vermeiden, werde versucht, alles im Güteverfahren aufzuarbeiten. „Dabei sitzen sich die Streithähne auf Augenhöhe gegenüber und suchen gemeinsam nach einer Lösung“, so Uwe Gödicke, viele Jahre Güterichter am Mühlhäuser Amtsgericht. Er sitze als Moderator ohne Robe dabei, die Parteien seien die Hauptakteure – deren Anwälte Berater im Hintergrund. „Das ist eine sehr gute Form, wie man doch noch zusammenkommen kann“, meint Gödicke. Außerdem seien auch Einzelgespräche möglich – in einem Zivilprozess undenkbar.
Im Landgerichtsbezirk Gera arbeitet ein Güterichter-Pool aus sechs Richtern, die im Vorjahr allein 101 Verfahren fürs Landgericht und alle sieben Amtsgerichte erledigt haben. „Das kann drei Stunden und länger dauern“, sagt Sylke Hollandmoritz. Unterm Strich sei entscheidend, dass die Beteiligten eine Lösung selbst erarbeiten und deshalb auch künftig anders miteinander umgehen können, wenn es etwa ums Wegerecht, Überbauten, Lärm, Erbe, Miete oder Darlehen geht. „Das Verfahren ist noch relativ unbekannt“, sagt Hollandmoritz. Zu Beginn fast jeder Güteverhandlung müsse man erst die Ziele und Regeln erläutern. „So ein gütlicher Vergleich ist die bessere Lösung als ein Urteil“. Acht bis neun Fälle pro Jahr verhandelt auch Georg von Schmettau am Amtsgericht Erfurt. Zunächst sehe er nur die „Spitze des Eisberges“. Nach zwei, drei Stunden Gespräch haben die Beteiligten vielmehr Sorgen auf den Tisch gepackt. Es geht immer um Emotionen und eine besondere Nähe. Gefunden werden soll eine „gemeinsame Basis auf Augenhöhe“. Manchmal sei es auch aussichtslos, wenn das Verhältnis schon in Trümmern liege. Der „Leidensdruck ist manchmal schon immens“, hat Gödicke festgestellt. Da gehe es um Kränkungen, Missverständnisse und unausgesprochene Wahrheiten. (dpa)
Zu Verfahrensbeginn Ziele und Regeln erläutern